Cover Die wilden Vier - Band 3

Entführt

Autor: Harald Schneider

»Na klar«, entfuhr es Kerstin. »Wie konnte uns das nur entgehen? Logisch, es gibt drei Papageien, Coleman hat aber nur zwei Stück davon an Protzig weitergegeben.«

»Er hat uns von dem dritten Vogel überhaupt nichts erzählt«, ergänzte Kevin. »Den hat er einfach verschwiegen. Das finde ich äußerst seltsam.«

Marc stand voller Tatendrang auf. »Los, auf was wartet ihr? Lasst uns zu Coleman fahren und diesen Ara suchen! Hoffentlich hat er den nicht auch verschenkt.«

Da in diesem Moment gerade die passende Straßenbahn vorfuhr, stiegen die wilden Vier ohne zu zögern ein und fuhren über den Rhein zurück nach Ludwigshafen.

»Zuerst müssen wir aber nach Hause, um unsere Fotoapparate zu holen«, hielt Sandra die anderen auf. »Schließlich brauchen wir einen Grund, um bei unserem amerikanischen Freund Freddie Coleman aufzutauchen.«

»Ob das wirklich unser Freund ist, wird sich noch zeigen«, zischte Kevin.

»Kommt, wir fahren mit dem Fahrrad nach Maudach. Dann sind wir nicht auf den Busfahrplan angewiesen und können uns das Umsteigen in der Gartenstadt sparen«, meinte Kerstin.

»Wie wär’s, wenn wir uns von Kommissar Greulich fahren lassen?«, schlug Sandra verschmitzt vor. Doch es war allen klar, dass sie das nicht im Ernst gemeint hatte.

Es war bereits Nachmittag, als die wilden Vier Richtung Maudach radelten. Marc handelte ziemlich unvernünftig, denn er hatte seinen geliebten Elvis mitgebracht, den er bei seinem Onkel Franz abgeholt hatte.

»Ich kann ihn doch unmöglich solange alleine lassen«, verteidigte er sich, als die anderen ihn darauf ansprachen. »Außerdem hat Onkel Franz im Moment so wenig Zeit, mit ihm Gassi zu gehen. Mit uns kann Elvis sich so richtig austoben.«

»Hoffentlich tobt er sich nicht an den Vögeln aus«, erwiderte Kevin. »Sonst schmeißt uns Coleman hochkantig raus. Und dann ist unser Abenteuer vorbei, bevor es richtig angefangen hat.«

Sie nahmen eine kleine Abkürzung durch den Maudacher Bruch, die für Autos nicht zugelassen war. Sie kamen gerade in dem Moment bei der Papageienzuchtstation an, als der dunkle Kastenwagen, den sie bereits von ihrem ersten Besuch kannten, aus der Hofeinfahrt herausgeschossen kam und die vier beinahe über den Haufen fuhr. Kerstin, die vorne radelte, konnte gerade noch den Lenker herumreißen.

»Was ist das denn für ein Idiot!«, schrie sie wütend. Auch der arme Dalmatiner hatte sich heftig erschrocken und kläffte aufgeregt dem davonbrausenden Wagen hinterher.

»Habt ihr gesehen, ob Coleman drinsaß?«

Marc, der von seinem Rad abgesprungen war, erwiderte außer Atem: »Durch die dunkel getönten Scheiben konnte man überhaupt nichts erkennen.«

Kopfschüttelnd schoben die wilden Vier ihre Räder durch das offenstehende Tor in den Hof hinein. Und dort wartete die nächste Überraschung auf das Team. Die ältere Frau, die sie schon das letzte Mal gesehen hatten, kam ihnen tränenüberströmt entgegengelaufen.

»Meinen Sohn, sie haben meinen Sohn entführt! Ach du lieber Himmel, sie haben meinen Freddie einfach mitgenommen. Was soll ich bloß machen?«

Sandra ließ ihr Fahrrad fallen und nahm die Frau tröstend in den Arm. »Beruhigen Sie sich erst einmal. Wir werden Ihnen helfen. Was ist denn passiert? Wer hat Ihren Sohn entführt? Kennen Sie diese Leute?«

Die Frau vergrub verzweifelt ihren Kopf in beiden Händen und weinte unaufhörlich weiter. Wahrscheinlich hat sie noch gar nicht mitbekommen, dass um sie herum jemand stand. Nach einer Weile begann sie zögernd zu sprechen. »Ich kenne die Männer nicht. Was werden die nur mit meinem Freddie machen? Ich habe ihn doch immer gewarnt!«

Sandra schaute ihre Gefährten fragend an. Was meinte die Frau damit?

»Lassen Sie uns ins Haus gehen, um die Polizei zu rufen, die wird bestimmt sofort kommen und nach den Entführern fahnden«, sagte Sandra, um Frau Coleman zu beruhigen.

»Die Polizei? Seid ihr verrückt? Die Kerle haben damit gedroht, dass ich meinen Sohn nie mehr wiedersehen werde, wenn ich die Polizei einschalte!«

»Ja aber, was haben die Entführer denn von Ihrem Sohn gewollt? Haben sie ein Lösegeld gefordert?«, wollte Kevin wissen.

Die Frau weinte wieder heftiger. Deshalb dauerte es eine Weile, bis sie antworten konnte. »Ich weiß nicht, was sie wollten. Zuerst sind sie zu meinem Sohn ins Büro gegangen, dann haben sie dort lange mit ihm gestritten und schließlich haben sie ihn einfach in den schwarzen Kastenwagen geworfen und mitgenommen. Der Wagen gehört meinem Sohn Bill, das ist Freddies Bruder.«

»Haben Sie mit den Entführern gesprochen? Wie viele Gauner waren es?«, fragte Marc aufgeregt.

Freddies Mutter wischte sich die Tränen aus den Augen, sah ihn lange an und überlegte angestrengt, bevor sie mit weinerlicher Stimme antwortete: »Zwei Kerle waren es, so groß und breit wie Kleiderschränke. Ich wollte gerade ins Büro gehen und nachschauen, was der ganze Lärm zu bedeuten hatte, als sie in diesem Moment mit Freddie rauskamen. Er war geknebelt und gefesselt. Die Gangster haben mir drohend zugerufen, dass sie sich bald wieder melden werden und ich das Gelände auf keinen Fall verlassen darf. Dann waren sie mit ihm noch kurz bei den Volieren und danach haben sie ihn im Wagen mitgenommen.«

»Kommen Sie, Frau Coleman, gehen wir ins Büro«, schlug Kerstin vor. »Vielleicht können wir eine Spur finden und herausfinden, was die beiden Kerle von ihrem Sohn wollten.«

Bereitwillig ließ sich Frau Coleman ins Büro führen. Ein Schild, auf dem ›Zum Büro‹ stand, zeigte den wilden Vier den richtigen Weg.

»Oje, oje!« Freddies Mutter schlug die Hände über dem Kopf zusammen, als sie das Chaos in dem Zimmer sah. Alle Schränke, Schubladen und Regale waren durchsucht, Ordner und allerlei Bürokram lagen verstreut auf dem Boden herum.

»Die haben gewütet wie die Vandalen«, bemerkte Sandra kopfschüttelnd.

Kerstin führte Frau Coleman zu einem gepolsterten Ledersessel. »Setzen Sie sich. Wir schauen uns mal ein bisschen um.«

Die wilden Vier begannen, sich intensiv in dem Raum umzuschauen. Das Büro bestand aus einem großen, rechteckigen Raum, der in der Mitte durch einen Raumteiler teilweise abgetrennt war. Neben dem Schreibtisch des Chefs mit dem Ledersessel gab es zwei weitere Schreibtischplätze, die mit Computern ausgestattet waren. Mit Ausnahme der breiten Fensterseite und der Tür waren alle Wandflächen mit Aktenschränken und Regalen zugestellt. Für die Größe des Büros schien es viel zu viele Akten, Papier und Krimskrams zu geben. Zu allem Überfluss standen nämlich auch noch ein knappes Dutzend tragbarer Vogelkäfige auf dem Boden herum. Dazu mehrere Kartons mit diversem Vogelfutter, ein Werkzeugkasten, ein Sammelsurium an Trinkgefäßen für Papageien und vieles mehr.

»Mann, o Mann«, stöhnte Kevin. »Hier hat es vor der Durchsuchung wahrscheinlich auch nicht viel aufgeräumter ausgesehen.«

Frau Coleman hatte sich inzwischen so weit beruhigt, dass sie wieder aufstehen konnte. Sie lief zwischen den verstreuten Sachen herum und schüttelte ohne Unterlass den Kopf.

»O Freddie, warum hast du es nur soweit kommen lassen?«, sprach sie wohl eher zu sich selbst.

»Was meinen Sie damit? Hat sich Ihr Sohn etwas zuschulden kommen lassen?«, hakte Sandra nach.

»Freddie? Nein, niemals! Mein Freddie doch nicht!«

Erneut schluchzend ließ die verzweifelte Frau sich in den Sessel fallen, bevor sie weitersprach. »Ich weiß es nicht. Er hat mir nie etwas gesagt. Aber immer hatte er einen Haufen Geld in den Taschen und gab es mit vollen Händen aus. Einmal habe ich Belege von einer Spielbank gefunden. Er muss dort sehr viel Geld verloren haben. «

»Und Sie haben keine Ahnung, wo er das viele Geld herhaben könnte?«, fragte Kevin.

»Er und Bill behaupten immer, die Papageienzucht wäre sehr rentabel. Ich habe das nie so richtig geglaubt. Wie oft habe ich den beiden gesagt, sie sollen mit ihren dubiosen Geschäften aufhören. Aber sie haben bloß gelacht. Mutter, haben sie gesagt, du hast von der modernen Betriebswirtschaft einfach keine Ahnung.«

Da es das zweite Mal war, dass die Frau ihren Sohn Bill erwähnte, hakte Marc nach. »Haben Ihre Söhne beide in dieser Papageienzucht gearbeitet? Wir dachten, dieses Geschäft gehöre nur Freddie.«

»Ach Bill.« Frau Coleman seufzte. »Der ist das schwarze Schaf in der Familie. Er fährt nur mit seinem schweren Motorrad durch die Gegend und macht laufend Urlaub in allen möglichen exotischen Ländern, um angeblich neue Lieferanten für Papageien zu finden. Aber in Deutschland kümmert sich ausschließlich Freddie ums Geschäft. Bill kommt nur, wenn er Geld braucht.«

Aha, dachten sich die vier Jugendlichen. Dann war das Bill, der sich bei ihrem letzten Besuch lautstark mit seinem Bruder gestritten hatte und dann mit der Harley-Davidson vom Hof gefahren war.

»Können wir Ihren Sohn Bill irgendwo erreichen, Frau Coleman?«, fragte Marc. »Vielleicht kann er uns weiterhelfen und weiß, was die Entführer von seinem Bruder wollten?«

»Ich habe keine Ahnung, wo er sich herumtreibt. Ich weiß nur, dass er im Moment in Deutschland ist. Er lässt sich aber nur blicken, wenn er was braucht, ansonsten ist er nicht auffindbar. Gestern hat er mit Freddie gestritten, weil irgendwelche Papiere nicht in Ordnung waren.«

»Hm«, sagte Kevin plötzlich. »Ich hab da so eine Vermutung, was die Entführer gesucht haben könnten. Lasst uns mal zu den Volieren gehen.«

Erstaunt sahen ihn die anderen an. Was konnte er nur meinen?

Während sie gemeinsam mit Freddies Mutter das Büro verließen und zwischen den Nebengebäuden zu den Volieren gingen, klärte Kevin sie auf: »Ich bin mir sicher, dass die Entführer nicht gefunden haben, was sie suchten. Wahrscheinlich haben sie sogar nur aus diesem Grund Freddie entführt.«

»Klingt logisch«, sagte Sandra. »Bloß was?«

»Warte mal ab. Bevor die beiden Kerle zum Schluss mit dem gefesselten Freddie davongefahren sind, waren sie hinten bei den Vögeln. Ist das richtig, Frau Coleman?«

»Ja, aber sie waren nur ganz kurz dort. Ich weiß nicht, was sie bei den Volieren gemacht haben.«

»Aber ich kann es mir so langsam denken«, sagte Kevin stolz. »Helft mir mal suchen. Wow, das sind ja wirklich eine Menge Vögel hier. Wir suchen eine Voliere, in der nur ein einziger hellroter Ara sitzt.«

»Du meinst nicht etwa das dritte Exemplar vom Hauptzollamt?«, rief Marc aufgeregt.

»Doch, genau dieses Exemplar suchen wir jetzt. Ich bin mir sicher, dass es sich irgendwo in einer der Volieren befindet. Wenn wir den Vogel gefunden haben, weiß ich genau, was die Entführer gesucht haben.«

Die wilden Vier mussten jede Voliere einzeln inspizieren, denn auch Frau Coleman hatte keine Ahnung, ob und wo sich hier ein Ara befand.

Nach einer Weile wurde Marc fündig. Er hatte vorsichtshalber zuvor Elvis im Hof an einen Fahrradständer gebunden, dann war er den anderen gefolgt. Voller Stolz rief er seine Kameraden zu sich.

Da sie keine weiteren Aras finden konnten, waren die wilden Vier so gut wie sicher, dass es sich um den fehlenden dritten Papagei aus dem Hauptzollamt Mannheim handelte.

Kevin ging ganz nah an den Käfig und betrachtete den Vogel sehr genau und ausgiebig. Schließlich sagte er zu seinen Kameraden: »Ich bin mir jetzt absolut sicher, dass dies unser Vogel ist. Außerdem bin ich mir ganz sicher, was die Entführer gesucht, aber nicht gefunden haben!«

Frage: Warum war sich Kevin so sicher? Was haben die Entführer gesucht?

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