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Der verschwundene Wein

Autor: Harald Schneider

Die drei Freunde staunten nicht schlecht, als Sandra den entscheidenden Tipp mit dem frisch gereinigten Computerraum gab.

Von der polizeilichen Untersuchung bekamen die Schüler nichts mit, da Herr Sänger darauf bestand, den Rest der Stunde in einem anderen Klassensaal abzuhalten. Der Unterricht plätscherte aber nur öde vor sich hin. Der Diebstahl blieb das Gesprächsthema Nummer eins.

Erst in der letzten Pause wurden Kerstin, Kevin, Marc und San­dra in das Büro des Schuldirektors gerufen. Dort angekommen, wartete Herr Meyer schon auf die Schüler und stellte ihnen zwei Polizisten vor, die neben seinem Schreibtisch saßen und zur Begrüßung aufstanden.

Der Größere von beiden, er schien der Chef zu sein, weil er mehr Sterne auf der Schulterklappe hatte als sein Kollege, stellte sich als Kommissar Greulich vor.

„So, ihr seid also die vier, die uns den Tipp mit der Putzkolonne gegeben haben“, sprach er mit freundlicher Stimme.

Marc wollte ihn gerade unterbrechen und die Sache richtigstellen, da mischte sich Rektor Meyer ein und deutete auf Sandra.

„Sie hat es als Erste herausgefunden. Ihre drei Gefährten sind aber auch nicht so ohne. Wir nennen sie an unserer Schule nur die ‚wilden Drei‘. Sandra ist heute den ersten Tag an unserer Schule und hat, so wie es aussieht, bereits neue Freunde gefunden.“

Herr Greulich und sein Kollege grinsten. „Aha, dann seid ihr also eine richtige Bande.“ Dann kam er auf den eigentlichen Grund des Treffens zu sprechen.

„Wir haben euch rufen lassen, weil wir für das Polizeiprotokoll eure Namen und Adressen brauchen. Außerdem wollen wir uns persönlich bei euch bedanken. Der Tipp war richtig. Der Leiter der Putztruppe hat den Diebstahl inzwischen gestanden. Vorletzte Nacht ist er mit einem Komplizen in das Schulgebäude eingedrungen. Da er, wie wir jetzt wissen, den Schlüssel besaß und in der Nacht keine Menschenseele in der Schule ist, hatte er leichtes Spiel. So konnten die beiden Halunken ohne Risiko die Computer abbauen und unerkannt entkommen.“

„Nur haben die beiden die Rechnung ohne euch gemacht“, bedankte sich auch der Rektor und schüttelte den Schülern die Hände. „Die Schule ist euch zu großem Dank verpflichtet.“

Mit diesen Worten verabschiedete Herr Meyer die vier. Die nächste Schulstunde hatte gerade begonnen und sie mussten sich mächtig beeilen, damit sie nicht allzu spät kamen.

Nach Schulschluss standen die Helden des Tages im Schulhof beisammen und unterhielten sich über die Erlebnisse des vergangenen Vormittags.

Kerstin und Kevin wollten ihre neue Schulkameradin in das Clubzimmer der wilden Drei einladen, aber sie sagte traurig ab. „Ich habe heute Mittag keine Zeit. Ich muss jede Menge Umzugskartons ausräumen und mein Zimmer einrichten. Die letzte Nacht habe ich auf einer Luftmatratze verbringen müssen.“

„Schade“, meinte Marc. „Aber in den nächsten Tagen wird es bestimmt klappen. Du willst doch unseren Clubraum sehen, oder?“

Sandra, die sich mit der Gruppe inzwischen recht gut verstand, hatte plötzlich eine sagenhafte Idee. „Wie wäre es, ihr kommt nachher einfach zu mir nach Hause? Dann geht es mit dem Zimmer einrichten schneller und es wird bestimmt auch viel lustiger.“

Die wilden Drei, die sehr neugierig auf ihre Schulkameradin waren, sagten sofort erfreut zu. Das ist eine tolle Gelegenheit, mehr über ihre Schulfreundin zu erfahren.

Punkt 15 Uhr standen Kevin, Kerstin und Marc vor dem Reihenhaus, in dem nun Sandra mit ihren Eltern wohnte. Sie drückten auf den frisch beschrifteten Klingelknopf der Familie Meier. Sandras Mutter öffnete kurz darauf die Tür. Sie gab jedem die Hand und schüttelte sie kräftig.

„Hallo, ihr seid also Sandras neue Freunde? Sie hat mir schon erzählt, dass es bei euch gleich am ersten Schultag richtig spannend wurde und ihr der Polizei geholfen habt. Geht nur die Treppe rauf und dann geradeaus durch, Sandra ist in ihrem Zimmer und wartet auf euch.“

Die Kameraden schauten sich verwundert an und gingen die Stufen hinauf. Als die drei ins Zimmer kamen, saß Sandra mitten auf dem Boden und sortierte Bücher, die vor ihr auf dem Teppich lagen. Das Zimmer machte einen trostlosen Eindruck. Der Kleiderschrank war bereits aufgebaut. Das Bett stand aber noch in seine Einzelteile zerlegt in einer Ecke. Überall standen leere und volle Umzugskartons verstreut in der Gegend herum.

„Hi, super, dass ihr gekommen seid. Sucht euch einen Platz auf dem Teppich. Leider sind noch keine Stühle da.“ Kevin und Kerstin setzten sich auf den Boden, während Marc neugierig fragte: „Warum hast du deiner Mutter gesagt, dass wir der Polizei geholfen haben? Das war doch ganz allein dein Verdienst, oder?“

Es beeindruckte die drei sehr, als sie ganz gelassen antwortete: „Nein. Ohne euch wäre ich gar nicht mit dabei gewesen. Es war also Teamarbeit. Nur zusammen konnten wir den Fall lösen.“

Plötzlich stieß Kerstin einen überraschten Pfiff aus, als sie sah, wie Sandra ein ziemlich dickes Buch aus einem Karton holte.

„Wow, eine Sherlock Holmes-Gesamtausgabe. So eine hatte ich mir mal aus der Bibliothek geliehen!“ „Ich bin ein großer Fan von allem, was mit Detektiven zu tun hat. Besonders gern mag ich Sherlock Holmes und Dr. Watson“, sagte Sandra erfreut.

„In diesem Karton sind noch mehr Detektivbücher. Wenn du willst, leihe ich sie dir mal aus. Irgendwo muss auch mein ‚Detektivbüro‘ stecken. Das habe ich letztes Jahr zu Weihnachten bekommen. Damit kann man sogar Schuhabdrücke in Gips ausgießen.“

Sie kramte in verschiedenen Umzugskisten herum, bis sie endlich das Gesuchte fand. „Da haben wir ja das gute Stück!“

Die drei Freunde bekamen vor lauter Begeisterung glasige Augen. Ihre neue Schulkameradin hatte ein hochinteressantes Hobby. Auf die Utensilien des ‚Detektivbüros‘ waren sie alle sehr gespannt. Sandra öffnete den Pappdeckel des Kastens und erklärte ihren Freunden die verschiedenen Gegenstände, die bruchsicher in Styropor verpackt waren.

„Das sind zwei verschiedene Vergrößerungsgläser, die man auch als Brenngläser benutzen kann, um Feuer zu machen. Vorausgesetzt, die Sonne scheint. Daneben liegt ein Mikroskop mit bis zu tausendfacher Vergrößerung. Damit kann man beispielsweise Menschenhaare von Tierhaaren unterscheiden.“

Kerstin, Kevin und Marc waren fasziniert von der Vielfalt des Kastens. „Was sind das für kleine rechteckige Glasscheiben und Fläschchen in dieser Ecke?“, fragte Kevin neugierig.

„Damit kann man Fingerabdrücke abnehmen. Wenn du beispielsweise auf einem Wasserglas einen Abdruck siehst, sprühst du mit dieser Flüssigkeit kurz darauf. Dann drückst du eine von den Folien auf das feuchte Wasserglas und zum Schluss kannst du die Folie auf die Glasscheibe legen und hast damit den Fingerabdruck kopiert.“

Sie wollte gerade mit der Erklärung von weiteren Geräten fortfahren, da klopfte es an der Tür und Sandras Vater kam herein. Nach einer kurzen Begrüßung wandte er sich an seine Tochter.

„Dein Bett kann ich dir leider erst später aufbauen, denn jetzt kommen gleich die zwei Arbeiter der Umzugsfirma mit ihrem Chef vorbei. Du weißt schon, wegen des verschwundenen Weins. Sobald sie wieder weg sind, gehen wir an die Arbeit, damit du diese Nacht nicht wieder auf der Luftmatratze verbringen musst.“

Kaum hatte sich die Tür hinter Herrn Meier geschlossen, fragten Marc, Kevin und Kerstin gleichzeitig: „Was ist das für eine Geschichte mit dem Wein?“

Sandra klärte ihre neuen Schulkameraden auf:

„Mein Vater sammelt wertvolle Weine. Vor dem Umzug hat er die kostbarsten Flaschen in Decken eingewickelt und sorgfältig in Umzugskartons verstaut. Die Arbeiter der Spedition haben dann die Kartons abgeholt, in den Laster getragen und schließlich in die neue Wohnung gebracht. Heute Morgen stellte mein Vater beim Auspacken fest, dass ein paar Flaschen fehlen. Daraufhin hat er den Chef der Spedition angerufen und ihn mit den beiden Arbeitern zu uns nach Hause bestellt.“

Natürlich stellten alle vier sofort ihre Vermutungen an. Wer hatte den Diebstahl begangen? Konnten sie vielleicht bei der Lösung des Falles helfen? Während sie lebhaft Spekulationen anstellten, hörten sie die Haustürklingel läuten. Sie schauten zu Sandra und warteten gespannt auf ihre Reaktion.

„Kommt, das müssen wir uns mit anhören, das wird bestimmt interessant!“, sagte sie zu ihren Freunden und stand auf. Als die vier die Treppe runterkamen, stellte sich gerade der Chef der Spedition vor.

„Grabowski, guten Tag. Das hier sind meine Mitarbeiter Herr Schwind und Herr Ritter. Aber die kennen sie ja bereits. Ich kann ihnen nur sagen, dass ich für beide Männer meine Hand ins Feuer lege. Bisher ist bei uns in der Firma noch nie etwas weggekommen. Meine Mitarbeiter haben mein vollstes Vertrauen.“

„Immer schön der Reihe nach“, unterbrach Herr Meier den Redefluss des Geschäftsführers. „Setzen wir uns erst einmal.“ Sie gingen gemeinsam ins Wohnzimmer.

Zunächst wandte sich Sandras Vater an Herrn Schwind und Herrn Ritter. „Ich habe vor dem Umzug wertvollen Wein in insgesamt sechs Umzugskartons gepackt und als ich heute Morgen nachschaute, fehlten in einem Karton fünf Flaschen.“

Herr Ritter konnte sich nicht mehr zurückhalten und verteidigte sich. „Ich habe mindestens zwei der Kartons in den Umzugswagen getragen. Das weiß ich noch genau, weil ich die Aufschrift ‚Vorsicht Flaschen‘ auf den Kartons gelesen habe. Die Kartons haben allerdings kurze Zeit alleine auf dem Gehweg vor dem Laster gestanden. Aber ich glaube kaum, dass da jemand was mitnehmen konnte, zumal mein Kollege und ich nie längere Zeit im Haus waren. Wer die Kartons dann allerdings in die neue Wohnung getragen hat, weiß ich nicht mehr. Möglich, dass ich es war, aber ich kann mich nicht daran erinnern, die Aufkleber gesehen zu haben. Man achtet da auch nicht immer drauf.“

Der zweite Mitarbeiter, Herr Schwind, reagierte etwas Ungehaltener.

„Schweinerei, uns den Diebstahl vorzuwerfen! Wir interessieren uns nie für den Inhalt der Umzugskisten und schon gar nicht für Ihre blöden Flaschen mit der 82er Spätlese. Ich habe keine Ahnung, welche Kartons ich in Ihre Wohnung geschleppt habe. Es waren schließlich auch eine ganze Menge Kartons. Da ist es doch klar, dass man sich nicht alle Kartons merken kann. Nein, ich finde es ganz und gar nicht in Ordnung, dass unbescholtene Arbeiter als Diebe gebrandmarkt werden sollen.“

„Sie sehen“, fiel ihm Herr Grabowski ins Wort, „von meinen Leuten kann es keiner gewesen sein. Ich selbst kam erst später hinzu, da ich vorher einen Arzttermin hatte. Zu diesem Zeitpunkt waren fast alle Kartons bereits ins Haus gebracht worden. Mir selbst fielen keine Aufkleber auf. Ich weiß also nicht, was von dem Umzugsgut noch im Laster stand.“

Die vier Schulkameraden schauten sich grinsend an und nickten sich gegenseitig vielsagend zu. Allen war etwas ganz Entscheidendes an der Aussage einer der Männer aufgefallen. Für sie stand der Dieb fest.

Frage: Wer hat die Flaschen gestohlen? Wodurch hat er sich eindeutig verraten?

Antwort: .nebeguz lhatsbeiD ned re etssum ,teirrev gituednie os hcis dniwhcS rreH aD .nettah tvraltne neseid nehcildneguJ eid sla ,nessaltne soltsirf trofos dniwhcS nrreH tah snemhenretnutropsnarT sed fehC reD .gnunhciezeB euaneg eniek reba ,?nehcsalF thcisroV? run dnats snotraksguzmU ned na nrebelkfuA ned fuA .tlekciwegnie nekceD ni medreßua neraw dnu snotraksguzmU ned ni hcis nednafeb nehcsalF eiD ?etlednah eseltäpS re28 mu nieW nenelhotseg med ieb hcis se ssad ,nessiw re etnnok eiW .beiD red raw dniwhcS rreH