Toilettenschild

Eine unru­hi­ge Nacht

Autor: Harald Schneider

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Im letz­ten September mach­te unse­re Klasse einen fünf­tä­gi­gen Ausflug nach München. Es war für uns alle ein beson­de­res Erlebnis, an das wir lan­ge und ger­ne zurück den­ken wer­den. Wir fuh­ren zum Bavaria Filmstudio, besuch­ten das Deutsche Museum und besuch­ten die Gemäldeausstellung in der neu­en Pinakothek. Doch das Beste kam erst noch.

Wir quar­tier­ten uns im Haus der Jugend ein. Es bestand aus einem rie­si­gen Komplex mit unzäh­li­gen Gästezimmern. Im Keller befand sich sogar eine eige­ne Diskothek. Unsere Klasse war in Mehrbettzimmern untergebracht.

Die Lehrer, Herr Neumann und Herr Sänger hat­ten zusam­men eine eige­ne Unterkunft am Ende des lan­gen Flures bezo­gen. Ihr Zimmer befand sich in unmit­tel­ba­rer Nähe der Waschräume und Toiletten.

Es war ein spon­ta­ner Einfall von mir, als wir am drit­ten Tag ein paar Stunden allei­ne durch die Fußgängerzone Münchens streif­ten. Vor einem Schildergeschäft hielt ich plötz­lich und ohne Vorwarnung an und sagte:

„Da müs­sen wir unbe­dingt rein.“

Meine Freundinnen hat­ten kei­ne Ahnung, was das Ganze zu bedeu­ten hat­te, den­noch folg­ten sie mir in den Laden. Ich such­te lan­ge in einem Regal, in dem unzäh­li­ge ver­schie­de­ne klei­ne Schilder lagen. Schließlich wähl­te ich zwei aus, deren Rückseiten selbst­kle­bend waren.

Meine Freundinnen frag­ten mich nach dem Grund, aber ich ver­riet es ihnen nicht, wozu ich die­se Dinger benö­tig­te. Sie ver­such­ten den gan­zen Tag etwas über mein Geheimnis in Erfahrung zu brin­gen, aber ich ver­riet abso­lut nichts. Ich behielt mei­nen Plan für mich und schwieg eisern.

Spätabends, wir waren bereits auf unse­ren Zimmern und die Schilder waren längst ver­ges­sen, da for­der­te ich die ande­ren auf, mit nach drau­ßen zu kom­men. Sie wit­ter­ten zu Recht einen Streich und folg­ten mir in Richtung Flurende.

Vor der Tür unse­rer Lehrer zog ich die bei­den Klebeschilder aus mei­ner Tasche und befes­tig­te sie in Kopfhöhe vor­sich­tig auf der Tür. Fast hät­ten wir uns ver­ra­ten, weil eini­ge von uns sich nicht beherr­schen konn­ten und laut lachen muss­ten. Doch unse­re Lehrer schlie­fen wahr­schein­lich längst tief und fest. So konn­ten wir in Ruhe unser Werk betrachten.

Damen‘     und     ‚Toiletten

stand in gro­ßen Buchstaben auf den Schildern. Wir stell­ten uns bild­lich vor, was in die­ser Nacht alles pas­sie­ren könn­te. Es ging hoch her. Jedenfalls dau­er­te es sehr lan­ge, bis in unse­rem Zimmer Ruhe einkehrte.

Am nächs­ten Morgen waren wir sehr neu­gie­rig und saus­ten so schnell wie es ging aus unse­rem Zimmer, um mög­lichst unauf­fäl­lig am Lehrerzimmer vor­bei zu schlen­dern. Nichts geschah. Die Schilder waren ein­fach weg. Das war für uns alle sehr ent­täu­schend. Inzwischen hat­te sich der Streich in der gan­zen Klasse her­um­ge­spro­chen und immer mehr Klassenkameraden kamen aus ihren Zimmern und stan­den im Flur herum.

Erst beim Frühstück ver­mu­te­ten wir den Erfolg, als sich Herr Neumann und Herr Sänger völ­lig über­mü­det an unse­ren Tisch setz­ten und dau­ernd ein Gähnen unter­drü­cken muss­ten. Doch sie sag­ten kein Wort.

Das war ihre Art der Rache, da waren wir uns sicher. Sie ver­dar­ben uns damit die gan­ze Freude an unse­rem Streich.

Erst eine Woche spä­ter, nach­dem wir wie­der von unse­rer Reise zurück waren, hob Herr Neumann wäh­rend des Unterrichts plötz­lich die bei­den Schilder hoch und frag­te nach dem Eigentümer. Es brach eine rie­si­ge Lachsalve los. Da konn­te selbst Herr Neumann nicht mehr ernst bleiben.

Er erzähl­te uns, was in die­ser Nacht alles los war. Sein Kollege und er hat­ten sich gewun­dert, war­um in der Nacht lau­fend jemand in ihr Zimmer woll­te, zum Glück war es abge­schlos­sen. Doch von jedem Türrütteln und Klopfen wur­den sie wach. Erst gegen Morgen, als er selbst auf die Toilette muss­te, bemerk­te er die Schilder an der Türe.