Für schlaue Detektive

Kategorie: Wilden Vier Band 2 (Seite 1 von 2)

Band 2 – Der Schatz im Rathauskeller

Die wilden Vier und der Schatz im Rathauskeller – Kapitel 10

Cover Die wilden Vier und der Schatz im Rathauskeller

Die große Feier

Autor: Harald Schneider

Eine Woche nach ihrem bestandenen Abenteuer trafen sich die wilden Vier zusammen mit Kommissar Greulich und Daniel bei Jutta und Sven zum Kaffee.

Sven war guter Laune, er begrüßte sogar Elvis überschwänglich. Da er inzwischen ein anderes Rasierwasser benutzte, blieb ihm diesmal eine Gesichtswäsche durch den Dalmatiner erspart.

Auch Jutta war guter Dinge. Man merkte ihr deutlich die Erleichterung an, dass die Schatzsuche vorbei war.

Kommissar Greulich erzählte gerade von seinem Kollegen, dessen Sohn die wilden Vier kurzzeitig gefangen genommen hatten.

„So böse habe ich ihn noch nie erlebt. Seinen Sohn hat er ganz schön in die Mangel genommen, weil er Jugendliche mit einer Waffe bedroht hat. Obwohl es, wie wir später herausgefunden haben, nur eine Schreckschusspistole war. Karl wartet jetzt auf sein Gerichtsverfahren, dann werden wir weitersehen.“

„Da habt ihr wirklich ein spannendes und vor allem gefährliches Abenteuer erlebt“, fügte Jutta hinzu. „Das hätte auch anders ausgehen können. Warum habt ihr Sven und mich nicht eingeweiht?“

Die vier Freunde sahen einander kurz an, dann erklärte Marc: „Die wilden Vier sind es gewohnt, ihre Abenteuer alleine zu bestehen. Außerdem hatten wir Elvis dabei. Gegen den kommt keiner an!“

„Wuff“, bestätigte der Dalmatiner, als er seinen Namen hörte.

„Jutta, verrätst du uns, ob in der Blechdose wirklich Aktien drin waren? Bist du jetzt reich?“, wollte Sandra wissen.

„Na ja, das ist so eine Sache“, antwortete ihre Gastgeberin. „Ihr habt es schon richtig erkannt, es sind ziemlich viele Aktien gewesen. Leider gibt es die meisten Firmen nicht mehr und die Aktien der anderen sind fast nichts mehr wert. Sie haben nur noch einen reinen Sammlerwert. Für einen Urlaub wird’s reichen, aber für mehr nicht.“

„Oh“, riefen die Jugendlichen im Chor. „Das tut uns aber leid.“

„So schlimm ist es nicht“, fügte Sven hinzu. „Es sind auch ein paar Grundbuchauszüge dabei gewesen. Juttas Eltern sind quasi über Nacht Großgrundbesitzer geworden. Sie haben im Allgäu, südlich von Kempten, ein paar schöne Grundstücke geerbt. Diese wollen sie jetzt Jutta überschreiben.“

„Wir wissen noch nicht, was wir damit machen“, übernahm Jutta wieder das Wort. „Entweder ziehen wir selbst dorthin oder wir verkaufen die Grundstücke und kaufen dafür in Ludwigshafen ein kleines Haus. Wie auch immer, wir müssen uns mit der Entscheidung nicht beeilen.“

Sven sah in die Runde und grinste. „Etwas anderes ist nämlich im Moment viel wichtiger: Wir wollen euch heute verkünden, dass wir bald heiraten werden. Und ihr seid hiermit alle eingeladen.“ Er nahm Jutta in den Arm und lächelte glücklich über beide Wangen.

„Herzlichen Glückwunsch, ihr beiden“, sagte Kommissar Greulich. „Dann hat also alles eine glückliche Wendung genommen. Ich kann euch trotzdem nur warnen“, er schaute die wilden Vier der Reihe nach ernst an. „Begebt euch in Zukunft nicht mehr in solche Gefahren. Das hätte böse enden können.“

„Aber Herr Kommissar. Wir können doch gar nichts dafür, dass wir ständig in neue Abenteuer stürzen“, widersprach Kevin. „Wir ziehen sie irgendwie magisch an. Aber Sie haben Recht, wir sollten uns erst ein wenig erholen. Zur Entspannung werden wir uns in den nächsten Tagen zur Abwechslung einen schönen Schülerstreich ausdenken, damit unsere Mitschüler wieder auf ihre Kosten kommen.“

Greulich lächelte. „Treibt es aber nicht zu bunt. Nicht, dass euer Lehrer wegen euch einen Herzinfarkt bekommt.“

Eine zeitlang blödelten die vier Freunde noch herum und versuchten, gemeinsam einen Streich zu entwickeln. Sogar Jutta und Sven überlegten und gaben zwischendurch eigene Erlebnisse aus ihren Schülerzeiten zum Besten.

Schließlich stand der Kommissar auf und verabschiedete sich. „Vielen Dank für die Einladung. Zur Hochzeit komme ich selbstverständlich gern. Ich muss aber nun leider gehen, da ich einen dienstlichen Termin habe. Es ist zwar nichts Besonderes – im Friedrich-Ebert-Park haben sie letzte Nacht zwei Papageien gestohlen -, aber die Leute warten auf mich.“

Ein Papageiendiebstahl? Hatten die wilden Vier richtig gehört? Sie sahen einander stumm an und ihnen war sofort klar, dass sie sich nachher im Clubraum treffen würden.

Ob Daniel im nächsten Fall mitmachen darf, müssen die wilden Vier erst noch diskutieren. Eine weitere Person würden sie gerne auf jeden Fall dabeihaben wollen, und zwar: Dich!

Neue Abenteuer warten auf die ‚wilden Vier‘. Können sie das Geheimnis der gestohlenen Papageien lösen?

Die wilden Vier und der Schatz im Rathauskeller – Kapitel 9

Cover Die wilden Vier und der Schatz im Rathauskeller

Eine überraschende Wende

Autor: Harald Schneider

Die Ereignisse überstürzten sich. Sandra löste den Blitz ihrer Kamera aus und der bewaffnete Mann wurde geblendet. Er schrie und fluchte, während die vier Jugendlichen aus der Schusslinie rannten. Kevin leuchtete Karl mit seiner Lampe an. Der wusste immer noch nicht, wie ihm geschah, als Marc ihm einen Stoß in die Seite gab, der ihn schwanken ließ. Dummerweise stand Karl direkt an der Wand und bekam Marc mit seiner linken Hand am Unterarm zu fassen.

„Ha, ich hab einen von euch. Bleibt alle stehen, wenn ihr heil herauskommen wollt.“

In diesem Moment wurde er von der anderen Seite gepackt und sein rechter Arm samt Pistole nach hinten gedreht. Er schrie vor Schmerzen auf und ging in die Knie. Die vier Freunde trauten ihren Augen nicht: Der Mann lag auf dem Boden im Dreck und auf ihm saß Juttas Freund Sven!

„Hallo, schön euch mal wieder zu sehen“, sagte er mit einem schiefen Grinsen. „Entschuldigt bitte mein theatralisches Auftreten, aber dass dieser Halunke bewaffnet ist, damit habe selbst ich nicht gerechnet.“

„Wo, wo kommen Sie denn her?“, stotterte Sandra. „Sind Sie schon die ganze Zeit hier?“

„Eine Weile schleiche ich bereits hinter euch her“, bestätigte Sven. „Ihr wart ja leicht zu finden. Das Echo ist fulminant.“

„Und was machen wir jetzt?“, fragte Sandra. Sie hatte Angst, dass sich nun Juttas Freund den Schatz unter den Nagel reißen würde. Doch das schien Sven gar nicht im Sinn zu haben. „Ich schlage vor, wir fesseln unserem Freund erst mal die Hände. Dann gehen wir zurück ans Tageslicht und schnurstracks zu eurem Freund Greulich, okay?“

Die vier nickten erleichtert.

„Ach ja“, fügte Sven mit einem Blinzeln hinzu. „Die Blechdose nehmen wir auch mit. Die könnt ihr später Jutta geben. Passt also schön drauf auf.“

Die wilden Vier waren erleichtert, dass Sven auf ihrer Seite zu sein schien. Ihr Gefangener ließ sich mürrisch und ohne Gegenwehr fesseln und schwieg die ganze Zeit.

Dank Sandras intelligenter Kennzeichnung benötigten sie nur ein paar Minuten, um in den ersten großen Saal zu kommen, von dem aus ihre Tour begonnen hatte.

„Was machen wir mit unserem Gefangenen?“, fragte Kevin. „Gefesselt kommt der nie da hoch.“

Marc winkte ab. „Kein Problem, macht die Fesseln ab, oben steht Elvis, der lässt ihn bestimmt nicht türmen.“

„Apropos Elvis“, bemerkte Kerstin in Richtung Sven. „Wie sind Sie eigentlich an ihm vorbeigekommen? Der hatte Sie doch immer zum Fressen gern!“

Sven lachte. „In der Tat hat er mich vorhin wieder regelrecht angefallen. Daniel hat mich zum Glück gleich erkannt und ist mir zu Hilfe gekommen. Aber euer Elvis hat mir nichts getan. Er wollte mich nur abschlecken. Ich glaube inzwischen, dass ich das Geheimnis gelüftet habe, warum Elvis immer so auf mich steht. Es ist mein Rasierwasser!“

Verblüfft schauten die vier Freunde einander an. Da konnte etwas dran sein, darum war Elvis so scharf auf die Blumen gewesen, die Sven Jutta geschenkt hatte.

Marc kletterte die Röhre hoch, um sich mit Elvis oben zu postieren, während Sven dem Gefangenen, der immer noch schwieg, die Handfesseln abnahm.

Von oben rief Marc hinunter: „Ihr könnt raufkommen. Hier wartet eine weitere Überraschung auf euch.“

Als kurz danach einer nach dem anderen wie in einem Kasperletheater zum Vorschein kam, erblickten sie Kommissar Greulich und einige seiner Kollegen. Daniel hatte es nicht mehr ausgehalten und ihn verständigt.

„Das ist ja eine Überraschung!“, rief Greulich und begrüßte jeden mit Handschlag. Nur bei einem machte er eine Ausnahme. Dieser bekam Handschellen angelegt und wurde abgeführt.

Kopfschüttelnd schaute er ihm nach. „Ausgerechnet der Sohn meines Kollegen. Das wird eine Schlagzeile geben.“ Er schüttelte betrübt den Kopf. „Na ja, da kann man nichts machen.“

Zu den wilden Vier gewandt meinte er zwinkernd: „Ihr geht am besten erst mal heim und wascht euch. So frisch seht ihr alle nicht mehr aus. Ach, ihr habt was gefunden? Was machen wir denn damit?“

„Herr Greulich, haben Sie was dagegen, wenn wir das Jutta persönlich übergeben?“, fragte ihn Kerstin.

„Normalerweise müsste ich das an mich nehmen und untersuchen“, erklärte der Kommissar. „Okay, ausnahmsweise. Aber passt bitte gut darauf auf.“

Jetzt erst hatten die wilden Vier Zeit, sich umzuschauen. Ein ungewöhnliches Bild bot sich ihnen: Auf dem Boden lag ein glücklicher Elvis, der von zwei Personen liebevoll gekrault wurde: Sven und Daniel. Sandra nutzte die Gelegenheit und hielt die Szene mit ihrer Kamera fest.

„Jetzt haben wir den Beweis, dass Elvis der bravste Hund der Welt ist“, lachte sie.

Sven schaute auf. „Ich bin auch glücklich, aber aus einem anderen Grund. Kommt, ich lade euch zum Eis ein. Und danach gehen wir zu Jutta, einverstanden?“

Elvis verstand bloß Eis, sah Sven an und zog ihm dafür seine nasse Zunge quer über das Gesicht.

Daniel und die wilden Vier lachten, während sich Sven mit einem Taschentuch das Gesicht abtrocknete.

„Ich weiß auch schon, was ich nach dem Besuch bei Jutta mache“, lachte er. „Ich kaufe mir ein anderes Rasierwasser.“

Fünf Minuten später saßen alle sechs zusammen mit dem Dalmatiner in einem Eiscafe.

„Ich muss mich bei euch entschuldigen. Anfangs war ich ziemlich ungerecht zu euch“, begann Sven. „Ich wollte keine Einmischung in Juttas Angelegenheiten.“

„Sie wollten die ganze Zeit nur den Schatz finden, oder?“, hakte Sandra misstrauisch nach. „Hat Ihnen Jutta überhaupt etwas bedeutet?“

„Oh ja, das hat sie!“, rief Sven aufgebracht, fuhr dann jedoch kleinlaut fort: „Ich muss allerdings gestehen, dass es nicht von Anfang an so war. Ich verrate euch jetzt ein Geheimnis und hoffe, dass es Jutta niemals erfährt.“ Sven räusperte sich verlegen. „Nicht nur der Opa des Polizistensohns war mit Georg Marsanek befreundet. Mein Opa war es ebenfalls. Es war sogar eine sehr enge Freundschaft. Bei meinen Recherchen über meine Herkunft bin ich auf diese alte Geschichte gestoßen. Dann habe ich mit Erfolg versucht, Jutta zu finden. Ich gebe zu, dass ich zu diesem Zeitpunkt nur an das viele Geld dachte. Doch als ich Jutta sah und mit ihr das erste Mal sprach, habe ich mich tatsächlich in sie verliebt. Es ist die absolute Wahrheit, ob ihr es glaubt oder nicht. Ich will mit Jutta auf jeden Fall zusammenbleiben, ob mit Vermögen oder ohne.“

„Danke, dass Sie uns die Wahrheit gesagt haben“, sagte Kerstin, und auf den Gesichtern der vier Freunde zeichnete sich Erleichterung ab. „Das mit ihrem Opa haben wir inzwischen selbst herausgefunden. Aber keine Angst, Jutta erfährt von uns nichts. Das gilt auch für dich, Daniel.“ Sie schaute den Schulkameraden streng an.

„Ja klar, ich verrate meiner Tante nichts“, gab er sich einverstanden.

Sven lächelte erfreut. „Vielen Dank für euer Verständnis. Jetzt sollten wir aber noch in die Blechdose schauen, bevor wir zu Jutta gehen. Nicht, dass die leer ist und sie meint, wir wollen sie veräppeln.“

Sandra förderte die Dose aus ihrem Rucksack zu Tage und öffnete sie.

Die wilden Vier machten lange Gesichter, als Sandra lediglich einen Packen alter vergilbter Papiere zum Vorschein brachte. Kein Geld, kein Gold, kein Schmuck; nichts, was sichtbar wertvoll war.

„Mensch, das sind ja nur ein paar alte Schriftstücke und ein ganzer Haufen Papiere mit Firmennamen und verzierten Wappen drauf“, sagte Kevin enttäuscht. „Mit dem alten Kram kann Jutta bestimmt nichts anfangen.“

Kerstin schüttelte den Kopf. „Aber mein lieber Bruder. Du hast ja keine Ahnung. Ich weiß es zwar nicht genau, aber ich glaube, dass hier möglicherweise viel Geld auf dem Tisch liegt.“

Frage: Was meinte Kerstin?

Antwort: .tgeleg topedknaB nie ni thcin dnu nebohegfua esuahuz tsiem neitkA eid remütnegiE eid nebah slamaD .neraw nedrow nebegegsua remütnegiE negiliewej eid na rehürf eid ,neitkA hcilniehcsrhaw dnis neppaw- dnu nemannemriF ned tim ereipaP netreizrev eiD

Die wilden Vier und der Schatz im Rathauskeller – Kapitel 8

Cover Die wilden Vier und der Schatz im Rathauskeller

Eine missliche Lage

Autor: Harald Schneider

„Okay Kevin, dank deiner Hilfe wissen wir jetzt, dass es oben auf der Karte irgendwo zum Rathauskeller gehen muss“, sagte Sandra und nickte anerkennend. „Einer dieser Gänge muss derjenige sein, der verschüttet ist. Doch wo der Schatz ist, verrät uns die Karte nicht. Wir können jetzt zwar alle Gänge abgehen und sämtliche Räume untersuchen, wenn der Schatz aber irgendwo vergraben ist, bringt uns dass nicht wirklich weiter.“

Nun schaltete sich ihr erwachsener Begleiter wieder ein: „Ich denke, es wird langsam Zeit, die Karte von Frau Marsanek mit diesem Grundriss zu vergleichen.“

„Ja klar“, fiel ihm Marc ins Wort. „Wir müssen nur die beiden Teile deckungsgleich bekommen, fast wie bei einem Puzzle.“

Kerstin hatte die Kopie bereits ausgepackt und voller Hoffnung auf den Grundriss gelegt. Zehn Augen versuchten, eine Übereinstimmung zu finden. Nach einer Weile drehte Kerstin die Kopie um 45 Grad nach links. „Aus unserer Kopie geht leider nicht hervor, wo oben und unten ist. Es stehen auf alle vier Seiten irgendwelche Buchstabenkürzel.“

Als Kerstin die Kopie zum zweiten Mal um 45 Grad nach links drehte, machte sich langsam Enttäuschung breit.

„Nicht aufgeben, konzentriert euch gefälligst“, spornte Marc seine Freunde an.

Die wilden Vier konnten ihre Kopie drehen, wie sie wollten, sie konnten absolut keine Ähnlichkeit mit dem gefundenen Grundriss ausmachen.

„Das liegt bestimmt daran, dass bei unserer Kopie nur ein Teil der Räume in diesem Bereich eingezeichnet ist und unwichtigere Räume weggelassen wurden. Außerdem stimmen die Maßstäbe nicht überein“, murrte Kevin.

Karl zuckte mit den Schultern. „Dann lasst uns zurückgehen. So hat das alles keinen Sinn. Ich habe mir mehr von der Sache erwartet.“ Enttäuschung klang aus seiner Stimme. Oder war die Enttäuschung nur vorgespiegelt?

Sandra grübelte vor sich hin. Was, wenn der Mann auf dem Plan etwas entdeckt hatte und es nur nicht verraten wollte? Dann würde er später alleine herkommen und sich ohne die wilden Vier auf die Suche begeben.

„Nein, wir suchen weiter“, bestimmte Sandra. „So eine Chance dürfen wir uns nicht entgehen lassen.“

„Und wie willst du vorgehen?“, wollte Kevin wissen. „Am Ende verlaufen wir uns in diesem Labyrinth!“

„Du meinst, in diesem Irrgarten!“, verbesserte sie ihn.

„Es ist mir egal, ob das ein Labyrinth oder ein Irrgarten ist. Wir kommen im Moment nicht weiter, das ist Fakt.“

„Fakt ist, dass wir noch einen Trumpf im Ärmel haben.“ Sandra schaute Kevin zwinkernd an.

„Was für einen Trumpf?“, mischte sich der Fremde wieder ein.

„Schauen Sie mal unsere Kopie genauer an. Hier ist der Raum, der mit einem X gekennzeichnet ist, der Raum daneben sieht vom Grundriss her anders aus als alle anderen.“

„Tatsächlich, du hast Recht, Kleine. Das könnte uns weiterhelfen.“

„Sandra, klärst du uns mal auf?“, forderte Kerstin ungeduldig.

„Sicher, der Raum ist fünfeckig. So was dürfte recht selten sein, oder? Wir müssen nur einen Raum mit fünf Ecken finden und hoffen, dass es nur einen einzigen gibt. Im Nachbarraum dürfte dann das Vermögen liegen.“

Die wilden Vier und ihr Begleiter machten sich auf den Weg. Sandra markierte fleißig und gewissenhaft sämtliche Gänge, die sie benutzten. Schnell merkten sie, dass das Gewölbe doch nicht so groß war, wie es anfangs schien. Immer öfters landeten sie in Räumen, in denen sie bereits gewesen waren.

Anfangs hatten sie noch versucht, sich mit dem Kompass immer in nördlicher Richtung zu halten. Doch das funktionierte nicht, da die Gänge oft völlig unvorhersehbar die Richtung änderten.

„Seid mal still!“, befahl Kerstin plötzlich. Alle blieben stehen und lauschten. Waren da nicht Schritte? Oder war es nur Einbildung?

Karl trieb sie zur Eile an. „Los, lasst uns weiter gehen, das ist nur unser eigenes Echo, das sich durch die Stollen fortpflanzt.“

Irgendwann landeten sie in einem neuen Bereich. Hier gab es keine Gänge, sondern nur ineinander verschachtelte Kellerräume.

„Diese Keller müssen bereits vor dem Krieg zum Bahnhof gehört haben. Ich glaube, wir kommen unserem Ziel näher“, überlegte Marc.

Dennoch mussten sie sich noch eine Weile gedulden und durch zahlreiche Kellerräume kämpfen. Doch auf einmal war es geschafft. Niemand hatte mehr ernsthaft damit gerechnet. Sie standen in einem Raum mit einem fünfeckigen Grundriss.

„Hurra, wir haben es geschafft“, schrie Kevin. „Schatz, wir kommen!“

„Gar nichts haben wir geschafft, höchstens ein Etappenziel“, wies ihn seine Schwester zurecht.

Sandra beleuchtete mit ihrer Taschenlampe die Kopie von Juttas Plan. „Wir müssen eindeutig in diese Richtung.“ Sie zeigte nach rechts.

Die fünf Personen gingen durch einen hölzernen Türrahmen, denn Türen gab es hier unten nicht. Sie betraten einen Raum, der sich in nichts von den anderen Räumen unterschied.

„Hier soll das Vermögen versteckt sein?“, zweifelte Kevin.

„Wenn du geglaubt hast, dass mitten auf dem Boden eine Truhe steht, dann ist das dein Problem“, grinste Sandra. „Du kannst davon ausgehen, dass seit dem letzten Krieg hier unten einige Menschen rumgelaufen sind. Juttas Opa wird sein Vermögen garantiert ein bisschen besser versteckt haben.“

Eine Viertelstunde lang untersuchten die fünf jeden Quadratzentimeter des Raumes. Doch es war alles umsonst. Sie fanden nicht den kleinsten Anhaltspunkt für ein Versteck.

„Es gibt zwei Möglichkeiten“, meinte schließlich ihr Begleiter. „Entweder es gibt noch mehr fünfeckige Räume oder euer Plan ist falsch.“

Die wilden Vier überlegten, was sie tun sollten. Sandra lief auf und ab und leuchtete mit ihrer Lampe nochmals in alle Winkel.

„Zum Teufel, da ist wirklich nichts zu finden. Das Einzige, was kein Mauerwerk ist, ist diese dämliche Türzarge.“

„Türzarge?“ Kerstin hatte einen Gedankenblitz. „Kommt mal her. Leuchtet auf die Zarge.“

Kerstin zog unter der Beleuchtung so fest sie konnte an dem hölzernen Türstock. Nur schwer ließ er sich bewegen. Erst als Karl mit anpackte, löste sich das Holz vom Mauerwerk.

Fünf Augenpaare starrten in eine zehn Zentimeter breite Vertiefung, die bis eben durch den Türrahmen verdeckt worden war. Karl griff hinein und holte einen Blechkanister hervor.

„Ha, ich habe gefunden, was ich wollte. Endlich gehört es mir!“, jubelte er.

„Na, hören Sie mal! Wir haben das Versteck gefunden“, protestierte Sandra mit wütendem Gesicht. „Ohne Kerstins Idee wäre nichts gelaufen.“

„Ach so, ihr seid ja auch noch da.“ Langsam griff er mit seiner rechten Hand in die Stofftasche und holte eine Pistole hervor. „Am besten seid ihr jetzt ganz brav und stellt euch drüben in die Ecke. Wenn ihr nichts Unüberlegtes tut, passiert euch nichts.“ Auffordernd winkte er mit der Waffe und zeigte auf die Ecke.

Die wilden Vier waren überrascht. Damit hatten sie nicht gerechnet. Der offensichtliche Gangster versuchte mit einer Hand die Blechdose zu öffnen, was aber misslang.

„Egal“, murmelte Karl vor sich hin. „Hauptsache, ich habe die Papiere.“

„Welche Papiere?“, fragte ihn Marc frech, auch wenn er nicht mit einer Antwort rechnete.

 „Wohl neugierig was? Ihr habt keine Ahnung. Mich interessiert der Schatz von dem Georg einen feuchten Dreck. Ich will etwas ganz anderes.“

„Was anderes? Was soll da noch dabei sein, außer dem Vermögen von Juttas Opa?“

Karl schaute sie kurz an und überlegte.

„Okay, ich will es euch erzählen. Ihr könnt sowieso nichts damit anfangen. Bis ihr das ausplaudern könnt, habe ich längst alles vernichtet.“

Die wilden Vier glaubten, nicht richtig gehört zu haben, doch da begann er bereits mit seiner Erzählung: „Passt auf. Mein Vater ist ein Kollege von Kommissar Greulich. Daher wusste ich von dem Plan, den ihr hattet. Greulich wollte diesen Plan aber nicht meinem Vater geben, weil er in einem anderen Ressort arbeitet. Deshalb blieb mir nichts anderes übrig, als Kontakt mit euch aufzunehmen. Denn im Stadtarchiv habe ich auch nichts gefunden.“

„Und warum das Ganze?“, fragte Kerstin. „Sie kennen doch Georg Marsanek überhaupt nicht.“

„Das ist richtig. Ich kenne ihn nicht. Aber mein Opa war ein guter Freund von ihm. Und dieser Georg war im Besitz wichtiger Dokumente, die belegen könnten, dass mein Opa an Verbrechen der damaligen Zeit zumindest Mitschuld hatte. Georg Marsanek schrieb davon in einem seiner letzten Briefe an meinen Opa.“

„Und was wollen Sie mit den alten Geschichten?“, wunderte sich Marc. „Das ist doch längst vergangene Zeit.“

„Nein, ist es nicht“, widersprach Karl barsch. „Ich will die Familienehre wahren. Stellt euch vor, ihr hättet diese Blechdose gefunden und die Dokumente der Presse übergeben. Nein, das kann ich nicht zulassen. Ihr müsst hier unten bleiben, bis ich diese Papiere vernichtet habe.“

Die vier waren baff. Wie sollten sie sich aus dieser Situation retten? Sie waren dem Fremden ausgeliefert. Sandra tuschelte mit Marc hinter dem Rücken der beiden anderen. „Lenk du ihn ab, ich hab eine Idee. Ich habe doch meinen Fotoapparat dabei.“

Marc sah sie erstaunt von der Seite an, tat aber wie geheißen und ging langsam auf Karl zu. „Soll ich Ihnen helfen, die Blechdose zu öffnen?“

Doch Karl stieß ihn zurück. „Bleib weg von mir, oder du kannst was erleben!“

In diesem Moment geschah es. Sandra schaffte es, den Fremden zu überrumpeln. Für einen Sekundenbruchteil zumindest.

Frage: Was machte Sandra?

Antwort: .nnaM ned os etednelb dnu sua starappaotoF serhi ztilB ned etsöl eiS

Die wilden Vier und der Schatz im Rathauskeller – Kapitel 7

Cover Die wilden Vier und der Schatz im Rathauskeller

Im Gewölbe

Autor: Harald Schneider

Nun wurde das nächste Geheimnis gelüftet. Marc hatte bereits versucht herauszufinden, warum der Mann eine Stofftasche mit sich trug, durch die sich ein länglicher Gegenstand abzeichnete. Die Lösung war einfach: Er öffnete die Tasche und zog eine schwere Brechstange heraus. Das gebogene Ende steckte er in eines der kleinen Löcher, die rings um den Kanaldeckel angeordnet waren. Dann hebelte er am anderen Ende der Brechstange in Richtung Deckelmitte. Wie von Geisterhand öffnete sich der schwere Kanaldeckel und fiel nach einem kräftigen Ziehen mit der Oberseite nach unten neben den Schacht, der nun sichtbar wurde.

Kevin hatte sich mit seiner Taschenlampe bewaffnet und leuchtete in das dunkle Loch. „Spitze! Da sind sogar Trittstufen an der Seite“, jubelte er.

Sandra hingegen überlegte laut: „Und was passiert, wenn jemand den Deckel zumacht, solange wir unten sind? Und Elvis können wir auch nicht mitnehmen. Einer von uns muss hierbleiben.“

„Ich nicht“, maulte Marc. „Soll das unser Neuzugang Daniel machen. Dann kann er sich bewähren.“

„Ich will aber auch mit runter“, beschwerte sich Daniel und schaute böse drein. „Soll jemand von euch bei dem Hund bleiben. Ich kann ihn sowieso nicht leiden.“

So ging es eine Weile hin und her. Schließlich wurde es Karl zu dumm. „Entweder ihr entscheidet euch, oder ich gehe alleine runter.“

Daraufhin gelang es Kerstin, Daniel zu überzeugen. „Sieh mal, das ist eine vertrauensvolle Aufgabe. Wir legen unsere Sicherheit in deine Hände. Und wenn wir was gefunden haben, hole ich dich sofort. Versprochen!“

Mit Murren machte es sich Daniel neben dem Schacht auf dem Boden bequem. Elvis setzte sich mit gebührendem Sicherheitsabstand auf die andere Seite der Öffnung.

Für Kevin, der die Trittstufen nach unten nahm, war die Reise nach drei Metern Tiefe zu Ende. „Hier hört der Schacht schon auf“, schrie er nach oben. „Das scheint eine Sackgasse zu sein.“

Kerstin leuchtete von oben ihrem Bruder entgegen. „Schau dich genau um. Da muss es irgendwo weitergehen. Sonst hätten der Schacht und der Kanaldeckel überhaupt keinen Sinn.“

Kevin untersuchte die Wände der Röhre ganz genau, was wegen der Enge nicht einfach war. „Du hast Recht, Schwesterlein“, schrie er Sekunden später hinauf. „Da ist eine Metalltür auf der Seite. Ich versuche, sie zu öffnen.“

Oben hörten sie es laut knirschen und danach gab es einen lauten Knall.

„Ist was passiert?“, riefen alle zeitgleich in das Loch, aus dem dicker Staub aufstieg.

Zuerst kam nichts, dann hörten sie Kevin husten, und schließlich meldete er sich: „Ein Glück, dass die Tür nicht in die Röhre gefallen ist, sonst könntet ihr mich jetzt als Briefmarke ins Album kleben. Diese Tür ist plötzlich nach innen in einen Hohlraum gefallen. Ich bin mir nicht mal sicher, ob sie überhaupt Scharniere hatte. Der Staub ist noch zu stark.“

Nach ein paar Minuten hatte sich der Staub gelegt und Kevin konnte den Hohlraum inspizieren. „Hey, also ihr könnt es glauben oder auch sein lassen. Da ist ein Riesensaal. Ich schlüpfe durch das Loch. Ihr könnt nachkommen!“

Einer nach dem anderen folgte Kevin die Metallstiegen hinunter und durch die Öffnung in den großen Raum. Karl folgte ihnen zuletzt. Die Wände des Saales waren mit kleinen Backsteinen gemauert, so wie es vor vielen Jahrzehnten üblich gewesen war. Der Boden bestand aus gestampftem Lehm und war feucht. An manchen Stellen sah man kleine Rinnsale aus den Wänden kommen, die überall Wasserlachen bildeten.

Am hinteren Ende des Saales waren direkt nebeneinander vier Durchgänge in Form von gemauerten Rundbögen zu sehen. Kerstin holte ihre Digitalkamera aus ihrem Rucksack und schoss ein paar Fotos. Natürlich mit Blitzlicht, denn außer den Taschenlampen gab es keine weiteren Lichtquellen.

Nun begann Karl mit einer Erklärung: „Wie ihr sicherlich beim Runterklettern bemerkt habt, befinden wir uns ungefähr drei Meter unter dem Erdreich. Diesen Raum nutzte man während der Kriegszeiten als Schutzbunker für die Einwohner. Es soll noch mehr davon geben. Man hat diese Bunker während des Krieges angelegt und miteinander verbunden. Zur Sicherheit hat man dann die Stollen auch mit dem Kellerlabyrinth des Bahnhofes verbunden. Das Ganze lief damals ziemlich unkoordiniert und in aller Eile ab. Deswegen gibt es keine vollständigen Pläne.“

Die wilden Vier waren beeindruckt.

„Und jetzt seid ihr dran mit eurem Teil der Verabredung. Zeigt mir den Plan“, forderte Karl sie auf. Sandra zuckte mit den Achseln und öffnete ihren Rucksack.

„Sie haben sich bestimmt mehr versprochen. Unser Plan ist mitnichten ein Gesamtplan. Es sind nur ein paar Räume eingezeichnet.“ Mit diesen Worten übergab sie ihm eine Kopie des Zettels.

Der Mann riss ihr das Papier förmlich aus der Hand und studierte ihn sehr lang. „Das ist ja gar nichts!“, motzte er nach einer Weile drauf los. „Damit kann keiner was anfangen. Und was sollen die komischen Abkürzungen?“

Die Jugendlichen standen daneben und gaben keine Antwort. Schließlich machte Sandra einen Vorschlag: „Sie haben bestimmt das gleiche Ziel wie wir, oder? Sie wissen genau, was in dem Raum ist, der auf dem Plan mit einem X gekennzeichnet ist. Wollen wir uns nicht gemeinsam auf den Weg machen?“

Der Mann nickte. „Okay, lasst es uns gemeinsam versuchen. Wir müssen systematisch vorgehen. Mit welchem Durchgang wollen wir beginnen?

„Das überlassen Sie am besten den wilden Vier“, meinte Sandra. Sie ging zum linken Rundbogen und markierte ihn mit einem Stück Kreide, das sie aus ihrem Rucksack zauberte. Die Gruppe ging durch den markierten Bogen. Ein breiter Gang verlief schnurgerade von ihm ab.

 „Mensch, der Gang geht schräg nach unten“, bemerkte Marc. „Das Labyrinthsystem verläuft über mehrere Stockwerke. Hoffentlich finden wir Sandras Kreidestriche wieder.“

Im Dunkeln kommen einem Wege stets länger vor, als sie tatsächlich sind. Alle bildeten sich ein, bereits mehrere Hundert Meter gelaufen zu sein, in Wirklichkeit waren es höchstens fünfzig, als sie in einen weiteren Raum gelangten, der ungefähr halb so groß war wie der erste. Auch von hier gingen wiederum vier Stollen ab.

„Ganz schön kompliziert, hier unten. Welche Richtung nehmen wir?“

„Wieder den linken Weg.“ Sandra markierte den Durchgang.

Schließlich erreichten die Schatzsucher einen dritten Raum, der dem zweiten aufs Haar glich. Nur war dieser nicht leer. Marc hatte die hölzerne Kiste entdeckt und lief zu ihr. Karl blieb zunächst ihm Hintergrund, doch seine Stofftasche hielt er fester in der Hand.

„Igitt, die ist ganz nass und ölig“. Angeekelt zog Marc seine Finger zurück.

Kevin trat zu ihm, bückte sich und öffnete die Kiste, deren Deckel lose aufgelegt war. „Machst du ein Theater wegen des bisschen Schmutzes.“

Fünf Augenpaare starrten in die Kiste. Bis auf eine alte Ledermappe war sie leer. Ihr erwachsener Begleiter wollte sich diese Mappe schnappen, doch Kerstin war schneller. „Mal schauen, was wir gefunden haben“, lächelte sie. Sie öffnete den Ledereinband, der mit einer Schnur verknotet war. Zum Vorschein kam ein mehrfach gefaltetes Stück Pergamentpapier.

„Das sieht aus wie ein Plan.“ Aufgeregt stand Kevin daneben, als seine Schwester das Papier auffaltete.

Der Fremde drängte sich in den Vordergrund. „Lasst mich mal sehen. Das sieht höchst interessant aus.“ Er breitete die Karte waagerecht aus und gab Sandra ein Ende in die Hand. „Halt mal, dann können wir alle gleichzeitig drauf schauen.“

Zu fünft blickten sie auf das gefundene Pergament. Es war in der Tat ein Plan. Der Fremde wurde vor Aufregung zappelig. „Das ist unglaublich. Das ist ein Grundriss der Gewölbe und der Verbindungstunnel. Die großen Flecken sind die Schutzräume.“

Marc betrachtete den Rand genauer. „Leider fehlt der Übergang zum Hauptbahnhof und eine Legende ist auch keine drauf. Da oben steht zwar Ludwigshafen-Mitte, es ist aber nicht erkennbar, wie herum der Plan gehört und wo die Himmelsrichtungen sind. Solange wir das nicht wissen, hilft uns der Grundriss nicht weiter. Wir wissen immer noch nicht, in welche Richtung wir müssen.“

„Oh doch“, antwortete Kevin. „Ich denke, dass ganz klar ist, auf welcher Seite der Karte der Übergang zum Hauptbahnhof sein muss!“

Frage: Welche Seite meinte Kevin und wie ist er darauf gekommen?

Antwort: .etssum nies suahtaR .wzb fohnhaB muz gnagrebÜ red nebo etraK red fua ssad ,ralk osla raw niveK .negeil etiesdroN red fua ,tedlibba eblöweG sad red ,nalP menie fua gnagrebÜ red ssum hcilgloF .nednufeg etiesdüS red fua neblöwegrelleK ned uz gnaguZ ned eis nebah ,neraw sesuahtaR sed relleK mi reiV nedliw eid slA .sthcer netsO dnu sknil netseW ,netnu tsi nedüS .ralk negnuthcirslemmiH eid dnis osla ,’ettiM-nefahsgiwduL‘ thets nebO .tsi nebo nedroN ssad ,hcilbü netraK ieb se tsi nenie muZ .nereinibmok etssum niveK

Die wilden Vier und der Schatz im Rathauskeller – Kapitel 6

Cover Die wilden Vier und der Schatz im Rathauskeller

Der Fremde

Autor: Harald Schneider

Nachdem sich am Vortag die Ereignisse förmlich überschlagen hatten, waren die wilden Vier heute in der Schule verständlicherweise nicht ganz bei der Sache. Marc ließ in Geographie den Rhein in die Ostsee münden und Kevin erfand in Mathematik mit der phantasiereich weiterentwickelten Konstante „Pi,5“ die erste Doppelkommazahl der Menschheit. Leider gäbe es dafür noch keinen Nobelpreis, meinte sein Lehrer über diese mathematische Entgleisung.

Der Unterricht zog sich endlos hin. Nur die große Pause war seltsamerweise viel zu schnell vorbei. Den vier Freunden erschien es, als hätte ein Riesenmagnet den Minutenzeiger während der Pause auf Formel-1-Niveau beschleunigt.

Aber selbst die längsten Schulstunden sind irgendwann einmal zu Ende. Die wilden Vier und ihre Mitschüler stürmten aus dem Klassenraum.

Am Eingang der Schule stand ein unbekannter Mann, der ihnen zunächst nicht weiter auffiel. Bis er plötzlich rief: „Hey, ihr da! Seid ihr nicht die wilden Vier?“

Sandra, Kerstin, Kevin und Marc blieben verwundert stehen und starrten den Mann an. Es handelte sich um einen vollkommen unauffälligen Typen. „Ja, das sind wir“, antwortete Sandra.

„Ich habe auf euch gewartet. Wenn ihr wollt, schlage ich euch ein kleines Geschäft vor. Ich habe Informationen, die euch sicherlich weiterhelfen.“

„Uns weiterhelfen? Mit was denn? Sie sind hoffentlich kein Nachhilfelehrer für Mathematik, oder?“, versuchte Kevin zu scherzen.

Der Mann lachte. „Nee, mit Schule habe ich nichts im Sinn. Ich weiß zufällig, dass ihr etwas sucht. Ich habe die Lösung für euch.“

Die wilden Vier schöpften Verdacht. Handelte es sich um eine Falle?  „Wir haben absolut keine Ahnung was Sie meinen“, erwiderte Kerstin in möglichst gleichgültigem Ton. „Wir suchen nämlich gar nichts. Außer vielleicht mein Bruder. Der sucht in Mathe den Durchblick.“

Kevin stieß ihr erbost mit dem Ellbogen in die Seite.

Der Mann lächelte und antwortete: „Ich kann verstehen, dass ihr vorsichtig seid. Aber ich will euch entgegenkommen. Ich sage nur: ‚Rathauscenter’ und ‚Kellergewölbe’. Wenn ihr mehr wissen wollt, seid um 15 Uhr am Brunnen gegenüber der Haltestelle ‚Schwanen’. Und kommt auf jeden Fall alleine. Sonst erfahrt ihr kein Wort von mir.“

Der Mann drehte sich schmunzelnd um und ging fort.

Marc sah ihm hinterher. „Das ist bestimmt der Typ, der uns gestern verfolgt hat. Wisst ihr noch?“

„Blöde Situation, was machen wir jetzt?“, fragte Kevin in die Runde.

„Ist doch klar!“, rief Sandra. „Wir gehen hin. Das ist das einzig Vernünftige, sonst erfahren wir nichts. Gefährlich ist das nicht, um diese Zeit ist der Treffpunkt viel zu belebt. Wir müssen nur aufpassen, dass er uns nicht fortlockt.“

Marc stimmte mit einem Kopfnicken zu. „Ich denke, wir sollten darauf verzichten, Daniel zu informieren, okay?“

Eine gute Viertelstunde vor dem vereinbarten Termin saßen die wilden Vier am Brunnen neben dem Gebäude der Sparkasse auf einer Bank. Elvis versuchte mit seiner langen Zunge an das Wasser des Brunnens zu kommen. Hierzu musste er sich auf seine Hinterbeine stellen, was sehr lustig aussah.

Wie es der Zufall so wollte, kam in diesem Moment Daniel vorbei, erblickte die Jugendlichen und ging sofort auf sie zu.

Kevin sah dem Schulkameraden erbost entgegen. „Bist du etwa die große Überraschung? Wolltest du …“

Kerstin rempelte ihren Bruder unsanft an. „He Kevin, drehst du jetzt etwa durch? Das ist doch bloß Daniel, der zufällig hier vorbeiläuft und gleich weiter geht.“

Fast hätte Kevin mehr ausgeplaudert, als vernünftig gewesen wäre. Aber Daniel hatte bereits Lunte gerochen. Er dachte gar nicht mehr daran, weiter zu gehen. Selbst wenn seine Mutter noch so lange auf die Einkäufe warten musste.

Während sie sich alle über das Missgeschick mit Daniel ärgerten, stand plötzlich der Fremde vor ihnen. Keiner hatte gesehen, wo er herkam. Elvis blieb brav bei Marc sitzen und rührte sich nicht. Der Mann schien ihm nichts auszumachen.

„Nanu, habt ihr Zuwachs bekommen?“, fragte der Fremde zur Begrüßung. „Wenn ich mich recht erinnere, bist du Daniel, oder? Du kannst gerne bei unserer Unterredung dabeibleiben, irgendwie betrifft es dich auch ein bisschen.“

Daniel war verblüfft, dass der fremde Mann ihn zu kennen schien. Er sagte aber kein Wort.

„Kommt, lasst uns in die Eisdiele gehen. Ich lade euch ein.“

Die fünf blickten einander kurz an, dann nickten sie.

Zu sechst ging die Gruppe mit dem Dalmatiner zur Eisdiele. Gerade wurde ein großer Tisch frei, der sofort von ihnen in Beschlag genommen wurde. Es dauerte ein paar Minuten, bis die Bestellungen aufgegeben waren und die Bedienung die gewünschten Eisbecher gebracht hatte.

„Ihr fragt euch bestimmt, wer ich bin und was ich von euch will“, begann der Mann endlich. „Da muss ich euch leider enttäuschen, das werde ich euch nicht verraten. Wenn ihr mir allerdings vertraut, kann ich euch ein paar wertvolle Tipps geben.“

Sandra schaute den Mann fragend an. „Und warum sollten wir Ihnen vertrauen? Sie wollen bestimmt eine Gegenleistung dafür?“

„Hm, nein, äh, doch. Es ist nur eine kleine Gefälligkeit. Doch zunächst will ich euch etwas über das Kellergewölbe erzählen.“

„Langsam“, unterbrach ihn Kerstin. „Sagen Sie uns lieber, um welche Gefälligkeit es sich handelt. Vielleicht wollen wir Ihre Geschichte dann gar nicht mehr hören.“

Der Mann stutzte einen Moment, bevor er laut loslachte. „Ihr seid wohl die ganz Schlauen, was? Ich habe mir gedacht, dass es nicht einfach ist, sich mit den wilden Vier anzulegen, aber dass ihr so hartnäckig seid? Okay, ich verrate euch, wo es einen Zugang zu den Resten des Kellersystems gibt, und ihr zeigt mir dafür die Karte, die in eurem Besitz ist. Das ist doch ein fairer Deal, oder?“

„Ach, so läuft der Hase“, Marc plusterte sich auf. „Da müssen wir Sie enttäuschen. Zum einen haben wir die Karte gar nicht, zum anderen haben wir den Eingang im Keller des Rathauses gefunden. Das ist aber eine Sackgasse, wie Sie eigentlich wissen müssten. Sie waren schließlich derjenige, der kurz vor uns dort unten war!“

Der Fremde war von der Antwort verwirrt. Es dauerte einen Moment, bis er antwortete: „Von einem Zugang im Keller des Rathauses weiß ich nichts. Ich war jedenfalls noch nie dort unten, kenne aber einen Eingang, der mitten in der Fußgängerzone liegt. Und dass ihr nicht die echte Karte habt, ist mir bekannt. Ich weiß aber, dass ihr eine Kopie habt.“

Die wilden Vier schluckten. Der Mann schien tatsächlich eine Menge zu wissen. Warum wollte der Fremde den Plan sehen? Und wieso kannte er einen Eingang zu den Gewölben?

Sandra antwortete stellvertretend für ihre Freunde: „Okay, wir sind einverstanden. Sie bekommen den Plan erst, wenn Sie uns den Eingang gezeigt haben. Als Gegenleistung gewissermaßen.“

Der Mann nickte erfreut. „Genau das hätte ich auch vorgeschlagen. Lasst uns gemeinsam in das Gewölbe steigen. Wie wäre es mit morgen Mittag um 15 Uhr am Eingang des Rathauscenters?“

Die wilden Vier stimmten dem Vorschlag zu. Blöd, dass auch Daniel dabei war. Wenigstens hatte er sich aus der Unterhaltung rausgehalten. Die Jugendlichen und der Fremde aßen ihr Eis fertig und verabschiedeten sich. Ohne Daniel zu informieren, trafen sich die wilden Vier kurz darauf in ihrem Clubraum.

„Jetzt können wir uns endlich unterhalten, ohne dass Daniel jedes Wort mitbekommt“, begann Marc. „Was haltet ihr von diesem Typ?“

„Sehr suspekt“, antwortete Kerstin nachdenklich. „Er wollte uns nicht mal seinen Namen nennen. Irgendetwas führt er im Schilde. Wenn man nur wüsste, was!“

„Jedenfalls müssen wir morgen sehr vorsichtig sein und aufpassen“, meinte Sandra. „Jeder nimmt seine Taschenlampe mit, das dürfte klar sein. Ich werde zusätzlich ein paar Spezialsachen aus meinem Detektivkoffer in meinen Rucksack packen.“

„Sollen wir nicht lieber Kommissar Greulich einschalten?“, meinte Kevin, doch Sandra schüttelte entschieden den Kopf.

„Nee, lass mal. Wenn wir mit Greulich auftauchen, erfahren wir nie, wo dieser zweite Zugang ist. Das Abenteuer müssen wir aus eigener Kraft meistern. Das wäre doch gelacht.“

Am nächsten Tag trafen sich die wilden Vier mit Daniel an der Haltestelle. Alle fünf hatten ihre Rucksäcke dabei. Selbstverständlich durfte Elvis nicht fehlen. Der Dalmatiner merkte, dass irgendwas in der Luft lag und trottete nervös von einem zum anderen.

Die Jugendlichen bemerkten nicht, dass am anderen Ende der Straßenbahn jemand zustieg, der sie ganz genau beobachtete und nicht aus den Augen ließ.

Die Gruppe fuhr nicht bis zur Haltestelle „Rathaus“, sondern stieg bereits am „Berliner Platz“ aus, da noch etwas Zeit bis zum Treffen war. Außerdem wollten sie den mysteriösen Fremden zunächst aus der Entfernung betrachten.

So liefen die fünf Jugendlichen und Elvis gespannt durch die Fußgängerzone, nicht ahnend, dass sie noch immer verfolgt wurden. „Da vorne steht er“, rief Adlerauge Marc schon weit vor dem vereinbarten Treffpunkt.

Tatsächlich, auf der obersten Stufe der breiten Treppe, die zum Eingang der Mall führte, stand der unbekannte Fremde. Sie blieben zunächst in ausreichender Entfernung hinter einer Plakatwand stehen und beobachteten den Mann. Nach einer Weile kamen sie zu dem Entschluss, dass er alleine war und keine Komplizen in der Nähe standen. Sie verließen ihr Versteck und liefen die letzten Meter zu der Treppe. Der Fremde hielt bereits nach ihnen Ausschau.

„Hallo, da seid ihr ja. Pünktlich wie die Maurer“, lächelte er. Suchend schaute er sich um. „Ich gehe davon aus, dass ihr nicht etwa die Polizei informiert habt?“

„Nein, haben wir nicht. Was hätten wir der denn erzählen sollen?“, antwortete Sandra.

„Okay, dann kommt jetzt mit.“ Auch der Mann hatte eine größere Stofftasche dabei. Marc versuchte an den Umrissen den Inhalt zu erkennen.

„Wie heißen Sie eigentlich?“, wollte Kerstin wissen.

„Das tut nichts zur Sache, aber ihr könnt mich Karl nennen. Ah, wir sind schon fast am Ziel.“

Sie befanden sich höchstens 100 Meter vom Rathauscenter entfernt in der Fußgängerzone. Die Jugendlichen standen vor einem großen mehrstöckigen Gebäude, in dessen Erdgeschoss mehrere kleine Läden untergebracht waren. Dazwischen befand sich etwas versteckt in einer kleinen Einbuchtung ein Hauseingang. Die schmale Haustür war äußerst unauffällig. An der Seite waren an der Wand eine Vielzahl von Briefkästen befestigt, aus denen viele Prospekte herauslugten.

„Das sehen die meisten, die hier einkaufen, gar nicht“, sprach Karl. „Über den Geschäften befinden sich riesige Wohnanlagen. Kommt mit rein.“ Er öffnete die Haustür, die nur angelehnt war. Direkt dahinter begann ein dunkler Flur, der in einem tristen Hinterhof mündete. Hier standen Mülltonnen, Fahrräder, die offensichtlich schon bessere Tage gesehen hatten, und Berge von Sperrmüll herum. Auf beiden Seiten befanden sich weitere Türen, die wahrscheinlich in die Treppenhäuser mündeten.

Karl ging zum Ende des Hinterhofes und die Jugendlichen folgten ihm zu einer alten, gemauerten Garage ohne Tor. Das hölzerne Dach war nur noch stellenweise intakt. In dem offenen Raum standen weitere Mülltonnen und Wertstoffsäcke. Die wilden Vier schauten sich skeptisch um. Hier sollte es einen Eingang zu den unterirdischen Gewölben geben? Was hatte dieser Karl mit ihnen vor? Jäh wurden sie aus ihren Gedanken gerissen.

„Helft mir mal, wir müssen das Zeug wegschaffen.“

Der Mann begann, die gelben Wertstoffsäcke und Papierbündel aus einer Ecke der Garage zu schleppen und neben dem Eingang aufzutürmen. Die wilden Vier und Daniel halfen ihm. Elvis verstand den Sinn der Übung nicht so recht und lief ihnen aufgeregt zwischen den Beinen herum, was die Arbeit nicht nur geringfügig verzögerte.

„Mensch, Elvis, ein Glück, dass wir dich dabeihaben“, meinte Kerstin und verzog ironisch die Mundwinkel.

Schließlich war die Garagenecke ausgeräumt. Der Mann zeigte stumm auf zwei große Kanaldeckel, die in den Boden eingelassen waren.

„Hier, einer der beiden ist der Eingang in das Kellergewölbe.“

Die wilden Vier kamen näher und betrachteten die beiden Deckel. Auf dem linken stand in der Einfassung „HBT 367/19362 VFG Ludwigshafen“. Auf dem rechten Deckel konnten sie nur den Text „67065 Ludwigshafen“ erkennen. Der Rest war zu undeutlich.

„Welche ist der richtige?“, fragte Kevin.

Bevor Karl antworten konnte, trumpfte Marc auf: „Das ist doch klar! Ich weiß ganz genau, welcher der beiden Kanaldeckel der richtige ist.“

Frage: Welches ist der richtige Eingang und warum?

Antwort: .3991 ties tsre se tbig lhaztieltsoP egilletsfnüf eiD .’nefahsgiwduL 56076′ thets lekceD nethcer med fuA .egithcir red tsi gnaguZ eknil reD

Die wilden Vier und der Schatz im Rathauskeller – Kapitel 5

Cover Die wilden Vier und der Schatz im Rathauskeller

Im Keller des Rathauscenters

Autor: Harald Schneider

Der nächste Tag begann enttäuschend. Normalerweise hätten sie heute in der ersten Doppelstunde Geschichte bei Herrn Gimpel. Gleich in der ersten Pause wollten die wilden Vier ihn wegen des Rathauscenters interviewen.

Leider kam es dazu nicht. Ein Vertretungslehrer teilte ihnen mit, dass Herr Gimpel eine Weiterbildung machte und deshalb heute keinen Unterricht abhalten würde. Die Enttäuschung war klar. Doch was sollten sie machen?

Am Nachmittag kamen Marc und Sandra schlecht gelaunt zu den Zwillingen in den Clubraum. Kerstin saß auf der Couch und las Zeitung.

„Mist, was machen wir jetzt nur? Jede Stunde, die wir warten, kann zu unserem Nachteil sein. Irgendjemand ist gerade dabei, das Geheimnis des Schatzes zu entdecken. Und ob der so ehrlich ist wie wir, mag ich bezweifeln.“

„Hört euch das mal an“, fiel Kerstin ihrem Bruder ins Wort. „Das bringt uns zwar nicht weiter, ist aber immerhin ein Versuch wert.“

Kerstin faltete die Zeitung zusammen, sodass nur noch ein Artikel zu sehen war. Sie las vor:

„Die Stadtverwaltung informiert: Morgen findet um 15 Uhr im Keller des Rathauscenters eine Fahrradversteigerung des Fundbüros statt. Sämtliche Fahrräder, die seit mehr als einem Jahr im Fundus stehen und noch nicht abgeholt wurden, werden zu einem Startpreis ab 1€ versteigert. Hierzu ist die Bevölkerung der Stadt Ludwigshafen herzlich eingeladen. Interessenten benutzen bitte den Aufzug in der Empfangshalle, um in das erste Untergeschoß zu gelangen. Der Weg zum Versteigerungsort ist ausgeschildert. Hochachtungsvoll — Die Oberbürgermeisterin.“

„Na, wenigstens ein kleiner Hoffnungsschimmer. Da können wir uns bestimmt unauffällig umschauen. Jetzt brauchen wir nur noch einen Plan des Kellers.“

„Ich würde mir da keine so große Hoffnung machen. Der Keller unter dem Rathauscenter ist nicht sehr alt. Das Kellergewölbe vom Hauptbahnhof wurde damals zugeschüttet, wie der Archivar gesagt hat.“

Kevin wippte nervös von einem Fuß auf den anderen. „Egal, ich halt die Warterei nicht mehr aus. Ich geh jetzt zu Herrn Gimpel. Vielleicht ist er schon zu Hause.“

„Okay, ein Versuch ist es auf jeden Fall wert“, stimmte Kerstin zu. „Er wohnt zum Glück nur zwei Straßen weiter.“

„Ich hätte nie gedacht, dass ich den Gimpel mal freiwillig besuche“, sagte Kevin, dem das Fach Musik ein Graus war.

Die Kameraden brauchten kaum zwei oder drei Minuten, bis sie am Haus des Lehrers angekommen waren. Kerstin drückte fest auf die Klingel. „Und jetzt alle mal Daumen drücken!“

In diesem Moment öffnete sich die Haustür und eine Frau in einem geblümten Kleid fragte sie: „Ja, bitte?“

„Entschuldigen Sie, Frau Gimpel. Ist ihr Mann zu sprechen? Es ist sehr wichtig!“

„Das kommt aber nicht gerade oft vor, dass die Schüler meines Mannes ihn daheim besuchen. Ihr habt Glück, er ist vor fünf Minuten heimgekommen. Kommt rein.“

Frau Gimpel geleitete die vier, die ohne Elvis unterwegs waren, ins Arbeitszimmer ihres Mannes. Der Lehrer war höchst erstaunt, die wilden Vier zu erblicken.

„Das ist aber eine Überraschung.“ Er rückte die kleine, eckige Lesebrille auf seiner Nase zurecht. „Ihr habt nicht etwa Sehnsucht nach mir? Ich war doch nur ein Tag weg, morgen komme ich wieder.“ Er machte eine nachdenkliche Pause, bevor er fortfuhr: „Oder habt ihr wieder einen eurer berühmten Streiche gemacht und wollt mich seelisch auf etwas vorbereiten, was mich morgen in der Schule erwartet?“

„Nein, nein, nichts dergleichen, Herr Gimpel“, wehrte Sandra lachend ab. „Wir brauchen ihre Hilfe als Experte für eine Recherche, die sich mit der Vergangenheit von Ludwigshafen befasst.“

Herr Gimpel strahlte. Wenn man ihn als Experten bezeichnete, wuchs er über sich hinaus und man konnte von ihm haben, was man wollte. Oft genug hatten die Schüler diesen Trick erfolgreich angewandt, um sich auf diese Weise vor einer unliebsamen Hausaufgabenüberprüfung zu drücken.

„Ich wusste gar nicht, dass ihr euch mit der Vergangenheit eurer Heimatstadt befasst. Das freut mich sehr. Ich habe jede Menge Bücher und Schriften. Ich kann euch stundenlang darüber erzählen.“

„Danke, Herr Gimpel“, Sandra versuchte, den Redefluss ihres Lehrers in die richtige Richtung zu lenken, bevor er sie mit Monologen zu Tode langweilte. „Wir interessieren uns im Moment nur für den alten Hauptbahnhof. Dort, wo jetzt das Rathauscenter steht. Haben Sie davon vielleicht alte Pläne?“

„Pläne? Nein, so etwas habe ich nicht. Dafür ist das Stadtarchiv zuständig.“

Die Enttäuschung war groß für die wilden Vier. Allesamt ließen sie ihre Köpfe hängen. Mist – wieder eine Sackgasse.

„Vielleicht reichen euch Fotos? Ich habe damals jeden Baufortschritt fotografiert. Es war eines der größten Bauvorhaben in der Geschichte von Ludwigshafen.“

Die wilden Vier horchten auf. „Haben Sie auch Fotos vom Abriss? Sieht man da den Keller des Bahnhofes?“, hakte Kevin nach.

Herr Gimpel hob die Hand. „Langsam, langsam, am besten hole ich die alten Ordner. Bitte setzt euch an den Tisch, es dauert einen Augenblick, bis ich alles gefunden habe.“

Zufrieden setzten sich die Jugendlichen an den Tisch. Es hatte sich anscheinend gelohnt, ihren Lehrer zu besuchen. Wenige Minuten später kam Herr Gimpel mit vier dicken Ordnern an. Schnaufend legte er sie auf dem Tisch ab.

„Papier ist schwer. Diese Ordner bringen ein paar Kilogramm auf die Waage. In diesem habe ich die Fotos archiviert.“ Er schlug einen der Ordner auf und schon blickten die wilden Vier auf Fotos des ehemaligen Hauptbahnhofes.

„Die Bilder sind chronologisch abgelegt“, erklärte Herr Gimpel. „Wenn ihr weiterblättert, kommt der Abriss, danach der Neubau bis hin zur Einweihungsfeier.“

Marc, der vorne saß, blätterte um. Zuerst kamen ein paar Seiten mit allen möglichen Ansichten des Bahnhofes. Doch dafür hatten sie keine Zeit. Schließlich kamen Fotos vom Abriss des Gebäudes. Immense Schuttberge lagen auf der Straße und wurden von großen Muldenkippern abgefahren.

Das Fotoalbum erwies sich als Goldgrube. Eine Seite weiter war das oberirdische Gebäude verschwunden und Bagger gruben die Fundamente des Kellers aus. Die Jugendlichen waren erstaunt über die Weiträumigkeit der Baugrube.

„Das war ein riesiger Irrgarten da unten“, kommentierte Kerstin die Fotos. „Der Keller ist sogar mehrere Stockwerke tief. Wie hat man sich da nur zurechtgefunden?“

„Das weiß ich leider auch nicht“, gab der Lehrer zu. „Aber du musst nicht glauben, dass der Keller des neuen Rathauscenters kleiner ist. Im Gegenteil, der Untergrund ist hochkomplex. Und unten fahren sogar zweistöckig die Straßenbahnen. In Nord-Süd-Richtung vom Hemshof zur Stadtmitte und in Ost-West-Richtung von Mannheim zum neuen Hauptbahnhof.“

Kevin wurde unruhig. „Ist der Keller mit den Tunnels für die Straßenbahnen verbunden?“

Herr Gimpel nickte. „Sicher, das muss aus Sicherheitsgründen so sein. Ein Großteil des Kellers gehört der Stadtverwaltung, die dort Sachen lagert und archiviert. Andere Teile des Kellers gehören zu den vielen Geschäften, die im Center sind, ein weiterer Teil gehört zu den Verkehrsbetrieben, wie zum Beispiel die Tunnel.“

Marc blätterte weiter. Nun war die leere Baugrube zu sehen, die gerade für den neuen Keller vorbereitet wurde. „Was sind das für Holzvertäfelungen an den Wänden zur Baugrube, Herr Gimpel?“

Ihr Lehrer nahm sich den Ordner, rückte sich seine Brille zurecht und studierte das Foto. „Ihr müsst wissen, dass das Kellersystem des Hauptbahnhofes teilweise bis unter die Fußgängerzone reichte, die damals aber noch keine Fußgängerzone war. Teilweise wurden die Keller im Krieg als Fluchtstollen benutzt oder bei Bombenangriffen als Bunker. Da man beim Bau des Rathauses nicht die ganze Fußgängerzone aufgraben konnte, um die Stollen und Gänge zu entfernen – das wäre viel zu teuer geworden – hat man einfach die Zugänge vermauert und anschließend die neue Kellerwand betoniert.“

Jetzt waren alle vier aufgeregt. Sandra fragte: „Wissen Sie, ob es einen anderen Zugang zu diesem Stollensystem gibt?“

„Das glaube ich nicht. Ich habe jedenfalls nichts mehr davon gehört. Vom Rathauscenter aus dürfte alles dicht sein. Ob die Stollen irgendwo anders einen Ausgang haben, entzieht sich meiner Kenntnis.“

Der Besuch hatte sich gelohnt. Die wilden Vier waren sich sicher, dass es irgendwo einen Zugang zu diesem Stollensystem gab und dass dort das Vermögen von Juttas Opa versteckt sein musste.

Es dauerte eine Weile, bis sie sich von ihrem Geschichtslehrer verabschieden konnten. Es wäre zum einen sehr unhöflich und zum anderen sehr auffällig gewesen, wenn sie sofort nach dieser Eröffnung gegangen wären. So mussten sich die vier die Fotoalben bis zum Ende anschauen und hatten nun immerhin den Vorteil, sich im Rathauscenter einigermaßen auszukennen. Selbst an Orten, an denen sie vorher noch nie waren.

„Wow, das war ja ein richtiger Volltreffer“, freute sich Sandra, als sie wieder im Clubraum zusammensaßen und über die Ereignisse sprachen.

„Morgen schauen wir uns bei der Versteigerung um. Ich glaube zwar nicht, dass das was bringt, man soll aber nichts unversucht lassen, wie uns das Beispiel Gimpel gerade gezeigt hat.“

„Marc kann sich dann ein neues Rad ersteigern“, lästerte Kevin. „Sein jetziges quietscht dermaßen, dass es eigentlich eine akustische Körperverletzung ist.“

Eine Viertelstunde vor 15 Uhr gingen die wilden Vier durch die große Drehtür, die die Einkaufsmall vom Rathaus trennte. Die Aufzüge befanden sich wenige Meter dahinter. Kurz darauf kamen die Freunde im Kellergeschoss an. Sie waren die einzigen, die mit dem Aufzug nach unten fuhren. Sie erblickten einen langen Flur, der von einer ganzen Reihe Leuchtstofflampen erhellt wurde. Gegenüber der Aufzugstür klebte ein Zettel mit dem Hinweis „Zur Versteigerung“ und einem dicken Pfeil nach rechts.

„Das kann ja lustig werden“, sagte Kevin, als sie das dritte Mal in einen anderen Flur abbogen und dabei immer noch den Hinweisschildern folgten. „Da muss man ein paar Semester Labyrinthologie studieren, bevor man sich hier unten auskennt“, witzelte Sandra.

Der Weg war immer noch nicht zu Ende. Zahlreiche Türen mündeten in die verschiedenen Flure, meist waren sie nur mit Zahlen beschriftet. Ein letztes Mal mussten sie die Richtung wechseln und nach links abbiegen, dann erreichten sie einen größeren Raum und waren am Ziel. Etwa ein gutes Dutzend Leute standen herum und schauten sich die vielen Fahrräder an, die in mehreren Reihen aufgestellt waren. Auf der einen Seite stand ein Tisch mit einem Schild „Auktionator“. Hier sollte also die Versteigerung stattfinden.

Die wilden Vier mimten zunächst Interesse, da sie die einzigen Jugendlichen im Raum waren und somit unter besonderer Beobachtung standen. Bis zum Beginn der Versteigerung kamen weitere Interessenten hinzu.

Die wilden Vier rückten immer weiter ans Ende der Menschentraube. Nach einer Weile standen sie ganz hinten. Da der Leiter der Auktion die Anwesenden mit viel Humor in seinen Bann schlug, fiel es nicht auf, als die vier sich verkrümelten. Leise schlichen sie in einen Nebengang. Als sie außer Hörweite waren, fragte Marc: „Und was machen wir jetzt? Ich habe die Orientierung verloren. Ich weiß nur noch, wo oben und unten ist und selbst da bin ich mir nicht mehr so sicher.“

„Kein Problem“, antwortete Sandra und zückte ihren Kompass. „Hier ist Süden.“ Sie deutete nach rechts. „Im Süden grenzt das Rathauscenter an die Bismarckstraße, das ist dort, wo vermutlich die Gänge sind.“

Das Quartett bog nach rechts ab und lief einen weiteren Flur entlang. Dieser endete allerdings in einer Sackgasse. „Das scheint in diesem Stockwerk der südlichste Flur zu sein“, stellte Kerstin fest. „Wir müssen also in einen der Räume rein.“ Sie deutete auf eine Reihe von Türen.

Marc drückte zielstrebig eine Türklinke nach der anderen. Er lief den Flur entlang und hatte bei der vierten Tür Glück. Sie war nicht abgeschlossen. „Los, kommt alle schnell mit rein, bevor uns noch einer erwischt.“

Sie kamen in einen Raum, in dem altes Mobiliar gelagert wurde. Schreibtische standen gestapelt auf der einen Seite, Schränke auf der anderen. „Toll, und was sollen wir hier?“, fragte Kevin. „Ihr wisst selbst, dass die Gänge alle zubetoniert wurden.“

„Wer weiß, vielleicht hat man irgendwo ganz bewusst einen Zugang offengelassen“, meinte Sandra und sah sich um. „Wir sollten die Hoffnung nicht aufgeben, zumal wir so nah dran sind. Blöd ist, dass ausgerechnet auf der Südseite des Raumes die schweren Schränke stehen.“

Kerstin kletterte auf einen Schreibtisch, um auf die Oberseite der Schränke schauen zu können. „He Leute, kommt mal hoch. Die Wand über diesem Schrank sieht irgendwie viel rauer und abgebröckelt aus.“

Im Nu standen die vier auf dem Schreibtisch und schauten in die gleiche Richtung wie Kerstin. „Mensch Kerstin, das ist bloß Schmutz und Spinnweben. Was soll daran besonders sein?“

„Vielleicht hast du Recht. Vielleicht aber nicht.“ Gekonnt sprang Kerstin vom Tisch und ging zu einem großen Aktenschrank. Mit aller Kraft versuchte sie, ihn auf die Seite zu schieben.

„Der ist schwer wie Blei“, ächzte sie. „Los, jetzt helft mir endlich!“ Gemeinsam versuchten sie, den Aktenschrank zu bewegen. Doch er war zu schwer.

„Das liegt an der Reibung“, überlegte Sandra laut. „Raues Holz auf Steinfußboden ist nicht sehr gleitfähig. Ich glaube, ich habe eine Idee.“ Sandra ging in die andere Raumecke, in der ein Stapel alter Decken lag und schnappte sich eine.

„Gute Nacht“, lästerte Marc. „Willst du etwa schlafen gehen oder was soll das?“

„Ich will ganz bestimmt nicht schlafen“, erwiderte Sandra verärgert. „Dafür hast du wohl im Physikunterricht gepennt. Los, ihr zwei Muskelprotze, drückt den Schrank zur Seite, sodass er nur noch auf der Querseite Bodenkontakt hat.“

„Ich verstehe“, sagte Kerstin. Und schon zeigte sie den Jungs, was sie und Sandra meinten. Zu Dritt kippten sie den Schrank schräg, sodass er fast umgefallen wäre, wenn nicht ein weiterer Schrank nebenan gestanden hätte.

Sandra schob nun die Decke unter den teilweise hochgehobenen Schrank, wobei sie eine Wulst bis zur Kante drückte. „Jetzt könnt ihr den Schrank langsam wieder runterlassen, und dann machen wir das gleiche Spiel auf der anderen Seite.“

Als der Aktenschrank nun zur anderen Seite gekippt war, konnte Sandra die Deckenwulst herausziehen. Der Schrank stand jetzt komplett auf der Decke.

„Und was soll das Ganze?“, fragte Marc immer noch skeptisch.

„Reibung heißt das Zauberwort“, antworteten Kerstin und Sandra im Chor und Kerstin ergänzte: „Lasst uns an der Decke ziehen. Kevin, du passt auf, dass der Schrank seitlich nicht umkippt.“

Ohne große Kraftanstrengung ließ sich der schwere Aktenschrank nach vorne ziehen. Die Decke hatte die Reibungskräfte zum Fußboden stark vermindert. „Bingo, Volltreffer! Da ist tatsächlich ein Durchbruch in der Wand!“, rief Sandra begeistert.

Es war keine Tür im herkömmlichen Sinn. Es sah eher nach einem ausgefransten, runden Loch aus. „Das gibt es doch nicht“, rief Kevin aufgeregt. „Dieses Loch wurde eindeutig erst später reingestemmt. Warum hat man nicht gleich eine richtige Tür eingebaut?“

„Vielleicht ist man erst später auf die Idee gekommen, die alten Stollen zu untersuchen, und der Durchgang war die schnellste Möglichkeit“, vermutete Marc und beäugte neugierig das Loch in der Wand.

„Egal, ich will da rein!“, beschloss Sandra. „Ihr habt doch eure Taschenlampen dabei, oder?“

Marc war schon durch das Loch in der Betonwand verschwunden.  „Beeilt euch, hier fängt ein Gang an.“

Der Stollen war recht gut erhalten und mit über zwei Metern Höhe nicht gerade klein. Die Wände waren aus Backsteinen gemauert und mit Spinnweben und Schmutz überzogen. Bereits nach kurzer Zeit mündete der Gang in einem quadratischen Raum.

„Da gehen gleich drei Stollen ab. Wir sind mitten im Labyrinth der tausend Gänge“, witzelte Kevin.

„Falsch, mein lieber Bruder.“ Kerstin schüttelte den Kopf. „Ein Labyrinth hat nämlich immer exakt einen Eingang und einen Ausgang. Das, was wir hier haben, ist ein Irrgarten. Und für solche Fälle habe ich stets ein Stück Kreide dabei.“

Kerstin markierte den Weg, auf dem sie hergekommen waren mit einem Dreieck. Nun malte sie neben dem rechten der drei Stollen ein Viereck. „Lasst uns diesen Weg nehmen.“

Die anderen folgten ihr. Dieser Weg war ziemlich kurz und endete als Sackgasse in einem winzigen Kämmerchen. „Sackgasse, Fehlanzeige. Wir müssen zurück“, bestimmte Kerstin.

Die vier benötigten nur eine Minute, um zurück in den vorhergehenden Raum zu gelangen. Diesmal markierte Kerstin den mittleren Weg mit einem Fünfeck. Dieser Stollen war deutlich länger als der vorherige. An einer Stelle ging es sogar über mehrere Treppenstufen nach unten.

Kevin, der vorausging, blieb hinter einer scharfen Biegung so abrupt stehen, dass die anderen ihn fast umrannten.

„He, was ist los?“, schimpften sie.

„Das ist los!“ Kevin leuchtete auf einen Erdrutsch, der den Stollen verschüttete.

„Na toll, wenn das der richtige Weg zum Schatz ist, haben wir ein massives Problem. Das kriegen wir wahrscheinlich nicht weggetragen.“ Marc trat an den Erdhaufen und betrachtete ihn verärgert.

„Davon abgesehen dürfte es gefährlich sein. Vielleicht rutscht dann noch mehr nach.“

„Kommt, lasst uns umkehren“, schlug Sandra vor. „Einen Weg haben wir ja noch.“

So machten sich die wilden Vier in dem schmutzigen Stollen erneut auf den Rückweg. Zum Glück schien es genügend Sauerstoff zu geben. Nach einiger Zeit waren sie am Ausgangspunkt angelangt.

Angespannt folgten sie dem letzten noch verbliebenen Stollen. Es schien, als verlief der Gang mehr oder weniger parallel zur Außenwand des Rathauskellers. Sandra, die die Führung übernommen hatte, entdeckte auf dem Boden einen kleinen Wasserfleck, und wenige Sekunden später entdeckte sie einen weiteren. So ging es ein paar Mal, und die Flecken wurden immer größer.

Schließlich standen sie erneut in einer Sackgasse. Oder vielleicht doch nicht? Der Stollen war diesmal nämlich nicht durch einen Erdrutsch verstopft, es handelte sich vielmehr um eine Tür. Und zwar eine massive Eisentür.

„Dann lasst mich mal vorbei“, tat sich Kevin wichtig und hielt schon seine Dietriche in der Hand. Vor Kevin war kein Schloss sicher, wenn es sich nicht gerade um ein Sicherheitsschloss handelte. Dementsprechend benötigte er nur ein paar Sekunden, bis die schwere Eisentür mit einem leisen Klick aufsprang.

Die vier leuchteten in einen großen Raum, der demjenigen mit den Schränken und Tischen ähnelte, durch den sie vorhin die Stollen betreten hatten.

„Wisst ihr was?“, sagte Kerstin. „Wir sind wieder im Rathauskeller. Dies ist nur ein zweiter … Mist, was ist das?“

Kerstin war in eine große Wasserpfütze getreten, die sich direkt vor der Tür befand.

„Jetzt habe ich auch noch nasse Füße. Passt auf, dass ihr nicht auch reintretet. Kommt, lasst uns verschwinden.“

Kevin sprang als letzter über die Pfütze und schloss die Tür wieder zu. Sie gingen durch den Raum und öffneten vorsichtig die Tür. Der Flur war leer. Doch in welche Richtung ging es jetzt zum Aufzug? Die wilden Vier irrten durch die Gänge. Plötzlich stand ein Mann vor ihnen.

„Wo wollt ihr denn hin? Ihr seid doch nicht etwa auf Diebestour?“, sprach er sie mit strenger Stimme an.

Sandra reagierte sofort: „Nein, nein, entschuldigen Sie bitte. Wir waren bei der Fahrradversteigerung und haben uns auf dem Rückweg verlaufen. Würden Sie uns bitte heraushelfen?“

Der Mann lachte. „Dann läuft ihr aber schon eine Weile hier unten herum. Die Versteigerung ist seit über einer halben Stunde vorbei. Nun kommt mal mit.“

Die wilden Vier staunten nicht schlecht, denn sie waren nur wenige Meter und zwei Abbiegungen von den rettenden Aufzügen entfernt. Der Mann begleitete sie nach oben bis zur Eingangshalle des Rathauses.

„Das nächste Mal nehmt lieber was zu essen mit, falls ihr euch wieder verlauft“, witzelte er zum Abschied.

Die Klassenkameraden durchquerten die Mall mit den vielen Geschäften und verließen das Rathauscenter in Richtung Bismarckstraße. Alle vier waren froh, endlich wieder Tageslicht zu sehen.

„Was machen wir jetzt? Wir waren schon so weit und haben doch verloren“, beschwerte sich Marc. „Warum musste dieser Stollen nur verschüttet sein? Ich sag’s euch, das wäre unser Haupttreffer gewesen.“

„Jetzt warte erst mal ab“, antwortete Sandra. „Mich bedrückt etwas ganz anderes. Und zwar, warum da jemand kurz vor uns in den Stollen war.“

„Was?“, riefen die anderen drei überrascht.

Frage: Woran erkannte Sandra, dass erst kurz vorher jemand in dem Stollen gewesen sein musste?

Antwort: .nehes uz nedoB med fua nekcelfressaW nellotS mi neraw blahseD .nefualeg eztüfpressaW eid hcrud iebad tsi dnu neterteb rütllateM eid hcrud nellotS ned tah dnameJ

Die wilden Vier und der Schatz im Rathauskeller – Kapitel 4

Cover Die wilden Vier und der Schatz im Rathauskeller

Der mysteriöse Freund

Autor: Harald Schneider

„Marc, was ist heute mit dir los? Hör sofort auf, mit Kevin zu schwätzen!“

Herr Neumann klang sehr verärgert, denn er ermahnte Marc schon zum dritten Mal. Der Mathematikunterricht wollte heute nicht so richtig in Schwung kommen. Mal hatten Marc und Kevin es sehr wichtig und störten die halbe Klasse mit ihrem Geflüster, mal waren es Sandra und Kerstin, die sich angeregt unterhielten. Bei den Unterhaltungen drehte es sich natürlich nicht um die binomischen Formeln, die Herr Neumann der Klasse erklären wollte.

Die Unruhe der wilden Vier steckte schließlich auch den Rest der Klasse an, sodass der Klassenlehrer fast verzweifelte. Mit einem „Muss ich euch erst mit einem Mathetest in der nächsten Stunde drohen?“, versuchte er den Unterricht zu retten. Zum Glück läutete in diesem Augenblick die erlösende Pausenglocke.

Die wilden Vier waren noch nicht richtig aus ihrem Klassensaal gestürmt, da rannte ihnen Daniel winkend entgegen.

„Hi, habt ihr was über die Karte herausbekommen?“ Mit seiner Stimme übertönte er alle anderen Geräusche auf dem Flur.

„Zuerst muss unser Baby ganz schnell lernen, seine Klappe zu halten“, fuhr ihn Kerstin wütend an. Sie schaute sich um, denn einige Klassenkameraden waren neugierig stehen geblieben.

„Du klebst dir jetzt erst mal den Mund zu, und dann kommst du halt ausnahmsweise mit uns. Aber das wird nicht zur Gewohnheit, verstanden?“

Gemeinsam und unter den aufmerksamen Blicken mancher Schüler gingen die fünf zu den Sitzbänken im Schulhof.

„Was machen wir jetzt?“, kam Marc sofort zur Sache. „Wir nehmen an, dass Opa Georg sein Geld im Hauptbahnhof verbuddelt hat. Jutta allerdings denkt, dass es irgendwo im Haus versteckt ist.“

„Die Karte muss nicht unbedingt stimmen“, gab Kerstin zu bedenken. „Trotzdem sollten wir uns für alle Fälle das Haus in Ruhe anschauen. Man kann nie wissen, was wir dabei so alles finden. Vielleicht gibt es noch mehr solcher Karten?“

„Ich interessiere mich auch brennend für die Villa“, gab Kevin zu. „Die riecht förmlich nach Abenteuer und Geheimnissen.“

„Und du, Daniel, was machst du heute Mittag? Dir wird das doch bestimmt total langweilig werden, du kennst das Haus bestimmt in- und auswendig“, versuchte Sandra den ungebetenen Gast loszuwerden. Doch Daniel blieb hartnäckig.

„Och nee, wisst ihr, alleine habe ich dort bisher noch nie rumgestöbert. Ich weiß auch nicht, ob mir Tante Jutta das erlaubt hätte. Und bis vor Kurzem wohnten dort ja auch noch ihre Eltern, die hätten das nicht zugelassen. Daher gehe ich gerne mit euch zusammen zu Jutta, das wird bestimmt aufregend.“

Seufzend beendeten die wilden Vier das aussichtslose Unterfangen, Daniel loszuwerden. Sie mussten zurück in den Klassenraum, die nächste Stunde fing gleich an.

Herr Neumann hatte in der nächsten Doppelstunde bedeutend weniger Mühe mit seiner Klasse. Die störenden Gespräche zwischen Kevin und Marc sowie Kerstin und Sandra unterblieben. Alle vier dachten über das bisherige Geschehen bei Jutta nach und was heute Mittag wohl passieren würde.

Dem Unterricht konnten sie trotzdem nicht folgen. Herrn Neumann war das ausnahmsweise egal, Hauptsache es herrschte Ruhe, während er seine endlosen lehrreichen Monologe herunterspulte.

Die Hausaufgaben erledigten die wilden Vier in Rekordzeit, wenn auch auf Kosten der Qualität. Um 15 Uhr trafen sie sich an der Straßenbahnhaltestelle „Zum Schwanen“. Sie hatten Daniel zwar nichts von ihrem Treffpunkt gesagt, dass er aber trotzdem auf sie wartete, wunderte sie überhaupt nicht mehr.

„Da bist du ja schon“, lächelte Kerstin ihm süßsauer zu. „Wir dachten, du hättest es dir anders überlegt.“

Gemeinsam fuhren die vier mit Daniel und Elvis, den Marc diesmal eng an der Leine führte, drei Haltestellen bis zum „Südweststadion“. Nach wenigen hundert Metern hatten sie ihr Ziel erreicht. Ausgerechnet Juttas Freund Sven begegneten sie im Vorgarten. Sofort fing Elvis wieder an, unruhig zu werden.

„Was ist denn mit dir los, Elvis?“, Langsam wurde Marc sauer auf seinen Dalmatiner. Sven murmelte nur eine unverständliche Begrüßung und verschwand in der Garage.

Da entdeckten sie Jutta, die aus dem Haus kam. „Hallo, ihr seid pünktlich auf die Minute“, stellte sie mit einem Blick auf die Uhr fest.

„Ist doch selbstverständlich. Schließlich wollen wir auf Schatzsuche gehen“, antwortete Sandra mit einem Grinsen.

Jutta Marsanek lachte. „Langsam, langsam. Zuerst will ich euch das Haus zeigen. Dann sehen wir weiter. Kommt rein. Übrigens, habt ihr Sven gesehen?“

„Dein Freund ist, als er uns gesehen hat, in der Garage verschwunden“, berichtete Kerstin. „Über unseren Besuch schien er sich nicht sonderlich zu freuen.“

„Ich weiß auch nicht, was in ihn gefahren ist“, meinte Jutta mit einem bedauernden Schulterzucken. „Normalerweise ist er die Freundlichkeit in Person. Doch seit gestern verhält er sich komisch. Aber egal, jetzt gehen wir auf Besichtigungstour, okay?“

Die wilden Vier und Daniel folgten Jutta. „Die Eingangshalle kennt ihr bereits“, begann Jutta mit der Führung. „Im Erdgeschoss gehen sämtliche Zimmer von dieser Halle ab. Unterkellert ist die Villa nicht, dafür sind die einzelnen Räume riesengroß. Hier seht mal!“

Mit einer Handbewegung öffnete sie die nächste Tür. Die Jugendlichen starrten in ein Badezimmer mit gigantischen Ausmaßen. „Dies war früher die Bibliothek. Bäder gab es damals noch nicht. Gleich nebenan ist die Küche, die ist noch ein Stück größer. Kommt mal mit.“

Das Staunen der fünf wurde immer größer. Die Küche war, genau wie das Badezimmer, recht altmodisch eingerichtet. Über dem offenen Holzherd befand sich ein Regal, an dem Töpfe und Pfannen hingen.

„Mann, das ist ja wie im Film“, bewunderte Kerstin die Einrichtung. „Hier kann eine ganze Armada von Köchen gleichzeitig arbeiten.“

„Da hast du nicht mal so Unrecht. Meine Großeltern sollen früher große Empfänge gegeben haben. Da war dann richtig Leben in der Bude.“

„Puh, das wird schwierig mit der Suche.“ Kevin schüttelte ungläubig den Kopf. „Da können wir jahrelang suchen und haben immer noch nicht alles gesehen. Der Schatz kann überall versteckt sein.“

„Komisch, dass du den Schatz erwähnst“, nahm Jutta den Faden auf. „Jetzt, wo du das sagst, fällt mir gerade etwas ein. Ich selbst vermute, wie ich schon erwähnte, dass mein Opa hier sein Vermögen versteckt hat. Aber Sven erwähnte zuletzt öfters den verloren gegangenen Brief. Ihr wisst schon, den mit dem Rätsel. Eigentlich will ich ihn die ganze Zeit überreden, dass wir die Suche endlich einstellen. Aber er ist so vernarrt in die Idee, daher lasse ich ihm seine Freude und helfe ein bisschen mit. Ich glaube aber trotzdem, dass das alles nichts bringt.“

Nachdem sie den Rest der Räume im Erdgeschoss gesehen hatten, gingen sie die knarrende Treppe nach oben. Von der Empore gingen vier Türen ab, sowie eine kleinere Stiege nach oben zum Speicher.

„Hier“, Jutta deutete auf die Treppe nach oben, „geht es zum Dachboden, der voll mit Gerümpel und Kartons ist. Außerdem gibt es drei Schlafzimmer und einen leeren Raum, der früher mal als Hobbyraum für meinen Urgroßvater diente. Der hat nämlich gemalt.“

Die Jugendlichen inspizierten sämtliche Räume des Obergeschoßes und gingen anschließend zum Dachboden. Der wirkte wie eine riesige Halle mit schrägen Wänden. Überall stand Gerümpel herum. Zum Abschluss besichtigten sie den Garten. Jutta zeigte ihnen zwei kleinere Nebengebäude, die ebenfalls mit allerlei Trödel vollgestopft waren. Schließlich gingen sie zurück ins Haus.

„Ich würde gerne nochmal in dem großen Speicher nachschauen. Vielleicht ist in einem der vielen Kartons ein Hinweis zu finden“, schlug Kevin vor.

Jutta nickte zustimmend. „Geht nur nach oben, ihr kennt ja den Weg. Da habt ihr euch den staubigsten Raum im ganzen Haus ausgesucht. Dort habe ich bisher nur ganz wenig ausgeräumt. Ich trinke jetzt in Ruhe meinen Kaffee aus. Ihr könnt euch ja melden, wenn ihr etwas gefunden habt.“

Die wilden Vier stürmten sofort die Treppe hoch. Daniel natürlich auch. Durch die kleinen Dachluken drang nur wenig Sonne und die kleine Deckenlampe spendete kaum Licht, deshalb wirkte alles sehr düster. Kerstin und Sandra schalteten ihre Taschenlampen ein. Wahllos stöberten sie in den Kisten und Kartons.

Elvis fühlte sich in dem ungemütlichen und staubigen Raum wohl. Schnüffelnd suchte er sich ein bequemes Plätzchen auf einem zerlöcherten Bettvorleger.

Die Jugendlichen wirbelten bei ihrer Suchaktion viel Staub auf, der überall zentimeterdick lag. In den ersten Kartons befanden sich hauptsächlich alte Wäschestücke und ein paar handgemalte Bilder.

„Eines weiß ich mit Sicherheit“, meinte Marc, während er einen weiteren Karton öffnete. „Ein Notebook wird da wohl nicht drin sein.“

Kerstin lachte. „Das Modernste dürfte der Bettvorleger sein, auf dem Elvis liegt. Und den hatten bestimmt schon die Neandertaler in Gebrauch!“

„Kommt mal alle her“, rief Sandra in diesem Moment. Sie hielt einen Packen Briefe in der Hand, der mit einer Schleife zusammengebunden war. „Ob wir die öffnen dürfen?“

„Na klar, die sind doch uralt“, stimmte Marc zu. „Das stört niemand mehr. Los mach auf.“ Sandra zog die Schleife ab und untersuchte aufgeregt die Aufschrift der Briefe.

„Hm, alles schwer zu lesen, ziemlich verwittert und dann so verschnörkelt. Der Adressat ist jedes Mal Georg Marsanek. Das sind offensichtlich Briefe, die Juttas Opa bekommen hat.“

Sie öffnete den obersten Brief und zog ein vergilbtes Blatt Papier aus dem Kuvert. „Mensch, das ist voll schwer zu entziffern. Ich verstehe nur Bahnhof.“

„Wo steht da was mit Bahnhof?“, wollte Kevin wissen und versuchte, ihr den Brief abzunehmen.

„Quatsch, das ist nur so eine Redewendung. Ich kann darin wirklich nichts Zusammenhängendes finden. Nur der letzte Satz, der ist etwas deutlicher.“

Langsam las Sandra vor: „ … und hoffe, dass du mir verzeihen kannst. Dein ewiger Freund Herrmann Schrauber.“

„Damit können wir nicht allzu viel anfangen“, seufzte Kerstin. „Wir sollten die Briefe mitnehmen und von jemandem vorlesen lassen, der sich mit dieser alten Schrift auskennt.“

Da mischte sich Daniel mit hochrotem Kopf ein. „Wie war der Name von dem Freund? Kannst du das noch mal sagen?“

„Herrmann Schrauber, warum? Sag bloß, du kennst den? Das glaubt dir kein Mensch. Der Brief wurde vor vielen Jahrzehnten geschrieben!“ Sandra sah ihn spöttisch an.

„Nein, diesen Herrmann kenne ich nicht.“ Daniel schüttelte den Kopf. „Aber haltet euch fest, was ich euch zu sagen habe. Juttas Freund Sven heißt mit Nachnamen Schrauber!“

Diesmal war es Daniel tatsächlich zum ersten Mal gelungen, die wilden Vier zu verblüffen. Sie schauten sich gegenseitig an und waren sprachlos. „Bist du dir sicher, Daniel? Das ist ja die Bombe!“, rief Kerstin schließlich.

„Klar bin ich mir sicher. Was hat das jetzt aber zu bedeuten?“

„Na, kommst du nicht von alleine drauf?“, fragte ihn Kevin und verdrehte über Daniels Begriffsstutzigkeit die Augen. „Das ist doch sonnenklar. Er wusste bereits vorher über das Vermögen Bescheid. Und das war wohl der Grund, dass er sich bei Jutta eingeschlichen hat. Mensch, der Kerl will den Schatz finden und Jutta ist nur das Mittel zum Zweck. Sobald er das Geld gefunden hat, haut er ab. Bestimmt.“

„Könnte sein“, spekulierte Sandra. „Das werden wir gleich überprüfen. Kommt, wir gehen zu Jutta. Und kein Sterbenswörtchen von dem Brief, verstanden?“

Im Wohnzimmer angekommen, fanden sie Jutta beim Lesen einer Illustrierten vor. „Hallo Tante“, begann Daniel. „Du, weißt du zufällig, wie Svens Opa heißt? Wir sind ins Gespräch gekommen, da haben wir bemerkt, dass wir einen Jungen im Fußballverein haben, der mit Nachnamen wie Sven heißt. Kann es sein, dass der mit ihm verwandt ist?“

„Wie kommt ihr denn da jetzt drauf?“, wollte Jutta wissen. „Keine Ahnung, ich weiß nicht, ob er einen Neffen in dem Alter hat. Bis jetzt hat er nichts davon gesagt. Svens Großvater väterlicherseits hieß Herrmann mit Vornamen. Von seinen Großeltern mütterlicherseits hat er mir nie erzählt.“

„Dann ist es bestimmt eine Verwechslung“, warf Kevin rasch ein. „Unser Bekannter meinte, sein Opa hätte Peter geheißen.“

„Schrauber ist ein häufiger Name. Aber nun erzählt mir von eurer Schatzsuche auf dem Dachboden. Habt ihr was erreicht?“

„Nein, bisher war alles Fehlanzeige“, schaltete sich Sandra ein. „Du hattest Recht, da sind tatsächlich Unmengen von Sachen. Man braucht Jahre, um das alles durchzusehen.“

„Ja“, fiel Kerstin ein. „Ohne Planung geht da gar nichts. Wir haben beschlossen, das Ganze systematisch anzugehen. Wir werden uns einen Plan überlegen und dich dann wieder besuchen, Jutta. Ist das okay?“

„Na klar. Ich hab’s mir gedacht, dass das nicht einfach wird. Sagt mir Bescheid, wenn ihr eine Idee habt, wie man mit dem Chaos dort oben fertig wird. Meine Telefonnummer habt ihr ja.“

Die wilden Vier verabschiedeten sich zusammen mit Daniel. Sven konnten sie beim Verlassen des Grundstückes nirgendwo sehen.

„Wenigstens bleibt der uns im Moment erspart. Sonst hätte ihn Elvis wieder gejagt“, brummte Marc. „Aber sag mal, Kerstin, warum haben wir so schnell gehen müssen? Ich hätte gerne noch weitergesucht!“

„Würdest du versuchen, ein wenig logisch zu denken, dann wüsstest du es bestimmt!“, fuhr ihn seine Schwester an. Als Kerstin auch in den Gesichtern der anderen nur Fragezeichen sah, klärte sie ihre Freunde auf: „Dass Svens Opa ein Freund von Georg Marsanek war, dürfte wohl so gut wie sicher sein. An Zufälle dieser Art glaube ich nicht. Ich vermute, dass Sven die Geschichte von dem geheimnisvollen Schatz von seinem Opa oder seinem Vater gehört hat. Nur aus diesem Grund hat er sich wahrscheinlich bei Jutta eingenistet.“

 „Und Jutta weiß wahrscheinlich von alledem nichts“, fügte Sandra mit böser Miene hinzu. „Ihm geht’s also nur um das Vermögen von Georg.“

„Ja, so wird’s wohl sein“, übernahm Kerstin wieder das Wort. „Jutta hat selbst erwähnt, dass Sven nach dem Brief mit dem Rätsel sucht. Der Brief muss im Haus sein, wenn es ihn überhaupt gibt. Juttas Eltern haben ihn angeblich besessen.“

„Jetzt verstehe ich das Ganze“, unterbrach sie ihr Bruder. „Sven sucht im Haus gar nicht das Vermögen, sondern nur den Brief. Was nichts anderes bedeutet, als dass der Schatz im Rathauscenter ist.“

„Sehr gut“, lobte Sandra ihn mit einem Zwinkern. „Aber ob der noch dort ist, das gilt es jetzt rauszufinden. Da kam mir nämlich vorhin ein guter Gedanke. In der Nähe ist das Ludwigshafener Stadtarchiv. Dort darf jeder hinein, der sich über die Vergangenheit informieren will. Ich denke, wir sollten uns Unterlagen über den alten Hauptbahnhof anschauen. Also, wer kommt mit?“

Klar, dass alle mitgingen. Es war nicht weit bis zur Rottstraße. Marc drehte sich alle paar Schritte nervös um, bis Daniel ihn schließlich fragte: „Was ist denn? Hast du was verloren?“

„Nee, aber irgend so ein Typ läuft uns die ganze Zeit nach. Und immer, wenn ich mich umdrehe, versteckt er sich hinter einem Baum oder in einem Hauseingang.“

„Das wird bestimmt dieser Sven sein“, meinte Sandra und blickte sich nun ebenfalls um. „Ob der Lunte gerochen hat?“

„Ich weiß nicht“, antwortete Marc. „Irgendwie kommt mir der Verfolger kleiner vor als Sven. Ich kann mich aber auch täuschen. Er ist zu weit weg und dreht sich immer zur Seite, wenn ich ihn ansehe.“

„Und wenn schon, lass ihn doch“, winkte Kevin ab. „Wir gehen bloß ins Stadtarchiv, das ist schließlich kein Geheimnis! Außerdem sind wir schon da.“

Auf den Stufen vor dem Eingang lungerte ein Bettler herum. Die drei schwarzen Punkte auf seiner gelben Armbinde machten deutlich, dass er blind war. Teilnahmelos saß er hinter seinem Hut, der auf der untersten Stufe stand. Ohne ihn weiter zu beachten, gingen die fünf Jugendlichen an ihm vorbei ins Gebäude des Stadtarchivs.

Schon der Vorraum sah geheimnisvoll aus. Die Wände waren mit Plakaten aus alten Zeiten beklebt. Hier die Einweihung des Ebertparks vor bald 100 Jahren, daneben Filmplakate des alten Pfalzbaus. Insgesamt eine recht illustre Geschichte des jungen Ludwigshafens. Die fünf Jugendlichen interessierten die Plakate jedoch nicht. Zusammen mit Elvis, den Marc mit kurzer Leine hielt, betraten sie zielstrebig den Hauptraum des Archivs.

Erstaunt blickte der Archivleiter von seinem Schreibtisch auf, als er das Quintett bemerkte. „Hallo, was wollt ihr denn hier? Ihr wisst schon, dass dies das Archiv ist und nicht die Jugendbibliothek?“

Misstrauisch blickte er zunächst die Jugendlichen an, danach den Dalmatiner. Doch der blieb brav an Marcs Seite. „Ja natürlich, das wissen wir“, antwortete Kerstin. „Wir suchen Informationen über den alten Hauptbahnhof.“

Verwundert blickte der grauhaarige Mann sie durch seine Nickelbrille an. „Nanu, das kann doch wohl nur ein Zufall sein. Ihr seid nicht die Ersten. Heute war schon einmal jemand hier, der nach alten Plänen des Hauptbahnhofes suchte. Gehört ihr zusammen?“

Die wilden Vier horchten auf. Nein, dass konnte kein Zufall sein. Wer konnte das wohl gewesen sein?

„Es geht um ein Referat für die Schule“, log Marc. „Wir wissen nicht, was diese andere Person wollte. Vielleicht war es der Vater eines Klassenkameraden.“ Sandra beschrieb dem Archivar Juttas Freund.

Das leuchtete dem Archivar ein. Nach kurzer Überlegung schüttelte er den Kopf. „Nein, das war nicht der Mann, der vor einer Stunde bei mir war. Er war sehr kurz angebunden und schien es sehr eilig gehabt zu haben.“ Er zuckte mit den Schultern. „Dann interessiert euch also auch das Kellergewölbe des Bahnhofes?“

Aha, der große Unbekannte wusste also auch, um was es ging.

„Genau darum geht es. Haben Sie Pläne, die wir uns anschauen können? Dürfen wir die kopieren?“, fragte Kevin zielstrebig.

„Immer mit der Ruhe, eins nach dem anderen“, wehrte der Archivar ab. „Ich kann euch nur das Gleiche sagen wie dem Besucher vorhin auch. Pläne gibt es, die liegen aber nicht so einfach herum. Wir haben kilometerweise Bücher und Akten, da braucht die Suche ein bisschen Zeit. Ich denke, in zwei bis drei Tagen könnt ihr wieder vorbeikommen. Bis dahin habe ich euch das Gewünschte herausgesucht. Selbstverständlich dürft ihr dann für eure Klassenarbeit Kopien anfertigen.“

„Das ist aber schade. So auf die Schnelle haben Sie keine Unterlagen über den Hauptbahnhof?“, bettelte Kerstin.

„Nein, nein, so schnell habe ich wirklich nichts. Allerdings habe ich den Bahnhof noch selbst erlebt. Deshalb kann ich euch sagen, dass er über riesige Kellergewölbe verfügte, die teilweise sogar mehrstöckig waren. Aber macht euch keine falschen Hoffnungen, da noch etwas zu finden. Als der Bahnhof abgerissen wurde, hat man alles zugeschüttet. Davon ist absolut nichts mehr übriggeblieben.“

Einen Moment überlegte der Mann, dann schien er eine Idee zu haben. „Seid ihr aus der Schule im Stadtteil Mundenheim?“

Schweigend nickten die wilden Vier.

„Dann kennt ihr bestimmt Herrn Gimpel. Der unterrichtet doch bei euch Geschichte?“

„Ja klar, den haben wir in Geschichte und Musik“. Marc hatte das Thema schon abgehakt und antwortete enttäuscht auf die Fragen des Archivars.

„Warum geht ihr nicht zu ihm? Er hat mehrere Bücher über Ludwigshafen geschrieben. Da waren auch Berichte über die Entstehung des Rathauscenters drin, daran kann ich mich gut erinnern. Vielleicht kann der euch weiterhelfen?“

„Ja, das kann was werden“, überlegte Kerstin. „Vielen Dank. Wir werden Herrn Gimpel fragen, ob er uns hilft. Können Sie uns trotzdem daheim anrufen, wenn sie etwas in ihrem Archiv gefunden haben?“

„Na klar mache ich das. Dafür bin ich schließlich da. Das Archiv steht für jeden offen. Auch für Schüler.“

Kerstin ging zum Schreibtisch und schrieb ihre Telefonnummer auf einen Zettel. „Vielen Dank, Sie haben uns sehr geholfen“. Die Jugendlichen verabschiedeten sich.

Daniel konnte es kaum abwarten. Im Vorraum angekommen, platzte es aus ihm heraus. „Mann, da sind noch mehr Gangster hinter unserem Schatz her. Wir müssen sofort zur Polizei. Das wird langsam gefährlich!“

„Langsam, Junge“, holte ihn Sandra auf den Boden der Tatsachen zurück. „Du hast zu viele Krimis geschaut. Ich kann nicht erkennen, dass daran was gefährlich sein soll. Im Moment wissen wir nur, dass es einen unbekannten Dritten gibt und der nicht identisch mit Sven ist.“

„Und dieser Typ, der uns vorhin nachgeschlichen ist? Was ist mit dem?“

„Keine Panik. Wir wären nicht die wilden Vier, wenn wir das nicht rausbekommen würden — He, was ist jetzt schon wieder los?“

Elvis bekam wieder einen seiner seltsamen Anfälle. Mit voller Wucht zog er Marc die Stufen hinunter und die Straße entlang. Kevin rannte Marc nach, um ihm zu helfen. Die Mädchen standen mit Daniel an der Eingangstür und sahen den Dreien fassungslos nach.

Elvis flitzte mit Marc und Kevin an dem Bettler vorbei, der nach wie vor auf den Stufen saß und ihnen etwas nachrief.  „He, ihr zwei Jungs, passt auf. Rennt nicht so, die Straße ist gefährlich!“

Kurze Zeit später hatte Marc die Situation wieder unter Kontrolle. Nachdem er ausgiebig mit seinem Dalmatiner geschimpft hatte, waren die Jugendlichen endlich für den Heimweg bereit.

Marc blieb kurz neben dem Bettler stehen und wollte gerade seinen Geldbeutel zücken, da stieß ihn Kerstin an und zischte: „Hör bloß auf, gib dem ja nichts. Das ist nämlich ein gemeiner Schwindler!“

Marc schaute Kerstin erstaunt an. Was hatte sie damit wohl gemeint?

Frage: Warum war der Bettler ein Schwindler?

Antwort: .nefualiebrov mhi na sgnuJ iewz ssad ,nessiw thcin nnak reltteB rednilb niE

Die wilden Vier und der Schatz im Rathauskeller – Kapitel 3

Cover Die wilden Vier und der Schatz im Rathauskeller

Die merkwürdige Karte

Autor: Harald Schneider

Nachdem Kerstin zum zweiten Mal vom Telefon zurückkam, erzählte sie freudestrahlend von ihrem Telefonat: „Die Nummer war diesmal ein Volltreffer, Marc. Wie hast du das nur gewusst?“

Marc wollte gerade etwas sagen, da fiel Kevin seinem Freund ins Wort und entgegnete frech: „Klar wusste er es. Er badet schließlich jeden Samstag in dem Zeug!“

Im ersten Moment schaute Marc etwas böse drein, doch dann bemerkte er, dass er bloß auf den Arm genommen wurde. „Ich bade wenigstens regelmäßig“, antwortete Marc. „Bei dir dagegen hält sogar Elvis mindestens zwei Meter Geruchsabstand!“

Wie auf Kommando schaute Elvis auf. Bis jetzt hatte er ruhig in einer Ecke gelegen und vor sich hingedöst. Nun stand er auf, lief zu Kevin, schnupperte an ihm und fing an zu niesen.

Kevin schaute ungläubig aus der Wäsche, während sich seine drei Freunde vor Lachen die Bäuche hielten.

„Elvis, du bist wirklich die schärfste Nummer“, sagte Sandra, nachdem sie sich wieder etwas beruhigt hatte. „Manchmal denke ich, du kannst Gedanken lesen.“

„Wuff“, bellte der Dalmatiner und fing erneut an zu niesen.

„Jetzt erzähl endlich, Kerstin“, versuchte Kevin auf das Telefongespräch zurückzukommen. „Was hat die Marsanek gesagt?“

„Alles im grünen Bereich, Leute. Frau Marsanek scheint schwer in Ordnung zu sein. Sie machte am Telefon einen sehr sympathischen Eindruck. Im Übrigen hat Daniel ihr schon von uns berichtet.“

„Oh verdammt. Das kann nur schief gehen. Der Tollpatsch Daniel hat ihr bestimmt gesagt, dass wir nur den Schatz finden wollen.“

„Du wirst lachen, genau das muss er seiner Tante gesagt haben.“

„Und nun? Die glaubt jetzt, dass wir verrückt sind. Wenn Daniel mit seinen Übertreibungen ein paar unserer Streiche erzählt hat, will die bestimmt nichts mit uns zu tun haben.“

„Da kann ich dich beruhigen. Sie hat sich über unseren Anruf sehr gefreut. Und jetzt kommt das Tollste: Sie hat uns für morgen Mittag zum Tee eingeladen. Und Kuchen gibt es auch.“

„Wuff“, machte sich Elvis wieder bemerkbar. Alle lachten.

„He Elvis, du hast das falsch verstanden. Der Kuchen ist für uns und nicht für dich. Dich werden wir daheimlassen müssen“, bemerkte Marc.

„Auch wieder falsch. Frau Marsanek hat nichts dagegen, dass wir unseren Schlingel auf vier Beinen mitbringen. Habe ich alles abgeklärt.“

„Hat sie noch etwas zu dir gesagt?“, fragte Kevin. „Wie viel weiß sie denn über den Schatz?“

„Nicht viel. Sie glaubt selbst nicht so recht an die ganze Sache. Auf jeden Fall will sie uns morgen alles in Ruhe erklären. Wir sollen allerdings nicht allzu große Erwartungen haben. Sonst wären wir nachher nur umso mehr enttäuscht.“

„Na wunderbar!“, Marc freute sich sichtlich. „Endlich mal wieder ein neues Abenteuer für die wilden Vier!“

Pünktlich zur verabredeten Zeit standen die wilden Vier mit Elvis vor dem Haus von Jutta Marsanek. Es war eine alte Villa aus der Gründerzeit mit vielen dekorativen Verzierungen im Mauerwerk. Noch bevor sie auf die alte Türklingel am Torpfeiler drücken konnten, wurde die Haustür geöffnet und Daniel schrie ihnen durch den Vorgarten entgegen: „Na kommt schon. Wo bleibt ihr so lange? Ich warte schon eine Ewigkeit auf euch!“

„So lange kann’s wohl nicht gewesen sein“, rief Sandra zurück. „Oder hast du heute morgen etwa wegen uns die Schule geschwänzt?“

Mittlerweile hatten die Jugendlichen das Haus fast erreicht. Elvis schnüffelte hartnäckig an einem Busch neben dem Weg. „Komm schon Elvis, lass das. Da ist nichts für dich.“ Nur mit ziemlicher Kraftanstrengung konnte Marc seinen Dalmatiner von einer weiteren Untersuchung des Gestrüpps abhalten.

„Tante, der Besuch ist da“, schrie Daniel in den großen Hausflur hinein.

„Ja ja, ich hab’s gehört, du brauchst nicht so zu schreien. So alt und schwerhörig bin ich nicht.“

Die wilden Vier waren erstaunt, eine so junge Frau vorzufinden. Frau Marsanek mochte höchstens 35 Jahre alt sein und war recht zierlich gebaut. Ihre dunklen langen Haare hatte sie zu einem Zopf zusammengebunden. Wohl auch, damit ihre runden Silberohrringe, so groß wie Bierdeckel, besser zur Geltung kamen.

Der zappelnde Daniel, der aufgeregt danebenstand, passte mit seinem vergrauten Jogginganzug so gar nicht zu ihr.

„Hallo“, lachte Jutta Marsanek den Besuch an. „Da seid ihr ja. Ich freue mich sehr, euch kennenzulernen. Daniel hat viel von euch erzählt.“ Nach kurzem Zögern fügte sie hinzu: „Auch wenn ich glaube, dass er bei seinen Berichten wohl etwas geflunkert hat. Aber Kommissar Greulich hat mir heute Morgen ja auch von euch erzählt. Ich soll euch übrigens schön von ihm grüßen. Er hat mir gesagt, dass ihr mir ruhig helfen könnt, denn diesmal dürfte es kaum so gefährlich sein wie beim letzten Mal, als ihr euch mit echten Banditen angelegt habt.“ Wieder lachte sie. „Übrigens, ihr dürft gerne Jutta zu mir sagen, sonst fühle ich mich so alt. Es ist schließlich noch nicht so lange her, dass ich selbst die Schulbank gedrückt habe.“

„Tante“, unterbrach Daniel Juttas Redefluss. „Das ist der Dalmatiner mit der schwachen Blase, der überall hinpinkelt!“

Marc schaute ihn böse an und wäre ihm am liebsten an die Gurgel gesprungen. „He, wie sprichst du über unseren Elvis? Pass nur auf, dass er dich nicht eines Tages auffrisst. Allerdings besteht die Gefahr nur, wenn er kurz vor dem Verhungern ist. Er ist nämlich sehr verwöhnt, wenn es ums Futter geht.“

Jutta Marsanek stand sprachlos daneben und schaute von einem zum anderen. „Oh, ich hatte keine Ahnung, dass ihr euch nicht sonderlich mögt, aber vielleicht kommt ihr erst mal rein. Dann sehen wir weiter.“

Daniel, die wilden Vier und Elvis folgten Jutta ins Haus. Zunächst führte der Weg durch eine weiträumige und recht hohe Eingangshalle, wie man sie vor hundert Jahren zu bauen pflegte, als man sich noch keine Gedanken über die Heizkosten machte.

Nun bog die Gastgeberin links in ein noch größeres Zimmer ab. Die Einrichtung des Wohnraumes bestand aus alten, schweren Plüschsofas, geschnitzten Schränken und einer Menge Landschaftsbilder, die ringsum an den Wänden hingen.

„Entschuldigt bitte, dass es hier so alt und verstaubt aussieht. Ich kann verstehen, wenn es euch nicht gefällt. Mein Geschmack ist das auch nicht. Das Zeug gehört alles meinen Eltern, vermutlich haben die es von ihren Großeltern übernommen. Ich kann mich nicht erinnern, dass jemals ein neues Möbelstück gekauft wurde. Einmal wurden die Wände gestrichen, das ist jetzt aber auch schon viele Jahre her.“ Sie schaute in die Runde und fügte hinzu: „Dabei hätten es die Wände bitter nötig.“

„Wo sind denn eigentlich Ihre – äh, deine Eltern?“, fragte Kerstin.

„Ach so, das wisst ihr ja noch nicht“, antwortete Jutta. „Meine Eltern sind vor ein paar Wochen in ein Seniorenwohnheim gezogen. Mein Vater hatte einen kleinen Schlaganfall und für meine Mutter wurde die Arbeit, die so ein großes Haus mit sich bringt, zu viel. Der Aufwand, es zu unterhalten, ist immens. Und dann noch der Garten!“

„Und jetzt wohnst nur noch du hier?“

„Ja. Aber setzt euch erst einmal.“ Mit der rechten Hand machte sie eine Bewegung zu einem runden Tisch aus dunklem Teakholz, auf dem Gedecke, eine Teekanne und zwei Kuchen standen.

„Ja“, wiederholte sie. „Seit meine Eltern ins Seniorenheim gezogen sind, wohne ich hier alleine. Im Moment geht das noch, weil ich eine Weiterbildung mache. Ich muss keine Miete zahlen und die Hausnebenkosten wie Strom und Wasser bezahlen meine Eltern. Wenn ich aber nächstes Jahr mit der Weiterbildung fertig bin, will ich mit meinem Freund zusammenziehen. Aber in ein kleineres Haus. Meine Eltern werden dann das Anwesen vermutlich verkaufen. Vom Leerstehen wird’s ja schließlich nicht besser.“

„Mann, so eine Bude als Treffpunkt für die wilden Vier, das wär’s!“, seufzte Marc und verdrehte verzückt die Augen.

„Du kannst gerne einen Staubsauger nehmen und das ganze Haus durchsaugen. Ich bin gespannt, ob dir das Haus dann immer noch gefallen wird. — He, was macht denn euer Hund da?“, rief Jutta entsetzt.

Die wilden Vier drehten sich um und schauten in die gleiche Richtung wie Jutta. „Elvis, spinnst du? Komm sofort hierher!“, schimpfte Marc erschrocken.

Niemand konnte sich erklären, was auf einmal mit dem Dalmatiner los war. Elvis versuchte hartnäckig mit seinen Vorderpfoten einen auf einem Wandregal stehenden Blumenstrauß zu erreichen. Fast hätte er die Vase mit den Blumen erwischt und wahrscheinlich ein Desaster veranstaltet. Marc ging zu Elvis und schimpfte mit ihm.

„He Alter, was soll das? Du kannst nicht einfach die Blumen unserer Gastgeberin klauen. Oder wolltest du die etwa futtern?“

 „Komm, bring ihn besser mit an den Tisch. Soll er lieber ein Stück Kuchen fressen als meine Blumen. Den Strauß habe ich gestern von meinem Freund bekommen“, sagte Jutta sichtlich erleichtert, als der Hund endlich von der Vase abließ.

Daniel wusste es wieder mal besser. „Wenn das mein Hund wäre, hätte ich ihn besser erzogen. Das könnt ihr aber glauben“, gab Daniel hochnäsig an.

Da wurde Marc abermals wütend auf ihn. „Und wenn du mein Mensch wärst, dann hätte ich dich schon längst im Menschenheim abgegeben!“

Jutta versuchte, die Sache zu beenden. „Ich denke, ich werde euch jetzt die Geschichte von meinem Großvater erzählen. Hoffentlich wird’s für euch nicht zu langweilig.“

„Ist das der, von dem die Karte stammt?“, unterbrach sie Kevin.

„Das ist gut möglich. Jedenfalls behauptet mein Vater, dass es seine Handschrift ist. Aber er war ja selbst noch ein Kind, als er seinen Vater, Georg Marsanek, das letzte Mal sah.“

„Was ist denn mit ihm passiert?“

„Mein Großvater war Eisenbahner. Während des Krieges war er zuständig für die Verwaltung und den Betrieb des Hauptbahnhofs in Ludwigshafen. Eines Tages verschwand er spurlos. Man rechnete schon mit dem Schlimmsten. Es muss irgendeinen Streit mit der Stadtverwaltung gegeben haben, das hat mein Vater herausgefunden. Georg Marsanek soll angeblich Geld unterschlagen haben, das mit Postsäcken in der Bahn transportiert wurde. Das hat sich später zwar als Falschmeldung herausgestellt, mein Opa blieb aber trotzdem verschwunden.“

Marc zappelte vor Spannung aufgeregt herum. „Ist er nie mehr aufgetaucht?“

„Danach hat ihn dann tatsächlich niemand mehr gesehen. Erst einige Jahre später, als der Krieg vorbei war, kam von ihm ein Brief aus Südamerika. Der Brief ist inzwischen verloren gegangen, mein Vater kennt aber den Inhalt. Es soll eine Verschwörung gegen seinen Vater gegeben haben und man wollte ihn wegen den angeblich verschwundenen Geldsäcken loswerden. Zum Glück hatte er rechtzeitig Lunte gerochen und ist vorher abgehauen. Er schrieb auch, wo er sein Vermögen versteckt hatte. Das Ganze hat er aber als Rätsel getarnt, das niemand lösen konnte. Irgendwann war der Brief dann verschwunden und mit ihm das Geheimnis um das Vermögen.“

Jutta machte eine Pause, griff nach ihrer Tasse und nahm einen Schluck Tee. „Mein Opa muss zweifellos reich gewesen sein. Ihm gehörte dieses Anwesen und er hatte sogar eigenes Personal bis hin zum Gärtner. Mein Vater hat dann zwar das Haus bekommen, das Vermögen blieb aber bis auf den heutigen Tag verschollen. Seltsamerweise hat das meinen Vater aber nie groß interessiert. Er sagte immer, dass große Reichtümer nur Schwierigkeiten mit sich bringen und wir auch so genügend Geld zum Leben hätten.“

Nun schaute sie gedankenversunken an die Decke. Schließlich nickte sie versonnen. „Als Kind habe ich oft davon geträumt, den Schatz zu finden. Was bin ich überall herumgekrochen. Mein Vater machte sich dann immer über mich lustig und sagte, dass Opa Georg seinen Schatz wohl kaum in seinem Anwesen versteckt hätte. Als ich größer wurde, vertraute er mir an, dass sich sein Vater vermutlich samt seinem Geld nach Südamerika abgesetzt hat.“

Marc wurde wegen der spannenden Geschichte unruhig. Um ein Haar hätte er seinen Teller samt dem Kuchen vom Tisch geworfen. Elvis beobachtete die ganze Zeit den Teller. Hechelnd wartete er darauf, dass etwas für ihn abfiel.

„Wo hast du die Karte gefunden, die wir bei Kommissar Greulich gesehen haben? Sie scheint ja ein wertvoller Hinweis auf den Schatz zu sein“, fragte Kerstin gespannt.

„Das war reiner Zufall“, erzählte Jutta weiter. „Nachdem meine Eltern ins Seniorenheim gezogen sind, habe ich begonnen, den Speicher zu entrümpeln. Dort liegen viele Sachen herum, die meinem Opa gehörten. Einige davon sind sogar noch älter. Zwischen ein paar Büchern habe ich diese Karte gefunden. Da meine Mutter Kommissar Greulich gut kennt und er uns früher schon öfters besuchte, kam ich auf die Idee, ihm die Karte zu zeigen. Er meinte, dass darauf ein deutlicher Hinweis auf den Hauptbahnhof wäre, was ich mir aber nicht vorstellen kann. Warum sollte Opa Georg ausgerechnet an seinem Arbeitsplatz sein Vermögen versteckt haben?“

„Sonst hast du bisher nichts gefunden, was einen Hinweis geben könnte?“, hakte Kerstin nach.

„Nein. Du ahnst nicht, was hier alles an Gerümpel und Zeug rumsteht. Bei uns wurde nie etwas weggeworfen. Hier könntest du Ludwigshafens größten Flohmarkt eröffnen. Wie wäre es mit einem defekten Bügeleisen aus den fünfziger Jahren oder einer Tischdeckensammlung aus der Weimarer Republik? Mein Freund Sven unterstützt mich tatkräftig beim Aufräumen, wenn er Zeit hat. Eigentlich mache ich das nur, weil mich alte Sachen faszinieren. Die ganze Aktion ist sehr spannend, weil man nie weiß, was man im nächsten Moment aus einer alten vergammelten Kiste oder einem Schrank zieht.“

In diesem Moment fing Elvis an zu knurren. Die wilden Vier schauten sich einander erstaunt an, denn einen Grund dafür konnten sie nicht erkennen.

„Was ist los mit dir, Elvis? Du hast heute wirklich einen extrem unruhigen Tag. Zuerst bellst du draußen ein Gebüsch an, dann willst du die Blumen fressen und jetzt willst du dich wahrscheinlich noch auf unseren Kuchen stürzen. Aber nicht mit uns. Du bleibst schön da liegen!“, schimpfte Marc, doch Elvis war anscheinend aus einem anderen Anlass aufgeregt. Denn es hatte jemand das Haus betreten. Elvis musste den Fremden gewittert haben.

„Ach, das wird mein Freund Sven sein. Er hat einen eigenen Schlüssel“, meinte Jutta, als sie die Schritte vernahm.

Wie auf Kommando ging die große Doppeltür auf und ein junger Mann trat ein. Elvis ließ sich nicht mehr stoppen. Mit einem Satz war er bei Sven und versuchte, ihm an den Hals zu springen.

Juttas Freund war total geschockt, schließlich kannte er Elvis nicht. „Hilfe, hau ab, du Köter. Jutta, was soll das Vieh in der Wohnung?“ Verzweifelt versuchte er, den Dalmatiner abzuschütteln, der hing aber hartnäckig an seiner Jacke und sprang ohne Unterlass an ihm hoch.

Marc hatte sich nach einer langen Schrecksekunde gefasst. „Elvis, bei Fuß!“, schrie er aus voller Kehle. Doch der Dalmatiner schaute ihn nur kurz an, bevor er wieder an dem Mann hochsprang.

Kerstin, die näher saß, war schon auf dem Weg zu dem durchgeknallten Hund. Sie zog an seiner Halskette, bis er endlich von Sven abließ. Sie schimpfte fürchterlich mit Elvis, bevor sie ihn Marc übergab, der seinen Hund nun am Halsband festhielt.

Marc stammelte verwirrt eine Entschuldigung: „Tut mir wirklich sehr leid. So etwas hat er noch nie gemacht. Ist ihnen etwas passiert?“

„Nein, zum Glück nicht. Ich bin nur sehr erschrocken. Ich habe keine Ahnung, was dieses Biest von mir wollte. Normalerweise stehen Hunde nicht so auf mich“, brummelte Sven.

Jutta, die vor Schreck die ganze Zeit wie angewurzelt auf ihrem Stuhl saß, stand auf und begrüßte ihren Freund.

„Hallo Sven, so früh habe ich noch gar nicht mit dir gerechnet. Das sind übrigens die wilden Vier, ich habe dir von ihnen erzählt. Und den Daniel kennst du ja.“

„Ich war etwas früher fertig mit meiner Arbeit, und da dachte ich, dass wir heute mehr Zeit für die Suche haben“, erklärte Sven. Und zu den wilden Vier sagte er: „Ihr wollt also meiner Freundin helfen, das Vermögen ihres Großvaters zu finden? Das wird nicht nötig sein. Wenn es etwas gibt, dann finden wir es alleine. Ihr seht also, es gibt nichts für euch zu tun. Am besten geht ihr heim und macht eure Hausaufgaben.“

„Aber Sven, was ist denn mit dir los?“, rief Jutta erstaunt. „Du weißt ganz genau, wie groß das Haus ist, und dass wir es nie alleine schaffen werden, alles zu durchstöbern. Kommissar Greulich hat mir erzählt, die wilden Vier hätten schon so manchen kniffligen Fall gelöst. Warum sollten wir sie nicht mitsuchen lassen? Vielleicht haben sie einen guten Riecher?“

Sven grummelte irgendetwas Unverständliches vor sich hin, schenkte sich eine Tasse Tee ein, nahm sich ein Stück Kuchen und fing ohne weiteren Kommentar an zu essen.

Sandra versuchte, die peinliche Situation zu beenden. „Jutta, hast du für uns eine Kopie der geheimnisvollen Karte, die wir bei Kommissar Greulich gesehen haben?“

„Natürlich habe ich eine Kopie, Greulich hat das Original. Ich kann sie euch aber leider nicht mitgeben, da ich selbst nur diese eine Kopie habe. Ich weiß aber nicht, ob euch diese Karte überhaupt weiterhelfen wird. Die verschiedenen Zeichen sind für mich die reinsten böhmischen Dörfer. Ich bin mir fast sicher, dass es irgendetwas mit diesem Haus zu tun hat.“

Kerstin, die Computerexpertin der wilden Vier, zog ihr Handy aus der Tasche. „Hast du was dagegen, wenn ich die Karte fotografiere? Dann könnten wir zuhause versuchen, damit zurecht zu kommen.“

„Na klar, darfst du das machen. Die Karte geht davon ja nicht kaputt. Oder hast du was dagegen, Sven?“

Sven schien tatsächlich etwas sagen zu wollen, aber er besann sich und blieb eine Antwort schuldig.

Kerstin hatte die Karte auf den Tisch gelegt und zwei oder drei Aufnahmen gemacht. „Vielen Dank, Jutta. Wir werden uns die Karte daheim an unserem Computer anschauen. Wenn wir etwas rausbekommen, geben wir dir gleich Bescheid.“

„Dürfen wir morgen wieder vorbeikommen und bei der Suche helfen?“, fragte Kevin. „Am liebsten würde ich gleich heute anfangen, aber es ist schon recht spät.“

„Ihr dürft immer kommen, wenn ihr wollt. Dann zeige ich euch morgen das ganze Haus. Ihr werdet staunen, wie groß es ist.“

„Und ich komme auf alle Fälle auch, Tante“, rief Daniel eifrig.

Die wilden Vier ließen wie auf Kommando gleichzeitig ihre Köpfe hängen. „So ein Mist, jetzt haben wie den Kerl morgen wieder an der Backe“, dachten alle vier mehr oder weniger wörtlich.

Die ganze Gruppe stand auf. Marc hatte nach wie vor Elvis fest im Griff, der sich anscheinend etwas beruhigt hatte. Nur gelegentlich knurrte er noch Juttas Freund an.

„Wenn die Kids endlich weg sind, fange ich draußen an, Jutta“, sagte Sven. „Ich habe gestern im Garten mein Halstuch verloren. Das muss dort irgendwo liegen. Es ist das teure aus Seide, das du mir geschenkt hast. Das will ich auf jeden Fall wiederhaben.“

„Gut, dann fang im Garten an. Ich verabschiede unseren Besuch.“

Gemeinsam verließen alle das Haus. Am Eingang verabschiedeten sich die Vier. Daniel wollte noch etwas bei seiner Tante bleiben.

„Vielen Dank für alles, Jutta! Es ist wirklich schön hier“, sagte Sandra. „Wir sind gespannt, ob wir das Vermögen deines Opas finden!“ Die Vier machten sich auf den Weg in ihren Clubraum. Elvis trottete nebenher und war wieder so brav wie immer.

„Mann, ist das ein Schuppen!“, rief Kevin, als sie außer Hörweite waren. „In diesem Haus ist echt Platz ohne Ende. Ich bin auf die Führung morgen Mittag gespannt.“

„Ich auch“, fügte Kerstin an. „Aber zuerst wollen wir uns daheim mal in aller Ruhe die Karte am Computer anschauen. Vielleicht finden wir einen ersten Anhaltspunkt.“

„Komisch, dass Jutta überzeugt ist, dass das Vermögen im Haus versteckt ist, wo Kommissar Greulich meint, dass die Karte etwas mit dem Hauptbahnhof zu tun hat“, überlegte Marc laut.

„Tja, wir können nur hoffen, dass Jutta Recht hat“, befand Kerstin. „Der Hauptbahnhof wurde nämlich in den siebziger Jahren abgerissen. Erinnert ihr euch? Dort steht jetzt das Rathauscenter. Das hat uns Greulich damals gesagt. Also, ich bin jetzt kolossal auf die Karte gespannt!“

Eine Viertelstunde später saßen Kevin, Marc und Sandra in ihrem Clubraum und schauten Kerstin zu, die die Bilder in den Computer lud und anschließend Vergrößerungen ausdruckte. „Ich hab die Fotos vierfach vergrößert, damit wir etwas erkennen können“, erklärte Kerstin, als sie die Ausdrucke an ihre Freunde verteilte.

Gespannt schauten alle vier auf die ausgedruckten Vergrößerungen. Es handelte sich offensichtlich um einen Teil eines Gebäudeplanes. Deutlich waren mehrere Räume zu erkennen, die miteinander verbunden waren. In den Räumen, daneben und auch sonst überall auf dem Plan verteilt, waren seltsame Buchstabengruppen verteilt.

„Die Wörter ergeben überhaupt keinen Sinn“, begann Sandra die Analyse. „Das sind wahrscheinlich allesamt Abkürzungen.“

„Die verschnörkelte und verwischte Handschrift macht es nicht gerade einfacher“, fügte Kevin hinzu.

„Lasst uns mal sehen, aus welchen Buchstabengruppen wir etwas erkennen können. Da steht „2UG“ und hier das gleiche und dort auch noch mal. Das scheint interessant zu sein.“

Sandra hatte trotz der Vergrößerungen ihre Lupe zu Hilfe genommen. „Und hier ganz oben steht „HBF“ und ein Stück rechts davon „BST4“.

„Die Raumanordnung ist ebenfalls seltsam“, ergänzte Marc. „Das ist das reinste Labyrinth. Ohne Karte würde man sich bestimmt verlaufen.“

„Wahrscheinlich sind das nur die wichtigsten Räume und die weniger wichtigen wurden weggelassen. Das könnte die komische Form der Gebäudestruktur erklären“, vermutete Sandra.

„Hier stehen auch noch Zeichen“, unterbrach Marc. „Man kann sie aber nur schwer erkennen. Das eine sieht wie ein „Y“ aus, diese beiden hier wie „DG“ und das hier kann man überhaupt nicht mehr lesen.“

„Tja, das ist schon eine harte Nuss. Zum Glück wissen wir jetzt, dass mit der Karte ganz klar der Hauptbahnhof gemeint ist“, stellte Kevin siegessicher fest.

„He, wieso bist du dir da so sicher?“, fragte Kerstin skeptisch. Die anderen beiden schauten ebenfalls verwundert drein.

Frage: Woran erkannte Kevin, dass die Karte etwas mit dem Hauptbahnhof zu tun haben musste?

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Die wilden Vier und der Schatz im Rathauskeller – Kapitel 2

Cover Die wilden Vier und der Schatz im Rathauskeller

Ein glücklicher Zufall

Autor: Harald Schneider

Am nächsten Tag in der großen Pause liefen die wilden Vier wie so oft zu ihrer Lieblingssitzbank am Ende des Schulhofes. Dort konnten sie sich ungestört unterhalten und neue Pläne schmieden oder ihre berühmten Streiche aushecken.

Es wurde bereits Herbst, deshalb waren die Bänke und Tische mit Laub bedeckt. Um sich ihre Klamotten nicht nass und schmutzig zu machen, setzten sich die Vier auf die Rückenlehnen der zwei gegenüberstehenden Bänke.

„Mensch, Sandra. Marcs Onkel war ganz schön sauer, als du ihm gesagt hast, dass seine antike Amphore eine Fälschung ist!“, begann Kevin.

„Hoffentlich ist er nicht allzu böse auf mich“, meinte Sandra besorgt. „Aber ich musste ihm das einfach sagen. Es ist eindeutig, dass 490 Jahre vor Christus noch niemand wissen konnte, dass knapp fünfhundert Jahre später die Zeitwende kommen würde und dann die Jahre nach Christi Geburt gezählt werden.“

„Ach, mach dir da mal keine Gedanken drüber. Mein Onkel hat mir später gesagt, dass er ganz froh ist, die Wahrheit zu kennen. Sonst hätte es vielleicht später irgendjemand anderes bemerkt und dann hätte er sich noch viel mehr blamiert. Er hat die Vase im Keller verschwinden lassen, bis er den hohen Kaufpreis geistig überwunden hat“, erzählte Marc.

Sandra war nun etwas beruhigt und atmete erleichtert auf.

„Aber jetzt mal was ganz anderes“, sagte Marc weiter. „Mir geht die Geschichte mit Kommissar Greulich nicht aus dem Kopf. Wisst ihr noch? Bei unserem Besuch vor ein paar Wochen hat unser guter Elvis mit seinem Schwanz diese Karte von seinem Schreibtisch gefegt. Es soll so etwas wie eine Schatzkarte sein, die eine Frau beim Entrümpeln gefunden hat. Sagte der Kommissar nicht, dass es sich um das Vermögen ihres Großvaters handelt, der im letzten Krieg verschwand? Das wäre doch genau das Richtige für uns?“

„Ist bloß ausgesprochen blöd, dass wir den Namen der Frau nicht kennen und Kommissar Greulich wird uns den ganz bestimmt nicht geben“, gab Kevin kopfschüttelnd zu bedenken.

Sandra lachte. „Greulich brauchen wir dazu gar nicht, denn zufällig habe ich mir auch die Rückseite des Zettels angesehen. Und da stand der Name der Frau groß und breit drauf!“

„Was?“, kam es aus drei Kehlen gleichzeitig. „Du kennst den Namen dieser Frau? Warum hast du das nicht gleich gesagt?“

„Hat mich ja keiner gefragt“, erwiderte Sandra, „Die gute Frau heißt Marsanek.“

„Was? Das gibt’s doch nicht!“, riefen die drei überrascht. Jetzt war Sandra verwirrt.

„Warum regt ihr euch so auf? Das ist doch nichts Besonderes, jedenfalls kenne ich niemanden mit diesem Namen!“

„Du vielleicht nicht, denn du bist erst vor zwei Monaten nach Ludwigshafen gezogen. Aber zufällig gibt es in unserer Parallelklasse einen Daniel, der mit Nachnamen Marsanek heißt“, klärte Kerstin sie auf.

„Und der ist zufällig im gleichen Fußballverein wie ich“, fügte Kevin lautstark hinzu. „Allerdings ist er der größte Angeber aller Zeiten“.

„Das tut jetzt nichts zur Sache“, sagte Kerstin zu ihrem Bruder. „Außerdem finde ich, dass er sehr nett ist.“

„Aber im Fußball ist er eine Null. Der Typ hat absolut keine Orientierung“, erwiderte Kevin.

„Was willst Du? In der letzten Saison war er bei euch sogar Torschützenkönig, oder?“

„Ja, das stimmt schon“, grinste Kevin hämisch. „Acht Tore hat er geschossen. Hat er dir auch verraten, dass fünf davon Eigentore waren?“

Sandra lauschte gespannt dem geschwisterlichen Streitgespräch. „He, ihr beiden, hört auf. Ist doch egal, ob der Daniel euer Typ ist oder nicht. Hauptsache, er rückt die Adresse raus. Vorausgesetzt, die Dame ist tatsächlich mit ihm verwandt.“

„Okay, okay, ich werde mein Möglichstes tun“, lenkte Kevin ein. „Morgen Mittag habe ich Training, dann frage ich ihn. Für ein neues Abenteuer tu ich doch fast alles. Soll ich ihm auch Grüße von dir ausrichten, Kerstin?“

Kevin konnte gerade noch dem Tritt seiner Schwester ausweichen. Doch ihre Wut war gleich darauf verflogen und alle vier lachten über den Scherz.

Am nächsten Mittag saßen Kerstin, Marc und Sandra mit Dalmatiner Elvis in ihrem Clubraum im Keller der Zwillinge und warteten auf Kevin, der gleich nach dem Training nachkommen wollte.

Sandra klebte gerade ein Foto der gefälschten Amphore in den Sammelband mit den Streichen der wilden Vier ein. Hier dokumentierten die Jugendlichen ihre zahlreich durchgeführten Aktionen.

Da Sandra erst seit einigen Wochen zu den wilden Vier gehörte, blätterte sie immer wieder interessiert in dem dicken Ordner. Zufällig fiel ihr Blick auf folgenden Eintrag:

Martin Luthers 95 Thesen

Unser Religionslehrer hatte eine Angewohnheit, die uns manchmal schwer zu schaffen machte. Er verschluckte nämlich des Öfteren die Endungen von so manchen Wörtern. Ohne ständige Konzentration war es deshalb nicht möglich, dem Unterricht richtig zu folgen. Einmal kurz mit dem Gedanken bei der Planung der nachmittäglichen Freizeit, schon wusste man nicht mehr, von was er eigentlich sprach. Und unser Lehrer konnte in 45 Minuten wirklich viel reden. Wehe man wurde in solch einer verfänglichen Situation aufgerufen. Herr Bastian war schon uralt und streng wie die Hölle. Wir vermuteten, dass er eigentlich schon vor über 300 Jahren pensioniert werden sollte, er aber auf keinen Fall freiwillig ging.

Eines Tages kamen auch die 95 Thesen dran, die Luther nach einer Legende im Jahre 1517 an eine Kirchentür in Wittenberg anschlagen ließ.

Kerstin bemerkte schon im Unterricht, dass Kevin offensichtlich etwas nicht verstand, denn er machte ein seltsam fragendes Gesicht, als würde er die Geschichte nicht ganz kapieren. Nach der Stunde, als wir uns im Pausenhof trafen, fragte er uns verständnislos, was Luther mit diesem seltsamen Anschlag überhaupt bezweckte. Und erst da kam das fatale Missverständnis zu Tage. Wir hielten uns den Rest der Pause den Bauch vor Lachen. Auch später im Unterricht konnten wir uns kaum konzentrieren und mussten immer wieder kichern.

Bevor wir nun das Missverständnis auflösen, erzählen wir erst einmal unseren Lutherstreich, den wir zwei Wochen später beim Tag der offenen Tür unseres Schulzentrums durchführten.

Jeweils eine Gruppe Schüler sollte ein Thema des Unterrichtes aufbereiten und den Eltern vorstellen.

Wir haben uns in Absprache mit Herrn Bastian für die 95 Thesen entschieden. Herr Bastian sagte uns noch, er freue sich sehr, dass sich seine Schüler heutzutage noch für kirchliche Themen interessieren. Wir glauben, er hat dies später auf jeden Fall bitterlich bereut.

So kam der Tag, den wir alle herbeisehnten. Die Aula war brechend voll. Außer den Lehrern und Schülern waren jede Menge Eltern anwesend. Es wurden Ansprachen gehalten, die niemanden interessierten. Jedenfalls uns Schüler nicht. Und die Eltern warteten nur auf die Aufführung ihrer Sprösslinge.

Und dann kam der absolute Höhepunkt! Herr Bastian betrat die Bühne und kündigte uns an. „Seine“ Klasse, bzw. ein Teil davon, habe sich die 95 Thesen des Martin Luther vorgenommen und wolle sie den Zuschauern vorstellen.

Auch bei dieser Einleitung hat er ein paar Wortendungen verschluckt; bestimmt ist das auch einigen Eltern aufgefallen. Doch was nun kam, war der absolute Hammer: Wir trugen eine Stellwand auf die Bühne, die mit einem Tuch verhüllt war. Das haben wir uns wegen des Überraschungseffekts ausgedacht. Schließlich hatte Herr Bastian unser Werk auch noch nicht gesehen.

Nun stellten wir uns stolz daneben und lüfteten unsere geheimnisvolle Arbeit.

Erstauntes Gemurmel aus dem Publikum. Einige wenige verstanden sofort und lachten ungeniert lauthals heraus. Andere hatten nichts kapiert und wurden von ihren Nachbarn aufgeklärt.

Auch unser Rektor hatte sofort begriffen und lief purpurrot an. Um nicht zu lachen, biss er sich in seinen linken Zeigefinger.

Herr Bastian, der schräg hinter der Tafel gestanden hatte, war als einziger über die Reaktionen im Zuschauerraum erstaunt. Kein Wunder, hatte er unser Werk bisher noch nicht gesehen. Zögernd kam er hervor, und dann traf ihn fast der Schlag:

Exakt 95-mal war der Buchstabe „T“ auf unserem Plakat zu sehen. Große T’s, kleine T’s, verschnörkelte T’s, rote T’s, grüne T’s und sogar karierte T’s.

Nun trat Marc vor und rief lautstark ins Publikum: „Meine Damen und Herren, wie unser Religionslehrer angekündigt hat, hier die 95 Ts von Martin Luther!“

Keine Frage, wir waren die Helden des Tages und in aller Munde. Nur Herr Bastian war anfangs etwas sauer auf uns. Aber das war zum Glück nicht von langer Dauer. Auch er schien so etwas wie Humor zu haben.

Sandra schüttelte sich vor Lachen. „So was kann aber auch nur euch einfallen. Habt ihr eigentlich immer so viel Erfolg mit euren Streichen gehabt?“

Marc schüttelte etwas verschämt den Kopf. „Nein, nicht wirklich. Einmal ging der Schuss ganz schön nach hinten los. Irgendwie dumm gelaufen. Such dir mal die Geschichte über die ausgefallene Stunde raus.“

Sandra suchte im Inhaltsverzeichnis des Sammelbandes die entsprechende Seite heraus und fing an zu lesen.

Die ausgefallene Stunde, die nicht ausfiel

Im letzten Schuljahr hatten wir dienstagmittags immer eine Doppelstunde Sozialkunde. Irgendwie ließ sich diese Stunde nicht vormittags unterbringen. Oder der Lehrer konnte nicht. Er musste nämlich extra aus einer anderen Schule kommen. Wir hatten keine Ahnung, warum das so war.

Jedenfalls war diese Stunde immer ätzend langweilig und zog sich wie Kaugummi. Der Dienstag war für uns immer der schlimmste Tag der Woche.

An diesem Dienstag wollten wir deshalb besonders schlau sein. Es war ein schöner und sehr warmer Tag, genau richtig, um in eine Eisdiele zu gehen, anstatt uns über die Gesellschaftsordnung des 18. Jahrhunderts vollsülzen zu lassen. Schuleschwänzen kam für uns natürlich nicht infrage. Jedenfalls nicht offiziell.

Wir trafen uns eine halbe Stunde vor Unterrichtsbeginn vor dem Schulgebäude. In Windeseile hatten wir einen großen Zettel mit Klebeband an der Tür befestigt und ruckzuck waren wir auch schon wieder verschwunden.

Es hätte alles gut geklappt, wenn uns unsere Neugier nicht zurück zum Tatort getrieben hätte.

Kurz vor Unterrichtsbeginn gingen wir gemeinsam zur Schule zurück, um die Wirkung unserer Aktion mitzuerleben. Und tatsächlich, so ziemlich alle Klassenkameraden kamen uns in Gruppen entgegen. Freudestrahlend berichteten sie uns, dass der Unterricht wegen Krankheit ausfallen würde.

Wenn wir es nur dabei belassen hätten. Aber unsere Neugierde war größer. Schließlich standen wir als Einzige unserer ganzen Klasse vor dem Zettel an der Klassenzimmertür. Alle anderen Klassenkameraden waren zu diesem Zeitpunkt längst wieder auf dem Heimweg.

Der dumme Zufall wollte es, dass ausgerechnet in diesem Moment unser Lehrer auftauchte, den Zettel las, ihn abriss und laut zu schimpfen begann.

Schließlich beruhigte er sich und versprach sich selbst, die Übeltäter hart zu bestrafen. Ausgerechnet uns lobte er, weil wir als einzige auf ihn gewartet hätten. Aufklären konnten wir dieses Missverständnis natürlich nicht. Als Krönung versprach uns unser Lehrer dann, dass er den Unterricht trotz alledem nur für uns halten würde.

Aus verständlichen Gründen haben wir unseren Klassenkameraden bis zum heutigen Tag nicht verraten, wer hinter der Geschichte mit dem ominösen Zettel steckte.

Sandra schmunzelte und wollte gerade etwas sagen, da ging die Tür des Clubraums auf und Kevin trat ein.

„Hi, da bin ich. Hat alles super geklappt. Daniel ist mit dieser Frau Marsanek irgendwie um hundert Ecken verwandt. Er sagt Tante zu ihr, auch wenn sie es nicht wirklich ist.“

Freudestrahlend wie der Held des Tages grinste er einen nach dem anderen an, bevor er etwas geknickt fortfuhr: „Daniel weiß leider über die Karte Bescheid. Seine Eltern meinten aber, dass an der ganzen Sache nichts dran sei. Das wäre nur so eine alte Geschichte. Wie auch immer, jetzt haben wir erst mal ein gewichtiges Problem. Daniel will bei der Sache mitmachen. Ich habe natürlich versucht, ihm das auszureden. Aber wenn wir ihn nicht mitmachen lasen, will er seine Tante überreden, dass sie uns wegschickt.“

„Absolut blöde Situation“, ärgerte sich Marc. „Der hat mir gerade noch gefehlt. Nicht mal Elvis kann ihn leiden, nicht wahr, mein Guter?“

„Wuff“, erwiderte Elvis und zog seinen Schwanz ein. Er wusste anscheinend genau, was Marc meinte.

„Nun lass mal“, beruhigte Kerstin ihren Freund. „Vielleicht kann er uns ja tatsächlich helfen und nützt uns als Eintrittskarte bei der guten Tante. Aber anrufen sollten wir sie vorher schon. Hast du dir die Telefonnummer geben lassen?“

„Äh, klaro, wie war das noch mal?“, einen Moment lang überlegte Kevin stirnrunzelnd. „Ach ja, ich glaub ich hab’s. Zuerst kommt die 57, dann die Nummer, mit der man auch Kölnisch Wasser bezeichnet. Ja, Daniel hat gesagt, das wäre immer seine Eselsbrücke, wenn er seine Tante anruft.“

„Bin schon unterwegs“, fiel ihm seine Schwester ins Wort. „Ich gehe schnell hoch ans Telefon und mache mit der Tante einen Termin aus.“

„Sag ihr aber noch nichts von der Karte, sonst lässt sie uns vielleicht abblitzen“, bemerkte Sandra.

Keine drei Minuten später stand Kerstin wieder atemlos im Clubraum. „Du hast dich von diesem Angeber Daniel reinlegen lassen, mein Brüderlein. Ich habe die 57 74 11 mehrmals gewählt, aber jedes Mal kommt nur ‚Kein Anschluss unter dieser Nummer’.“

„Keine Panik auf der Titanic. Ich weiß schon, was da schiefgelaufen ist“, entgegnete Marc.

Frage: Was hat Kerstin falsch gemacht?

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Die wilden Vier und der Schatz im Rathauskeller – Kapitel 1

Cover Die wilden Vier und der Schatz im Rathauskeller

Die antike Amphore

Autor: Harald Schneider

Marc saß im Clubraum der wilden Vier auf der braunen Ledercouch und streichelte seinen unternehmenslustigen Dalmatiner Elvis.

Der Clubraum befand sich im Keller des Hauses der Zwillinge Kerstin und Kevin. Hier hatten die wilden Vier seit geraumer Zeit ihre Zentrale. Fast jeden Mittag nach der Schule und auch an den meisten Wochenenden trafen sie sich an diesem Ort.

Auf dem Schreibtisch hatte Kerstin ihr Notebook stehen. In einer Ecke standen auf einem kleinen Beistelltisch die Utensilien aus Sandras Detektivkasten: Reagenzgläser, kleine Fläschchen, Papierstreifen und in der Mitte das große Mikroskop. Auf einem Regal an der Wand stand die große Bluetooth-Box. Der Fußballkicker, den sie auf dem Sperrmüll gefunden und selbst renoviert hatten, war ihr ganzer Stolz. Die Wände waren mit Postern von allen möglichen Popstars und Sportlern zutapeziert.

„Schade, dass ich dich nachher zu Onkel Franz zurückbringen muss“, seufzte Marc. „Er kommt heute von seiner Urlaubsreise zurück.“

„Mensch, du hast den Hund jetzt zwei Wochen lang jeden Tag um dich gehabt“, versuchte ihn sein Freund Kevin zu trösten. „Sei froh, dass du jetzt wieder mehr Zeit für Kerstin, Sandra und mich hast. Dann können wir endlich mal wieder etwas Tolles aushecken.“

„Genau“, fiel ihm Sandra ins Wort. „Sonst schlafen wir noch ein und unsere Klassenkameraden nennen uns die müden Vier.“

Marc verzog für einen Moment missmutig sein Gesicht. Dann hatte er eine Idee. „Mensch, kommt doch nachher einfach mit. Dann kann uns mein Onkel von seiner Urlaubsreise erzählen!“

„Wo war er eigentlich?“, wollte Kerstin neugierig wissen.

„In Griechenland, glaub ich zumindest“, zögerte Marc. „Jedenfalls dort, wo die vielen Tempel sind und früher die olympischen Spiele stattfanden.“

Kerstin lachte. „Ja, Griechenland ist schon richtig. Das hört sich echt interessant an. Ich komme auf jeden Fall mit! Ihr auch?“

Bald machten sich die vier mit Elvis auf den Weg zu Marcs Onkel.

„Huch, das ist ja der reinste Überfall“, rief Onkel Franz überrascht und ließ beinahe sein Gepäck fallen. Er war gerade zuhause angekommen und trug seine Koffer die Treppen hoch, als die ganze Bande mit Elvis angestürmt kam.

„Passt doch ein bisschen auf!“, schimpfte er. „Ich habe wertvolle Sachen aus Griechenland mitgebracht. Nicht, dass es noch Scherben gibt!“

Die wilden Vier horchten auf. Wertvolle Sachen? Was mochte das sein? Neugierig halfen sie dem Heimkehrer, die restlichen Sachen in die Wohnung zu bringen. Der Dalmatiner stob schwanzwedelnd und wenig hilfreich zwischen den Beinen der Jugendlichen hindurch auf der Suche nach etwas Essbarem.

„He, mein guter Elvis ist ja frech wie eh und je! Ich hoffe, du bist gut mit ihm ausgekommen, Marc.“, fragte Onkel Franz, als er die letzten Taschen in der Diele abgestellt hatte und schnaufend die Eingangstür schloss.

„Ja, ja“, antworteten die vier Freunde ungeduldig im Chor.

„Was ist denn mit euch los?“, fragte Franz erstaunt, während er seinen immer noch schwanzwedelnden Dalmatiner streichelte. „Ihr führt doch etwas im Schilde? Sagt es mir lieber gleich, was habt ihr angestellt? Habt ihr wieder eines eurer haarsträubenden Abenteuer erlebt, während ich in Urlaub war?“

„Nein, Onkel, bestimmt nicht“, wehrte Marc rasch ab. „Wir sind nur neugierig, was du Wertvolles aus dem Urlaub mitgebracht hast!“

„Ach, so ist das! Na dann …“

Onkel Franz öffnete schmunzelnd einen seiner Koffer und holte einen sehr großen Gegenstand hervor, der sorgfältig in eine Decke eingewickelt war. Es schien Ewigkeiten zu dauern, bis er das Ding ausgepackt hatte. „Was sagt ihr dazu?“, fragte er in die Runde und präsentierte stolz ein sehr alt aussehendes tönernes Gefäß mit zwei breiten Henkeln.

„Ist das nicht eine Amphore?“, fragte Kerstin überrascht. „Da haben früher die Griechen Wein und Öl drin aufbewahrt, nicht wahr?“

 „Das hast du richtig erkannt. Es ist eine antike Amphore. Antik sagt man dazu, weil sie schon sehr, sehr alt ist.“

Sandra bestaunte das wertvolle Gefäß von allen Seiten. Schließlich entdeckte sie mehrere seltsame Zeichen auf dem Bauch der Amphore. „Was bedeuten diese komischen Schriftzeichen auf der Seite? Da sind sogar Dreiecke dabei, das kann doch kein Mensch lesen!“

„Kein Wunder. Das ist altgriechisch“, belehrte sie Marcs Onkel. „So haben die Griechen früher geschrieben. Das ist übrigens ein Beweis dafür, dass diese Amphore weit über 2000 Jahre alt ist. Sie wird einen Ehrenplatz in meinem Wohnzimmer bekommen.“ Zu Elvis gewandt fügte er hinzu: „Und du passt in Zukunft besser auf, wenn du deinen Rentenanspruch nicht verlieren willst!“

 „Und wenn die Amphore eine Fälschung ist? Du kannst doch die Schrift gar nicht lesen, Onkel Franz“, fragte Marc.

„Daran habe ich natürlich auch gedacht, deshalb ließ ich mir den Text vom Händler übersetzen, denn er hat mir gesagt, dass er Experte für altgriechische Texte ist. Hier lies mal vor.“ Er drückte Kerstin einen kleinen gefalteten Zettel in die Hand.

Kerstin faltete das Papier auf und las laut vor: „Zu Ehren von Panionios, dem Sklavenhändler, für die Aufbewahrung von Olivenöl des Ölbaums. Athen im Jahre 490 vor Christus.“

Schweigend bestaunten alle vier abwechselnd den kleinen Zettel mit der Übersetzung. Irgendetwas stimmte hier offensichtlich nicht. Doch was? Hätte man bloß besser in der Schule aufgepasst! Onkel Franz sah die zweifelnden Gesichter der vier und fragte erstaunt: „Was habt ihr denn? Ist irgendetwas nicht in Ordnung?“

Sandra schüttelte energisch den Kopf und sah Marcs Onkel mitleidig an. „Tut mir leid, aber ich glaube, Sie sind auf einen Schwindel hereingefallen. Für uns steht das jedenfalls buchstäblich fest.“

Frage: Warum waren sich die wilden Vier sicher, dass es sich bei der Amphore um eine Fälschung handelte?

Antwort: .nedrew tlhäzeg trubeG sutsirhC hcan erhaJ eid netrednuhrhaJ neginie ni ssad ,nessiw dnamein hcon etnnok ednewtieZ red rov erhaJ 094

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