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Überraschung

Autor: Harald Schneider

Sandras Geistesblitz war einleuchtend. Der Kriechkeller war zwar auch am Rand ziemlich feucht und roch genauso muffig wie im Innern des Irrgartens, die Kameraden verloren aber kein Wort über die ungemütliche Umgebung. Tapfer kämpften sich alle vier durch das niedrige Gewölbe.

Marc hatte die Führung übernommen und leuchtete den Weg. Kevin ließ den Mädchen den Vortritt und folgte der Gruppe als Schlusslicht. Er hatte die zweite Taschenlampe an sich genommen.

Im Prinzip war es ganz einfach, der Mauer zu folgen. Mit ihrer neuen Taktik erreichten sie sehr bald eine Ecke des unterirdischen Labyrinths.

„Jetzt haben wir es bald geschafft!“, machte Kerstin den anderen Mut.

„Marc, wo bist du eigentlich reingekommen?“

„Im Keller des Hauptgebäudes neben dem Fotolabor. Dort sind die Stromverteiler. Das ist zwar nicht die kürzeste Entfernung zu eurem Gefängnis gewesen, das Schulhaus war aber geöffnet.“

„Ich denke, wir sollten jetzt den erstbesten Ausgang nehmen, den wir finden können. Und das wird das alte Schulhaus vor dem Hauptgebäude sein“, empfahl Sandra. „Vorausgesetzt, es gibt einen Zugang.“

Kevin grinste: „Klar gibt es einen, wir müssen nur die Luke finden. Aus dem Schulhaus kommen wir bestimmt irgendwie raus. Ich habe doch meine Dietriche im Rucksack.“

Die Schulkameraden waren froh und atmeten erleichtert auf, als sie nach einiger Zeit eine der heiß ersehnten Luken entdeckten. Auch hier kamen direkt nebenan etliche Wasserrohre und Stromleitungen aus der Wand. Marc, der als Erster den Ausgang erreichte, wartete nicht auf die anderen, sondern drückte sofort den kleinen Hebel nach unten. Auch diese Tür ließ sich leicht öffnen, von Rost war keine Spur zu sehen.

In der Zwischenzeit waren auch die anderen zu ihm aufgerückt und zwei Taschenlampen leuchteten durch die geöffnete Tür in den Schulkeller. „Mann, da stehen lauter alte Schulbänke und Stühle herum.“

„Klar, das ist das Lager unserer Schule. Das alte Schulhaus hat keine Klassenräume im Keller. Da ist immer abgeschlossen“, erklärte Kevin den anderen.

Tatsächlich wurde der Raum bereits seit Jahren dazu genutzt, um altes Klassenzimmermobiliar zu lagern. Normalerweise hätten die alten Stühle und Tische längst auf den Sperrmüll gehört, doch Hausmeister Lampe hatte eine Vorliebe für gebrauchte Sachen und konnte sich nicht von ihnen trennen. Aus diesem Grund hatte er sämtliche ausrangierten Möbel, die irgendwann durch neue ersetzt wurden, in diesem Raum untergebracht.

Die wilden Vier schauten sich weiter um. Direkt unterhalb der Luke sahen sie eine einzelne Schulbank stehen. Es war ein ganz altes Modell, das noch Einkerbungen für Tintenfässer und Schreibgriffel besaß. Kevin rutsche mit den Beinen voran durch die Luke, bis er nur noch mit den Händen am Rahmen des Ausstiegs hing. Dann sprang er den letzen halben Meter auf die Bank. Alles klappte prima.

Daraufhin folgten ihm der Reihe nach seine Freunde. Kevin half den Mädchen mit einer Räuberleiter, in dem er seine Hände zusammenfaltete, damit sie draufsteigen konnten. So konnten sie sicher und bequem auf der Schulbank landen.

Total verschmutzt aber glücklich standen sie nun im Möbellager von Herrn Lampe. Für eine Besichtigung des Inventars blieb ihnen keine Zeit und Lust hatten sie im Moment auch nicht dazu. Die Ganoven waren wichtiger und die Zeit drängte! Die Gauner mussten so schnell wie möglich gefasst werden!

Die Tür zum Kellerflur stand weit offen und so kamen sie ohne Probleme ins Treppenhaus, das hoch zum Erdgeschoss führte. Auf der obersten Treppenstufe angekommen, versperrte ein Portal mit Milchglasfüllung den Weg ins Freie. Kevin hantierte zunächst siegesgewiss mit seinem Bündel Dietriche an dem Schlüsselloch herum. Doch bereits nach wenigen Handbewegungen begann er rot anzulaufen, vor Wut zu schnauben und laut zu fluchen:

„Verdammt noch mal, da kommen wir nicht raus. Auf der anderen Seite steckt ein Schlüssel. Und mit dem Dietrich kann ich ihn nicht herausstoßen!“

Zornig stampfte er mit seinem rechten Fuß auf. Ungläubig schauten die anderen ihren Freund an. So nah am Ziel und doch so weit entfernt! Was sollten sie jetzt machen? Wie kommen sie bloß raus?

Kevin hatte sich nach seinem Wutanfall schnell wieder gefasst und präsentierte den anderen überraschend eine neue Lösung. „Kommt mit!“, befahl er seinen Freunden, die ihm gehorsam nach unten in Richtung Keller folgten.

Das Treppenhaus mit der U-förmig gewendelten Treppe besaß auf halben Weg ein Podest. Ein ziemlich großes Fenster mit schweren Holzrahmen befand sich direkt hinter dem Treppengeländer. Es sorgte für ausreichendes Tageslicht im Treppenhaus. Dahinter befand sich ein offener Lichtschacht, der im Vorgarten der Schule mündete.

„Jetzt drückt mal alle fest die Daumen, dass sich wenigstens das Fenster öffnen lässt.“

Tatsächlich konnten sie das Fenster trotz seiner Größe problemlos öffnen. Mühelos schafften es die vier, über das Geländer in den Schacht zu kriechen. Es dauerte nur ein oder zwei Minuten, bis die Kameraden zwischen den dornigen Hecken im Vorgarten ihrer Schule herausgeschlichen kamen.

Da standen sie nun: Völlig erschöpft und schmutzig von Kopf bis Fuß. Sie überlegten, ob sie gleich zur Polizei laufen sollten. Aber ihre Neugier war größer. Außerdem vermuteten sie, dass die Polizei inzwischen durch Marcs Onkel Bescheid wusste und die Ganoven vielleicht längst festgenommen waren. Das musste auf jeden Fall geklärt werden. Sie liefen so schnell sie konnten am Schulhaus vorbei, um zu dem geheimnisvollen Gelände mit dem alten Gebäude zu gelangen.

Ein paar Passanten, denen sie unterwegs begegneten, schüttelten verständnislos den Kopf. Die wilden Vier sahen aber auch tatsächlich verboten aus.

Es war nur ein Katzensprung, dann standen sie vor dem großen Hoftor mit den kunstvollen Ornamenten. Es war nur angelehnt. Sie öffneten es einen Spaltbreit, um in den Hof schauen zu können, Von diesem Ort konnten sie den Transporter der Gauner vor dem Haus stehen sehen. Von der Polizei oder sonst jemand, der helfen konnte, fehlte jedoch jede Spur.

„Was machen wir jetzt?“, fragte Kerstin die anderen, während sie mit einem kleinen Holzstückchen einen Lehmklumpen an ihrem Schuh entfernte. Kevin war ganz aufgeregt und hektisch. Er antwortete wie aus der Pistole geschossen:

„Ist doch klar. Wir schleichen rein und belauschen die Gauner. Wir müssen bloß aufpassen, dass wir mitkriegen, wann der Boss dieser Bande anrückt.“

Kerstin erwiderte kopfschüttelnd: „Mensch, das ist viel zu gefährlich. Am Schluss nehmen uns die Halunken erneut gefangen und wir landen ein zweites Mal in dem stickigen Keller. So gut hat es mir da unten nun auch wieder nicht gefallen.“

Stirnrunzelnd überlegte sie einen Moment. „Oder wir machen es so: Marc bleibt hier draußen und steht Schmiere. Die Schurken kennen ihn schließlich nicht. Wenn etwas schief geht, kann er die Polizei verständigen. Diesmal aber persönlich. Das mit Elvis hat ja irgendwie nicht so geklappt!“

Sandra und Kevin nickten zustimmend über die akzeptable Idee mit der Vorsichtsmaßnahme. Nur Marc maulte vor sich hin und versuchte, den Dalmatiner zu verteidigen. Er wollte dabei sein, wenn seine Freunde loszogen, um die Gauner zu belauschen. Die anderen konnten ihn aber schließlich davon überzeugen, da immerhin ihre Sicherheit auf dem Spiel stand.

Gereizt und schlecht gelaunt bezog er einige Meter von dem Hoftor entfernt seinen Posten.

Seine Kameraden schlichen behutsam und sehr vorsichtig auf das Gelände. Die vorhandenen Nebengebäude nutzten sie geschickt zur Deckung. Lautlos kamen sie bald darauf hinter dem Haus an. Ohne ein Wort reden zu müssen, schielten die drei abwechselnd durch das Fenster, hinter dem sie die Halunken vermuteten.

Und tatsächlich, sie konnten das Gespräch in den Büroräumen belauschen. Die Stimmen waren deutlich zu verstehen. Zuerst unterhielten sich die Gauner über irgendwelche uninteressanten Dinge, doch auf einmal wurde es richtig spannend.

„Die zwei Stunden sind schon längst vorbei. Langsam könnte der Boss endlich auftauchen“, konnten sie einen der Männer deutlich sagen hören.

„Ja, es wird Zeit. Die Kisten haben wir längst in die Scheune geschleppt. Da stehen sie gut bis zum nächsten Mittwoch. Wo steht eigentlich die Truhe mit den Uhren?“, unterbrach die Frau das Gespräch ihrer beiden Komplizen.

Karl schien völlig überrascht zu sein, dann wurde er ganz verlegen: „Mist, das habe ich ganz vergessen. Die Kiste steht noch immer im Keller!“

„Was? Bist du völlig übergeschnappt? Wie kann so etwas nur passieren? Bin ich denn nur von Idioten umgeben? Geh’ sofort runter und hole diese verdammte Truhe hoch. Hoffentlich haben die Kinder die Uhren noch nicht entdeckt!“, schimpfte die Frau aufgebracht und ihre Stimme schien sich dabei fast zu überschlagen.

Die drei, die immer noch angestrengt vor dem Fenster lauschten, konnten einige Minuten nichts hören, bis sie eine aufgeregte Männerstimme vernehmen konnten. „Die Kinder sind fort! Einfach weg! Spurlos verschwunden!“

„Spinnst du? Wo sollen die denn hingegangen sein? Die können sich doch nicht in Luft aufgelöst haben. Um in den Keller zu kommen, gibt es nur diesen Zugang, und der war die ganze Zeit verschlossen. Sind die Uhren wenigstens noch da?“

„Ja, die haben die Uhren aber entdeckt. Die Kinder haben die Truhe aufgebrochen, die Armbanduhren liegen zum Glück noch drin. Doch das ist im Moment völlig unwichtig. Ich kann die drei nirgendwo finden!“

„Muss man hier alles selber machen!“, hörte man die Frau schimpfen. „Kommt mit mir in den Keller, wir suchen sie gemeinsam. Die haben sich bestimmt in einem Schrank oder hinter dem Gerümpel versteckt.“

Kerstin wagte es, ihren Kopf ein wenig zu heben, um besser durch das Fenster schauen zu können. Sie sah, wie die ganze Ganoven-Clique durch die Kellertür verschwand.

„Schnell, kommt. Die sperren wir im Keller ein!“, flüsterte sie und rannte los, um möglichst schnell in das Haus zu gelangen.

Sandra und Kevin reagierten sofort und folgten ihr so schnell es ging. Die Gelegenheit war günstig. Als sie an der Kellertüre angekommen waren, hörten sie die tiefen Stimmen der Ganoven, wie sie laut und zornig schimpfend das ehemalige Gefängnis der drei Freunde absuchten.

Kerstin grinste ihre beiden Freunde an und sagte: „Wartet eine Sekunde. Die Gauner haben noch eine kleine Abreibung verdient.“ Mit diesen Worten verschwand sie auf der Kellertreppe. 

Ihre beiden Kameraden erschraken und wollten sie zurückhalten, doch da sahen sie, wie ihre Freundin auf einen Schalter an der Kellerwand drückte. Das Licht im Keller ging aus. Im gleichen Moment kam Kerstin zurück und zog die Tür zu. Unerwartet öffnete sie die Kellertür erneut einen Spaltbreit und schrie kraftvoll „Überraschung!“ in den dunklen Keller, bevor sie den Zugang endgültig zusperrte.

„Mensch, sind die blöd!“, triumphierte Kevin und hielt das geöffnete Vorhängeschloss in der Hand, das er auf einem Tisch neben der Treppe gefunden hatte. Voller Schadenfreude versperrte er damit den Gangstern den Ausgang aus ihrem Verlies.

„So, das hätten wir geschafft. Jetzt können wir in Ruhe die Polizei verständigen. Ich denke nicht, dass die da unten den Zugang zum Kriechkeller entdecken werden.“

Sandra trat nervös von einem Bein aufs andere. „Am liebsten würde ich noch wissen wollen, was sich in den Kisten in der Scheune befindet.“

„Du hast recht. Das geht ja auch schnell!“

Neugierig verließen die jugendlichen Helden das Haus, um zur Scheune zu laufen. „Sollen wir Marc vorher Bescheid sagen?“, fragte Sandra ihre Kameraden.

„Nee, lass mal. Wir müssen schließlich nach wie vor höllisch aufpassen. Der Gangsterboss kann jederzeit auftauchen.“

Als sie im Schuppen ankamen, sahen sie ein vertrautes Bild. Neue Kartons waren auf den Holzpaletten gestapelt und standen an der gleichen Stelle wie neulich. Kevin ging auf die Paletten zu. Er hatte sein Klapptaschenmesser in der Hand und stach damit in die dicke Folie, mit der die Kisten verpackt waren. Er musste sich ziemlich anstrengen, um die Hülle weit genug aufzuschlitzen, damit er die Pakete öffnen konnte. Zum Glück waren die nicht auch noch verklebt, sondern ließen sich einfach aufklappen.

„Kleider!“, bemerkte Kevin überrascht, als er in den ersten geöffneten Behälter schauen konnte. „Das verstehe ich nicht. Da muss doch irgendwas Wertvolleres versteckt sein. Die Kleider wurden bestimmt zur Tarnung oben draufgelegt.“

Er leerte die komplette Kiste aus, fand aber außer den Kleidungsstücken nichts anderes. Kevin gab so schnell nicht auf. Er öffnete weitere Kisten, jedes Mal mit dem gleichen Ergebnis. Kevin verstand die Welt nicht mehr.

Kerstin hatte die Aktion neugierig beobachtet. Sie untersuchte die verstreut liegende Kleidung. Es handelte sich vor allem um Herrenanzüge, aber auch T-Shirts und Pullover waren darunter. „Du kannst aufhören, Kevin, du wirst keine anderen Sachen mehr finden. Ich kann dir genau sagen, was die Ganoven mit der Kleidung vorhaben!“

Sandra und Kevin blickten sie überrascht an. „Nun sag schon, was soll das Ganze mit den Bergen von Klamotten?“

„Schaut euch die Sachen mal genauer an. Ich bin zwar kein Experte, bin mir aber sicher, dass es sich um wertvolle Designerware handelt. Aber keine echte, sondern gefälschte. Die Klamotten sind wahrscheinlich irgendwo im Ausland billig kopiert worden und sollen jetzt bei uns eingeschmuggelt werden.“

Sandra wollte sie unterbrechen, doch Kerstin fuhr mit ihren Erklärungen fort: „Mit den Armbanduhren, die im Keller liegen, wird es genauso sein. Billige Kopien sollen als Markenuhren teuer verkauft werden. Ein Riesengeschäft für Betrüger. Und hier lagern sie die Ware, bis sie zum Händler gebracht wird.“

„Das ist ja ein Ding!“, Kevin war ganz verblüfft. „Dann lasst uns mal ruckzuck zur Polizei gehen. Das wird eine schöne Überraschung geben!“

Sie machten sich auf den Weg und waren gerade dabei die Scheunentür zu öffnen, da stand unvermittelt ein Mann vor ihnen. Er war ungewöhnlich groß, mindestens 1,90 Meter und sehr breitschultrig. Seine langen schwarzen Haare, die mit viel Gel bearbeitet waren, hatte er zu einem Zopf zusammengebunden. Auf der rechten Wange konnte man eine lange Narbe erkennen. Sein dunkler Anzug ließ ihn gefährlich wirken. Genauso wie sein furchteinflößender Blick. Doch das war nicht das einzige Problem der Kameraden. Der Mann hielt eine Pistole in der Hand, die auf sie gerichtet war.

„Was haben wir da für liebe kleine Kindlein?“, fragte er kalt lächelnd. „Ich habe gedacht, ihr habt es euch im Keller gemütlich gemacht? Haben die Waschlappen nicht richtig aufgepasst und euch entwischen lassen? Na, denen werde ich mal gehörig was erzählen!“

Die drei blieben wie versteinert stehen. Damit hatten sie auf keinen Fall gerechnet. Wo war Marc? Warum hatte er sie nicht gewarnt? War er wenigstens in Sicherheit? Sie brauchten einige Zeit, um sich wieder zu fassen.

„Na, hat es euch die Sprache verschlagen?“, fauchte der Mann, dessen Pistole immer noch auf sie gerichtet war. „Erzählt mir lieber gleich, was passiert ist. Wo sind meine Kumpels?“

Als der Gaunerboss bemerkte, dass er auf diese Weise nicht weiterkam, wurde er noch wütender. „Ihr habt einen gewaltigen Dickschädel, was? Okay, dann gehen wir gemeinsam rüber ins Haus und schauen uns an, was dort los ist. Aber immer schön langsam und vorsichtig. Ich denke ihr wisst, was ich da in der Hand halte.“

Um seine Worte zu unterstreichen, winkte er mit der Waffe in Richtung Haus. Sandra, Kerstin und Kevin hatten keine andere Wahl. Sie mussten der Aufforderung des Gangsters folgen und in Richtung Bürogebäude gehen. Hinter dem Transporter konnten die drei das Auto des Mannes stehen sehen. Es war ein weißes Cabriolet mit schwarzem Verdeck.

Kaum waren sie über die Türschwelle des Hauses getreten, da rief der Boss lautstark nach seinen Kumpanen. „Karl, Andrea, wo seid ihr? Was ist hier los?“

Ein wildes dumpfes Klopfen war zu hören. Zunächst konnte der Ganovenchef damit nicht viel anfangen. Er kommandierte die Kinder mit seiner Waffe durch die Räume, bis sie vor der Kellertür angelangt waren. Nun war ihm klar, was das Klopfen zu bedeuten hatte. Durch die Tür hörte er eine gedämpfte Stimme: „Mach auf. Jemand hat uns im Keller eingesperrt!“

„Dann rückt mal sofort den Schlüssel raus“, befahl der große Mann den Jugendlichen. Als die drei nicht reagierten, fuchtelte der Mann bedrohlich mit der Waffe in der Hand. Die drei erschraken. Kevin, berühmt für seine Einfälle, antwortete dem Gauner: „Den haben wir nicht mehr. Ich habe den Schlüssel in der Scheune weggeworfen!“

Der Gauner sah ihn misstrauisch an und zögerte einen Moment. Dann nahm er ihm die Geschichte ab. Wütend fluchte er vor sich hin. „Ich wusste es. Immer wenn Kinder im Spiel sind, geht irgendetwas schief. Aber ihr funkt uns garantiert nicht mehr dazwischen.“

Mit der Pistole in der Hand forderte er sie auf, ein Stück nach hinten zu gehen. Fliehen konnten die drei nicht, da der Mann den einzigen Ausgang des Büros mit seinem breiten Körper versperrte. „Ihr da unten, könnt ihr mich verstehen?“, schrie er mit einem Blick zur Kellertüre.

„Ja, Chef, es ist zwar etwas undeutlich, aber wir hören dich. Die Kinder müssen uns entkommen sein! Hast du sie gesehen?“

„Ihr Pfeifen, selbstverständlich habe ich die Rotzlöffel erwischt. Ich bin ja nicht so blöd wie ihr und lasse mich von drei Kindern verladen! Geht mal ein bisschen aus dem Weg, ich versuche, die Tür einzutreten!“

Der Schmugglerboss stellte sich ungefähr einen Meter vor der Tür in Position und holte mehrmals tief Luft. Dann hob er sein rechtes Bein, presste mit einem lauten Schrei die Luft aus seinem Brustkorb und trat mit der flachen Schuhsohle mit voller Wucht gegen das Türblatt. Die Tür gab sofort nach, das Holz splitterte und es krachte fürchterlich. Der Mann musste ein zweites und ein drittes Mal treten, bis die Tür endlich nachgab und fast komplett die Treppe runterpolterte.

Gleich darauf kamen die eben noch eingesperrten Gauner die Treppe hoch gerannt. „Wo hast du die Kids aufgegabelt, Boss?“, sprach Andrea ihren Chef an.

„Erzählt mir lieber, was ihr da unten gemacht habt! Karl hat mir am Telefon gesagt, dass ihr die Kinder im Keller eingesperrt habt. Dann komme ich hierher und sehe sie in der Scheune fröhlich herumspringen. Und damit nicht genug. Sie haben ein paar der Kisten geöffnet und die gesamte Ware entdeckt!“

„Wir wissen selbst nicht, wie das passieren konnte“, entgegnete Karl. „Ich wollte nur die Truhe mit den Uhren im Keller holen, da habe ich entdeckt, dass die Kinder auf einmal verschwunden waren. Oben war die ganze Zeit das Vorhängeschloss eingeschnappt. Und wir saßen direkt vor der Tür in diesem Büro.“

„Na, ist jetzt auch egal“, winkte der Gaunerboss sichtlich verärgert ab. „Hauptsache, wir haben die Ausreißer zurück. Und diesmal sorge ich persönlich dafür, dass sie nicht erneut verschwinden können. Jetzt werft sie erst mal wieder in den Keller und bewacht die Treppe, ich werde sie aber vorher höchstpersönlich fesseln.“

Karl und sein Kollege waren gerade dabei, den Befehl auszuführen, sie hielten die drei Freunde bereits an ihren Armen fest, damit der Boss sie fesseln konnte, da hörten sie hinter sich eine fremde Stimme ertönen:

„Ich würde das an eurer Stelle sein lassen!“ Alle blickten erstaunt in Richtung Eingang. Dort standen mehrere Polizisten mit gezückten Waffen in den Händen.

Völlig verblüfft ließ der Gaunerchef seine Pistole fallen und starrte die Gesetzeshüter fassungslos an. Die Ganoven waren noch mehr erstaunt, als hinter den Polizeibeamten ein weiterer Junge zum Vorschein kam.

„Das sind die Gauner, Herr Kommissar Greulich. Die haben meine Freunde im Keller eingesperrt. Und ich habe sie befreit!“, rief Marc erregt, und seine zittrige Stimme überschlug sich dabei.

„Immer langsam, mein Freund“, beruhigte der Angesprochene den jugendlichen Held. „Erst müssen wir alles genau untersuchen. Wir sind eben erst angekommen.“

Und zu den Ganoven gewandt sagte er: „Was haben Sie hier zu suchen? Habe ich das richtig verstanden, Sie wollten die Kinder gerade fesseln?“

Karl und dem anderen Mann lief der Schweiß den Nacken herunter. Ihr Boss blieb jedoch cool und wirkte ruhig und gefasst. „Glauben Sie den kleinen Kindern kein Wort. Die haben immer so eine ausgeprägte Fantasie. Die Wahrheit sieht ganz anders aus. Wir sind mit unseren beiden Autos nur zufällig vorbeigekommen. Wir waren unterwegs nach Frankfurt. Unser Transporter machte gleich zu Beginn der Fahrt ein paar Mucken, sodass wir eine Werkstatt suchen wollten. Auf diesem Gelände hatten wir eine vermutet, deshalb sind wir mit unseren Autos hier reingefahren.“

Der Gangster holte tief Luft und erzählte weiter. „Wir haben gleich bemerkt, dass wir uns geirrt haben und wollten gerade wieder wenden, da sahen wir die Kinder herumspringen. Wir wollten nachschauen, was los ist und wurden dann in diesem Büro von den Gören beleidigt. Wir wollten sie nur etwas erschrecken. Im selben Moment sind Sie und Ihre Kollegen gekommen. Es tut uns ja auch sehr leid, aber wir haben wirklich nichts Böses mit den Kindern im Schilde geführt.“

Kevin, Kerstin und Sandra sahen sich ruhig an. Solch eine Lügengeschichte hatten sie nicht mehr gehört, seit sie in der Schule über Baron Münchhausen gesprochen hatten. Sie blickten gespannt zu Kommissar Greulich, um auf seine Reaktion zu warten. Er lächelte den Dreien ermutigend zu und beruhigte sie damit.

„Gehen wir erstmal alle miteinander in den Hof, dann sehen wir weiter“, sagte Herr Greulich und ließ den Ganoven, die von den anderen Beamten scharf bewacht wurden, den Vortritt.

Im Hof befanden sich neben dem Transporter der Schmuggler und dem Auto des Bandenbosses mehrere Polizeifahrzeuge. Sogar ein Krankenwagen stand für eventuelle Notfälle bereit.

„Das sind also die beiden Wagen, mit denen sie eben hier angekommen sind. Schauen wir uns zuerst einmal den Transporter an.“

Mit diesen Worten öffnete der Kommissar die große Heckklappe des Kleinlasters. Er war leer. Nur ein paar Folienreste lagen wild verstreut auf dem Boden des Wagens.

Sandra konnte sich nicht mehr zurückhalten. „Die Kartons mit den Designerklamotten stehen in der Scheune!“

Mit ihrer linken Hand deutete sie in die entsprechende Richtung. „Und im Keller des Hauses, in dem wir eingesperrt waren, steht eine Kiste, die bis zum Rand mit Armbanduhren gefüllt ist.“

Die Ganoven zuckten zusammen. Nur ihr Boss blieb weiterhin cool und erwiderte: „Pah, was gehen uns die Kisten an. Das hat mit uns nichts zu tun. Wer weiß, wem die gehören. Wie gesagt, Herr Kommissar, wir sind erst vor fünf Minuten mit unseren beiden Wagen hier angekommen.“

Jetzt war es Kevin, dem die Geduld platzte. „Die lügen wie gedruckt. Ich kann eindeutig beweisen, dass der Transporter schon seit Stunden im Hof steht!“

Frage: Wie konnte Kevin beweisen, dass der Transporter schon längere Zeit im Hof stand?

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