cover-wilde-vier-band-1

Die wilden Vier haben es geschafft

Autor: Harald Schneider

Die vier Klassenkameraden standen mit den Polizisten auf dem Gelände hinter der Schule, um Erklärungen abzugeben. Die Ganoven waren vor einer knappen Stunde festgenommen worden. Da tauchten bereits ein Reporter der örtlichen Tageszeitung und ein Fotograf des Zeitungsverlages auf.

Am nächsten Montag sollte in einem großen Zeitungsartikel von den Erlebnissen der vier Freunde bis hin zur Festnahme der Ganovenbande durch Kommissar Greulich berichtet werden. Kerstin, Kevin, Sandra und Marc werden in dem Artikel für ihren Mut und ihren Einsatz ausdrücklich gelobt, versprach der Reporter. Zu dem Bericht wird ein großes Foto der Jugendlichen erscheinen, wie sie in der Scheune neben den beschlagnahmten Designerklamotten stehen. Der Fotograf machte in der Scheune mehrere Dutzend Aufnahmen.

Wegen der vielen Neugierigen, die sich bald darauf vor dem Eingangstor einfanden, musste die Polizei gemeinsam mit der Stadtverwaltung das Gelände absperren. Auch das Haus wurde versiegelt und bekam ein hochwertiges Sicherheitsschloss, sodass niemand Unbefugtes die Räume und den Keller betreten konnte. Das Diebesgut wurde von der Polizei sichergestellt und abtransportiert.

Hausmeister Lampe wurde von der Polizei aufgefordert, alle Zugänge zu den Kriechkellern innerhalb der Schule zu verschließen. Die Beamten wollten in den nächsten Tagen das unterirdische Labyrinth nach weiteren Spuren absuchen. Deshalb durfte niemand hinein, noch nicht einmal die Handwerker.

Die Eltern der vier Abenteurer fielen aus allen Wolken, als ihre Kinder von der Polizei nach Hause gebracht wurden. Zuerst dachten sie: „Um Himmels willen, was haben die jetzt wieder angestellt!“ Als sie die näheren Umstände erfuhren, waren sie sehr froh, dass den Kindern nichts passiert war.

Die darauffolgenden Tage waren für die ‚wilden Vier‘ ziemlich anstrengend. Es sprach sich in Ludwigshafen schnell herum, welche Abenteuer die Klassenkameraden bestanden hatten.

Die Mathematikstunde am Montag fiel wie erwartet aus. Ihr Lehrer, Herr Neumann, war genauso gespannt auf eine detaillierte Berichterstattung aus erster Hand wie die Schulkameraden der ‚wilden Vier‘. Abwechselnd, und vor lauter Aufregung sich gegenseitig ständig unterbrechend, erzählte das Team die ganze Geschichte. Beginnend mit dem leeren Eimer, in dem kein Regenwasser stand, bis hin zur Befreiung aus dem Keller mit anschließender Flucht unter dem Schulhof und letztendlich die Lügengeschichte des Ganovenbosses. Die Zuhörer und Herr Neumann staunten über die spannenden Erlebnisse der vier und stellten interessiert Zwischenfragen. Dass unter ihrem Schulhof ein Keller sein sollte, das konnten auch jetzt einige der Schüler immer noch nicht so recht glauben. Kevin war über die allgemeine Aufregung aus einem ganz anderen Grund recht froh. Der Matheunterricht fand nicht statt. Und allein dafür hatte sich seiner Meinung nach die Anstrengung mehr als gelohnt.

In der Pause, in den nachfolgenden Stunden und nach der Schule wurden sie von allen möglichen Leuten belagert und ausgefragt. So langsam wurde es ihnen zu bunt und sie antworteten nur noch, dass in der Zeitung alles genau berichtet wurde und sie dort alles nachlesen konnten. Kerstin machte sich am gleichen Nachmittag im Clubraum an die Arbeit, um das neueste Abenteuer der „wilden Vier“ in ihren gesammelten Werken zu verewigen.

Eine Woche später, es war Samstag, hatte Kommissar Greulich alle Beteiligten ins Polizeipräsidium eingeladen. Neben Kerstin, Kevin, Sandra und Marc waren auch die Eltern der vier und Marcs Onkel Franz gekommen. Marc hatte selbstverständlich eine weitere Hauptperson mitgebracht. Elvis schnüffelte zur Begrüßung an den Hosenbeinen von Herrn Greulich und fast sah es so aus, als wollte er genau in diesem Moment an dieser Stelle sein Bein heben.

Marc erschrak fürchterlich und konnte den Dalmatiner gerade noch von seinem Vorhaben abbringen. „Nein Elvis, es reicht, dass du unsere Couch mit einem Baum verwechselt hast. Wenn du den Polizisten anpinkelst, wird er dich ins Gefängnis sperren!“

Die anderen Anwesenden warteten erschrocken auf eine Reaktion des Kommissars. Der lachte nur.

„Euer Dalmatiner hat wohl eine ziemlich schwache Blase. Aber immerhin hat Elvis durch seinen Drang dazu beigetragen, dass Marc nicht auch noch von den Ganoven ertappt wurde.“

Die Situation war gerettet, alle lachten und machten ihre Späßchen über Elvis‘ Bedürfnisse an allen unmöglichen Orten und Zeitpunkten.

Kommissar Greulich begrüßte schließlich alle Anwesenden ganz herzlich. „Wir dachten, dass wir alle Beteiligten und deren Eltern zu einer gemeinsamen Besprechung einladen, um damit letzte offene Fragen klären zu können.“

Die Erwachsenen nickten erfreut und nutzten ausführlich die Gelegenheit, die Abenteuer ihrer Kinder aus polizeilicher Sichtweise kennen zu lernen. Die vier mussten alles noch einmal ganz genau berichten und Herr Greulich gab zwischendurch immer mal wieder einen Kommentar oder Hinweis ab.

„Letztendlich war es aber doch unverantwortlich, einen Hund, selbst wenn es sich dabei um Elvis handelt, als Überbringer einer solch wichtigen Nachricht zu nutzen“, ermahnte Kommissar Greulich Marc. „Das hätte böse ausgehen können, falls der Dalmatiner nicht nach Hause gefunden hätte oder dein Onkel nicht daheim gewesen wäre!“

Marcs Onkel ergänzte: „Ich muss zugeben, dass ich die Nachricht zuerst als schlechten Scherz aufgefasst habe. Zunächst habe ich überall herumtelefoniert. Nachdem jedoch keiner wusste, wo ihr euch rumtreibt, bin ich sicherheitshalber doch zur Polizei gegangen.“

„Auch wir waren zuerst skeptisch. Aber für solche Dinge ist die Polizei schließlich da“, unterbrach der Polizist Marcs Onkel.

„Was wir schon die ganze Zeit wissen wollten“, fragte Kerstin. „Waren Sie schon vorher auf dem Gelände oder sind Sie uns wirklich erst in letzter Sekunde zu Hilfe gekommen?“

Kommissar Greulich grinste. „Wir waren bereits eine ganze Weile vor Ort und verfolgten das Geschehen im Hof. Wir wussten nur nicht, wo ihr genau gefangen wart, deshalb haben wir zunächst alles nur beobachtet. Wir wollten gerade zuschlagen und das Gelände stürmen, da seid ihr, so verdreckt wir ihr ausgesehen habt, von der Straße gekommen und geradewegs in den Hof gegangen. Wir dachten, dass das jetzt andere Schüler sind, die unser Vorhaben gefährden könnten. Erst als wir Marc entdeckten, der Schmiere stehen sollte, wurde uns einiges klar.“

„Ich war noch keine Minute auf meinem Posten gestanden“, erzählte Marc weiter, „da kamen Kommissar Greulich und ein paar weitere Polizisten zu mir und fragten mich aus. Zum Glück standen wir etwas abseits vom Eingang. So sah uns der Gangsterboss nicht, der kurz darauf auf das Gelände fuhr. Und den Rest der Geschichte, der ist euch bekannt.“

„Egal, was ihr dazu meint!“, sagte Kevin mit ernster Miene, „ohne Elvis hätte das nicht geklappt. Er hat sich einen Extrahappen redlich verdient!“

Alle schauten zu Elvis und lobten ihn für seine gute Tat. Dabei konnte man den Eindruck gewinnen, dass er ziemlich verlegen dreinblickte.

„Was wollen die vielen Menschen nur von mir?“, dachte der Dalmatiner. „Am besten, ich geh’ denen aus dem Weg.“

Er stand auf, um sich in eine Ecke zu verkrümeln. Dazu musste er direkt am Schreibtisch von Herrn Greulich vorbei. Mit seiner Schwanzspitze wedelte er ein paar Papiere vom Tisch, die dort in einem kleinen Körbchen lagen. Mehrere Hände streckten sich gleichzeitig, um die vier oder fünf Blätter wieder aufzuheben.

Auch Sandra ergriff eines der Papiere. Automatisch fiel ihr Blick auf den alten, verblichenen Zettel. Undeutlich konnte sie eine kleine Skizze erkennen. Es handelte sich um mehrere, miteinander verbundene Räume, von denen einer mit einem großen „X“ gekennzeichnet war. Rechts daneben standen zwei oder drei Sätze in einer ausländischen Sprache.

Sandra wollte gerade fragen, was es mit diesem Schriftstück auf sich hat, doch Herr Greulich erriet ihre Gedanken.

„Diese Skizze wurde bei einer Haushaltsauflösung auf dem Speicher eines alten Hauses gefunden. Normalerweise kein Fall für die Polizei. Aber die Familie, in deren Hausrat dieser Plan gefunden wurde, war früher ziemlich reich. Während des letzten Krieges hat der Großvater der jetzigen Eigentümerin sein Vermögen vermutlich irgendwo versteckt oder ins Ausland gebracht. Niemand weiß etwas Genaues darüber.“

„Nun vermutet man“, fuhr er fort, „dass auf diesem Plan das Versteck eingezeichnet sein könnte. Bisher sind wir aber nicht sehr weit gekommen. Wir wissen lediglich, dass es etwas mit dem Hauptbahnhof in Ludwigshafen zu tun hat. Der besaß damals ein mehrstöckiges Kellergewölbe. Leider wurde dieser Bahnhof in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts abgerissen und an einer anderen Stelle neu gebaut. Dort, wo früher der Bahnhof stand, befinden sich heute das Rathaus und das Einkaufszentrum Rathauscenter. Wenn in den Kellern etwas versteckt war, hat man es damals entweder gefunden oder es dürfte für immer verschwunden sein.“

Die ‚wilden Vier‘ wurden hellhörig. Bahnte sich da ein neues Abenteuer an?

Damit wurde die Besprechung im Polizeipräsidium beendet. Die Erwachsenen unterhielten sich noch eine Weile vor dem Gebäude über die Aktivitäten ihrer Sprösslinge. Sie waren in ihr Gespräch so vertieft, dass sie nicht bemerkten, wie die ‚wilden Vier‘ sich zusammen mit Elvis verabschiedeten …

Neue Abenteuer warten auf die ‚wilden Vier‘. Können sie das Geheimnis um den verschollenen Schatz lüften?