Ratte

Ein Fabel-haf­ter Schülerstreich

Autor: Harald Schneider

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Dieser Streich war schon hart an der Grenze, zumal Direktor Meyer danach mäch­tig sau­er auf uns war. Er hat­te uns natür­lich sofort ver­däch­tigt, nach­wei­sen konn­te er uns aber nichts.

Trotzdem, wir fan­den den Streich, wie die meis­ten Lehrer auch, sehr lus­tig und schließ­lich ging dabei auch nichts kaputt.

Angefangen hat­te alles im Biologiesaal. Ein frü­he­rer Lehrer, der schon lan­ge nicht mehr an unse­rer Schule unter­rich­te­te, war neben­be­ruf­lich Jäger gewe­sen. So man­che Trophäe ließ er aus­stop­fen und in ver­schie­de­nen Vitrinen in unse­rem Biologiesaal aus­stel­len. Die ein­zel­nen Vitrinen waren wie Terrarien gestal­tet, um die Tiere in ihrer natür­li­chen Umgebung zu zeigen.

Mit der Zeit wur­de dar­aus ein klei­ner Zoo. So man­chem jün­ge­ren Schüler war der Raum unheim­lich. Einmal fiel mit­ten im Unterricht ein rie­si­ges Hirschgeweih von der Wand und knall­te nur weni­ge Zentimeter neben dem Lehrer auf den Boden.

Glücklicherweise pas­sier­te dies nicht in unse­rer Klasse, sonst hät­te es bestimmt gehei­ßen, dass wir nach­ge­hol­fen hät­ten. Doch in die­sem Fall war unse­re Klasse wirk­lich unschuldig.

Nicht ganz so unschul­dig waren wir, als ich nach dem Unterricht an einer der Vitrinen einen Schlüssel ste­cken sah. Bestimmt hat­te ihn ein Lehrer oder der Hausmeister vergessen.

Schlüssel haben schon immer eine magi­sche Anziehungskraft auf mich aus­ge­übt. Spontan beschloss ich, den Schlüssel ein paar Tage aus­zu­lei­hen. Noch hat­ten wir kei­ne Vorstellungen über einen kon­kre­ten Streich, als wir den Schlüssel vor der nächs­ten Biologiestunde an den ande­ren Vitrinen aus­pro­bier­ten. Siehe da, er pass­te an allen Terrarien.

In der gro­ßen Pause brü­te­ten wir den nächs­ten Streich aus. Es kann nicht mehr nach­voll­zo­gen wer­den, wer als ers­tes die Idee hat­te, wahr­schein­lich hat jeder von uns irgend­et­was dazu beigetragen.

Glücklicherweise war unse­re Idee nicht sehr zeit­auf­wän­dig. Wir muss­ten nur ein biss­chen basteln.

Vor der nächs­ten Biologiestunde schlu­gen wir zu. Unsere Lehrerin, Frau Böhmer, unter­rich­te­te vor der Pause bereits eine ande­re Klasse im sel­ben Saal. Daher schloss sie den Raum nicht ab. Es war für uns ein Leichtes, bereits zu Beginn der Pause in den Biologiesaal zu schlei­chen. Die Pause reich­te spie­lend für unser Vorhaben aus.

Die fol­gen­de Unterrichtsstunde war eine der Spannendsten und Lustigsten, die wir je gehabt hat­ten. Frau Böhmer bemerk­te nichts, im Gegensatz zu den ande­ren Mitschülern, die wegen der Idee ganz aus dem Häuschen waren und unter­ein­an­der Witze dar­über mach­ten. Frau Böhmer muss­te unse­re Klasse alle paar Minuten ermah­nen, etwas lei­ser zu sein. Und wir war­te­ten dar­auf, dass Frau Böhmer unse­ren Streich ent­deck­te. Doch wir wur­den enttäuscht.

Am nächs­ten Morgen zu Beginn der ers­ten Pause war es dann soweit. Wir bemerk­ten, dass die kom­plet­te Lehrerschaft auf dem Flur stand und wild dis­ku­tier­te. Direktor Meyer führ­te dann sei­ne Kollegen in den Biologiesaal. Was dar­in vor­ging, konn­ten wir lei­der nicht erkennen.

Nach und nach kamen nach einer Weile die Lehrer wie­der her­aus, man­che schüt­tel­ten ver­är­gert den Kopf, ande­re schmun­zel­ten und der Rest lachte.

Es kam, wie es kom­men muss­te. In der nächs­ten Stunde kam Direktor Meyer in unse­re Klasse. Er sag­te, dass für die­se Sauerei nur wir infra­ge kom­men könn­ten. Wir muss­ten ihm in den Biologiesaal folgen.

Dort ange­kom­men, zeig­te er wort­los auf die Vitrinen. Wir taten selbst­ver­ständ­lich über­rascht, als wir genau­er hin­schau­ten. Vor jedem Tier befand sich ein klei­nes Schild, auf dem der Name des Tieres stand. So war es jeden­falls bis ges­tern. Nun stand vor der aus­ge­stopf­ten Maus ein Schild mit dem Text “Frau Weber, Erdkunde”. Vor der Ringelnatter stand “Herr Wöllner, Sport und Deutsch”, vor dem Uhu befand sich das Schild “Frau Böhmer, Biologie”.

Für unse­ren Direktor Meyer war nur noch eine Ratte übrig­ge­blie­ben. Wahrscheinlich hat­te er sich des­we­gen so auf­ge­regt. Dabei haben wir das wirk­lich nicht per­sön­lich gemeint, son­dern die Lehrerschilder zufäl­lig verteilt.

Zugegeben haben wir den Streich bis heu­te noch nicht, auch wenn man­che Lehrer die Idee für ganz gut befanden.