Cover Die wilden Vier - Band 3

Ein neu­er Fall für die wil­den Vier

Autor: Harald Schneider

Sandra muss­te, genau wie die ande­ren, Marc recht geben. Dass zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch kei­ne Fotoapparate erfun­den waren, wuss­ten sie zwar, trotz­dem hat­ten sie die­sen Fehler überlesen.

»Macht euch nichts draus«, trös­te­te sie Marc. »Das mit der Zählweise der Jahrhunderte hat schon vie­le ver­wirrt. Wir leben im 21. Jahrhundert und trotz­dem fan­gen die Jahreszahlen mit 20 an.«

»Ja, das ist zwar logisch, aber es ärgert mich den­noch. So etwas darf man nicht über­le­sen. Wir müs­sen uns ange­wöh­nen, genau­er hin­zu­schau­en, sonst über­se­hen wir ent­schei­den­de Hinweise beim Aufklären unse­rer Fälle.«

Sandra woll­te auf ande­re Gedanken kom­men. Sie schnapp­te sich den Streiche- und Abenteuerordner und schlug das Inhaltsverzeichnis auf. Da sie erst seit Kurzem Mitglied der wil­den Vier war, kann­te sie noch nicht alle Streiche, die Kevin, Kerstin und Marc vor ihrer Zeit durch­ge­führt hat­ten. Sie such­te sich eine inter­es­sant erschei­nen­de Überschrift her­aus und schlug die ent­spre­chen­de Seite auf. Sie begann zu lesen.

Wie man einen Lehrer zum Verzweifeln bringt

Auch dies­mal begann das Schuljahr wie­der mit einer Überraschung. Gleich am ers­ten Tag wur­de uns mit­ge­teilt, dass wir ab sofort einen neu­en Lehrer haben. Mit gemisch­ten Gefühlen gin­gen wir am zwei­ten Schultag zum Unterricht. Heute soll­ten wir ihn das ers­te Mal sehen, auch für Herrn Schlagmann war es der ers­te Tag an unse­rer Schule.

›Wird er streng sein, wie sein Name es andeu­tet, oder wür­den wir mit ihm klar­kom­men?‹ Diese Frage beschäf­tig­te uns den gan­zen Morgen.

Und dann stand er vor uns und stell­te sich vor. Sogleich sag­te er uns klipp und klar, dass er kei­ner­lei Schülerstreiche dul­de und wir uns lie­ber um unse­re schu­li­schen Leistungen küm­mern soll­ten. Und im Übrigen ken­ne er bereits alle mög­li­chen Streiche. So sag­te er es uns jedenfalls.

Dabei wuss­te er zu die­sem Zeitpunkt noch gar nicht, dass er sich bereits mit­ten in einem Streich befand. Er bat uns näm­lich zu Beginn der Stunde, Namensschildchen aus einem Blatt Papier zu fer­ti­gen. Für wie naiv hielt uns unser Lehrer denn?

Klar, dass Marc den Namen sei­nes Banknachbars auf sei­nem Namenschild ste­hen hat­te. Und Kevin hat­te natür­lich Marcs Namen auf sei­nem Schild. Kerstin hieß Lisa, Lisa hieß Sarah und Sarah hat­te Julia auf ihrem Schild ste­hen. Das Gekichere war groß, als sich nach jedem Namensaufruf die oder der ver­meint­lich Richtige mel­de­te. Herr Schlagmann kapier­te nichts. Doch das war erst der Anfang von allem.

Am nächs­ten Tag hat­ten wir Deutsch. Herr Schlagmann kam in unse­ren Klassensaal, begrüß­te uns freund­lich, schau­te in die Runde, dann stutz­te er einen Moment. Man merk­te, dass er ange­strengt nach­dach­te und an sei­nen Sinnen zu zwei­feln begann. Auf den Gedanken, dass wir ihm einen Superstreich spiel­ten, kam er nicht. Noch nicht. So fand er sich mit der neu­en Situation ab und ver­mu­te­te den Fehler bei sich selbst.

Für einen Lehrer ist es sicher­lich nicht leicht, sich inner­halb weni­ger Tage die Namen von meh­re­ren Schulklassen mer­ken zu müs­sen. Und wenn sich dann die Namen inner­halb einer Klasse auch noch ändern, dann wird’s um ein Vielfaches schwie­ri­ger. Heute hieß Marc näm­lich Daniel und Kevin hieß Lukas. Kerstin wur­de von Herrn Schlagmann gemäß ihrem Schild mit Eva ange­spro­chen, Louisa hieß Johanna, Micha hat­te sich auf Jonas umge­tauft und Rouven hör­te die­se Stunde auf Joshua.

Ein heil­lo­ses Durcheinander war im Gange. Unser neu­er Lehrer fing schon an, uns ein biss­chen leid zu tun. Doch auch wir hat­ten alle Mühe, unse­ren jewei­li­gen Leihnamen zu behal­ten, um recht­zei­tig bei einem Aufruf reagie­ren zu können.

Am dar­auf­fol­gen­den Schultag, es war dies­mal Mathe ange­sagt, ging der Spaß in die drit­te Runde. Leider war dies auch die letz­te Runde. Zu Unterrichtsbeginn hat­ten wir noch unse­ren Spaß, als Herr Schlagmann stirn­run­zelnd und kopf­krat­zend nachdachte.

»Du hast doch ges­tern noch an einem ande­ren Platz geses­sen«, sag­te er zu Iven, der heu­te Finn hieß. Doch Iven ant­wor­te­te wahr­heits­ge­mäß, dass er schon von Anfang an auf dem­sel­ben Platz sitze.

Das Namenswechselspiel för­der­te nicht gera­de die Konzentration unse­res Lehrers.

Schließlich schlug er zu. Er ging auf Kerstin zu, oder jeden­falls die, die er für Kerstin hielt und schnapp­te sich ihr Mathematikbuch. Er blät­ter­te es auf und las den Namen der Besitzerin: Larissa.

Nun war wohl eine Standpauke fäl­lig. Doch Herr Schlagmann reagier­te völ­lig anders. »Habt ihr es doch geschafft, mich rein­zu­le­gen. Ich hät­te wohl bes­ser nicht sagen sol­len, dass ich alle Tricks ken­ne. Na ja, auch ein Lehrer lernt nie aus.«

Und damit war die Sache für ihn erle­digt. Ab die­sem Zeitpunkt kamen wir sehr gut mit ihm aus. Er hat­te uns anschei­nend als eben­bür­tig anerkannt.

Sandra lach­te laut her­aus. »Wie seid ihr nur auf solch eine Idee gekom­men? Das muss der abso­lu­te Knaller gewe­sen sein!«

»War alles nur Notwehr«, ant­wor­te­te Kevin.

»Notwehr? Habt ihr noch mehr Lehrer in Notwehr rein­ge­legt?«, frag­te Sandra immer noch schmunzelnd.

»Boah, lass’ mal über­le­gen. Das waren ja so vie­le Streiche, die wir bis­her gemacht haben. Doch, da fällt mir noch einer ein. Unser Geniestreich war eben­falls rei­ne Notwehr.«

Kevin schlug das Inhaltsverzeichnis auf und such­te das ent­spre­chen­de Kapitel. Nachdem er es gefun­den hat­te, gab er den Ordner an Sandra zurück, die nun erneut zu lesen begann.

Wie man zu einem Genie wird

Frau Klamms Geschichtsunterricht war meist ziem­lich öde. Wahrscheinlich konn­te die gute Frau gar nichts dafür. Seit Jahrhunderten erzähl­te sie ver­mut­lich jedes Jahr einer ande­ren Klasse das glei­che his­to­ri­sche Wissen. Sie ging stets streng nach Schulbuch vor. Abweichungen kamen nie vor, eben­so wenig beson­de­re Vertiefungen an inter­es­san­ten Stellen. Wir ver­mu­te­ten, dass Frau Klamm zwar das Schulbuch in- und aus­wen­dig kann­te, ihr geschicht­li­ches Wissen damit aber kom­plett abge­deckt war.

Dies muss­te natür­lich mit einem beson­de­ren Streich bedacht werden.

Unsere Idee hat­te aller­dings einen Haken: Sie war mit viel Aufwand ver­bun­den, bes­ser gesagt mit Lernaufwand. Doch für einen gelun­ge­nen Streich muss man auch mal Opfer brin­gen können.

Aus unse­rem Geschichtsbuch wuss­ten wir, dass in ca. drei Wochen das Thema Nordamerika zwi­schen 1865 und 1929 dran­kom­men wür­de. Für die­ses Thema wür­de Frau Klamm wohl höchs­tens eine Doppelstunde opfern, mehr gaben die zwei Seiten im Buch nicht her.

Zuerst began­nen wir, die bei­den Seiten über Nordamerika aus­wen­dig zu ler­nen. Wichtige Punkte wie Bevölkerungsentwicklung, Besiedlung und Gebietsvergrößerung notier­ten wir uns sepa­rat. Einen Tag spä­ter gin­gen wir zusam­men in die Bibliothek und lie­hen uns rund ein hal­bes Dutzend Bücher zu die­sem Themenblock aus.

Nun muss­ten wir inter­es­san­te und leicht ver­ständ­li­che Schwerpunkte her­aus­ar­bei­ten. Wir lern­ten Jahreszahlen aus­wen­dig und die dazu­ge­hö­ri­gen Ereignisse. Wir hör­ten uns gegen­sei­tig ab, bis wir am Ende alle regel­rech­te Nordamerikaspezialisten waren. Die drei Wochen zusätz­li­chen Lernens waren ziem­lich müh­sam, noch nie hat­ten wir für einen Streich solch einen Aufwand betrie­ben. Doch es soll­te sich lohnen.

Frau Klamm begann wie in jeder Geschichtsstunde. Sie las vor. Kaum hat­te sie erwähnt, dass die USA 1867 den Russen Alaska abge­kauft hat­ten, mel­de­te sich Marc, der ergän­zend hin­zu­füg­te, dass die USA rund 20 Jahre spä­ter auch in den Besitz der Philippinen, Guams und Puerto Ricos gelangt waren.

Erstaunt schiel­te Frau Klamm über den Rand ihrer Brille, nick­te Marc kurz zu, um dann ihren Text wei­ter vor­zu­le­sen. Kaum hat­te sie gesagt, dass ab 1870 das Eisenbahnnetz zügig aus­ge­baut wur­de, fiel ihr Kerstin ins Wort:

»Ja, stel­len Sie sich vor, bis 1890 hat­te sich das Streckennetz auf 163.000 Kilometer ver­vier­facht und war damit schon län­ger als das von ganz Europa!«

Nun ließ Frau Klamm sprach­los den Unterkiefer hän­gen. Da setz­te Kevin schon einen drauf: »Das scheint eine logis­ti­sche Meisterleistung gewe­sen zu sein. Frau Klamm, kön­nen Sie mit uns ein­mal die wich­tigs­ten Ost-West-Verbindungen durchsprechen?«

Frau Klamm schluck­te und schluck­te. Sie war immer noch zu kei­ner Antwort fähig.

Kerstin setz­te nun zum Vernichtungsschlag an: »Vielleicht soll­ten wir bes­ser über die kana­di­schen Eisenbahnlinien spre­chen. Gerade für die Gründung des kana­di­schen Bundes 1867, den Kauf Rupertslands durch die Hudson’s Bay Company 1869 und den Beitritt Manitobas 1870 war die­ses Thema noch wichtiger.«

Die letz­ten Worte bekam die gute Frau Klamm schon gar nicht mehr mit. Sie stürm­te, wohl nerv­lich am Ende, aus dem Klassensaal.

Wir über­leg­ten, ob wir die­ses Mal viel­leicht zu weit gegan­gen waren. Daraufhin klär­te Kerstin in der nächs­ten Pause die arme Frau Klamm über unse­ren Streich auf.

Sandra muss­te erneut laut lachen. »Das hät­te ich euch gar nicht zuge­traut, dass ihr für einen Streich frei­wil­lig lernt. Das muss euch doch unheim­lich schwer­ge­fal­len sein, oder?«

»Na ja«, ant­wor­te­te Kerstin. »Es war nicht ganz ein­fach, alle zum Mitmachen zu ermu­ti­gen. Aber ich den­ke, der Einsatz hat sich letzt­end­lich gelohnt.«

Sandra nick­te. »Das den­ke ich auch.« Und mit einem Blick auf den wohl­ge­füll­ten Ordner ergänz­te sie: »Viele Streiche pas­sen da jeden­falls nicht mehr rein. Dann müs­sen wir auf­hö­ren oder einen zwei­ten Ordner beginnen.«

»Da sind ja nicht nur unse­re Streiche drin, son­dern auch unse­re Abenteuer«, warf Kerstin ein. »Die neh­men viel Platz weg. Besonders, wenn die Zeitungsartikel dazu kommen.«

»Ich gehe aber nicht davon aus, dass da so schnell ein wei­te­res Abenteuer hin­zu­kommt. Unser Neuestes ist ja gera­de mal ein paar Tage alt. Und sol­che Ganovengeschichten gibt es bestimmt nicht jede Woche.«

»Das macht nichts, dann machen wir zur Abwechslung mal wie­der einen fet­ten Streich!«, lach­te Kevin.

Marc befass­te sich immer noch mit dem Zeitungsartikel ihres letz­ten Abenteuers. Schließlich unter­brach er die Unterhaltung der ande­ren. »Wisst ihr noch, was Kommissar Greulich ges­tern in der Eisdiele sag­te, bevor er sich ver­ab­schie­de­te? Da sind irgend­wo zwei Papageien ver­schwun­den. Wisst ihr dar­über etwas Näheres?«

»Nee, eigent­lich nicht«, erwi­der­te Kerstin. »Nur, dass die Papageien aus der Voliere des Friedrich-Ebert-Parks ver­schwun­den sind. Daraufhin hat er sich ja gleich verabschiedet.«

»Genau«, bestä­tig­te Marc. »Und da wir die wil­den Vier sind, soll­ten wir uns die­ser Sache anneh­men. Auch wenn es sich dabei nur um zwei Papageien han­delt, man weiß nie, was so alles dahintersteckt.«

»Wie stellst du dir das vor? Sollen wir zu Greulich fah­ren und ihn fra­gen, wel­ches schreck­li­che Geheimnis sich hin­ter dem Papageiendiebstahl ver­birgt? Der wird uns was hus­ten, wenn wir uns erneut in sei­ne Arbeit ein­mi­schen wollen!«

»Warum nicht? Eine ande­re Möglichkeit sehe ich nicht, um an nähe­re Informationen zu kom­men. Oder hat dar­über etwas in der Zeitung gestan­den? Ich habe nichts gelesen.«

Marc war bereits auf­ge­stan­den und hat­te Elvis an die Leine genom­men. »Na auf, ihr fau­les Pack. Lasst uns direkt zu Greulich fah­ren. Elvis muss sowie­so mal raus, sonst pie­selt der uns wie­der ans Sofa.«

»Untersteh dich, Elvis«, sag­te Kerstin mit dro­hen­dem Blick in Richtung Dalmatiner. »Das letz­te Mal hat­ten wir eine Woche Ausnahmezustand. Ich habe sogar das Rasierwasser mei­nes Vaters ver­sprü­hen müssen.«

Marc muss­te natür­lich sei­nen Vierbeiner ver­tei­di­gen. »Übertreib mal nicht so. Schließlich ist noch kei­ner erstunken.«

»Das wäre hier aber fast zum ers­ten Mal in der Menschheitsgeschichte pas­siert«, frot­zel­te Kevin weiter.

Währenddessen hat­ten sie den Clubraum ver­las­sen und befan­den sich auf dem Weg zur Straßenbahnhaltestelle. Elvis hat­te gleich den ers­ten erreich­ba­ren Baum in Beschlag genommen.

Es war zwar noch recht früh am Mittag, trotz­dem war es für die Jugendlichen ärger­lich, dass ihnen die Straßenbahn vor der Nase davon­fuhr. So hat­ten sie noch zehn Minuten Wartezeit zu überbrücken.

»Was machen wir, wenn uns Greulich nicht wei­ter­hel­fen will?«, über­leg­te Kevin laut.

»Vielleicht ist der Fall bereits längst auf­ge­klärt?«, gab Marc zu bedenken.

»Oder die Papageien sind ein­fach weg­ge­flo­gen, weil im Zaun ein Loch war«, zähl­te Sandra eine wei­te­re Möglichkeit auf.

»Wenn uns Greulich nichts sagen möch­te, könn­ten wir in den Ebert-Park fah­ren. Vielleicht ent­de­cken wir dort etwas Brauchbares?«

»Meinetwegen. Mehr als ein lee­rer Käfig wird zwar nicht zu fin­den sein, aber etwas Besseres fällt mir im Moment auch nicht ein.«

Die wil­den Vier dis­ku­tier­ten bis zur Ankunft der nächs­ten Straßenbahn wei­ter, und selbst wäh­rend der Fahrt dreh­te sich ihr Gespräch aus­schließ­lich um die ver­schwun­de­nen Papageien.

Marc ver­kürz­te die Leine zu Elvis, als sie das Polizeipräsidium betra­ten. »Nicht, dass du den Kommissar abschleckst. Dann steckt der dich in Einzelhaft bei Wasser und Knochen!«

Ein jun­ger Beamter, der die wil­den Vier nicht kann­te, erschrak, als er aus sei­ner Bürotür kam und fast über sie stol­per­te. »Huch, was ist hier los?«, ent­fuhr es ihm. »Findet hier eine Demonstration statt?«

Marc fass­te sei­nen Dalmatiner noch enger und ant­wor­te­te: »Entschuldigen Sie, dass wir Sie erschreckt haben. Wir wol­len zu Kommissar Greulich.«

»Ihr habt bestimmt einen Termin, oder? Der Herr Kommissar ist näm­lich schwer beschäf­tigt. Wenn ihr etwas zu berich­ten habt, könnt ihr es auch mir sagen.«

»Nein dan­ke, wir müs­sen Herrn Greulich selbst spre­chen. Würden Sie ihm bit­te sagen, dass wir da sind?«

»Und was soll ich ihm sagen? Das vier Jugendliche und ein gro­ßer Hund da sind, die ihn spre­chen wollen?«

Marc lach­te. »Genau, das wür­de rei­chen. Herr Greulich weiß, wer wir sind. Sie kön­nen ihm aber auch sagen, dass die wil­den Vier hier sind – und Elvis«, füg­te er an.

»Die wil­den Vier? Doch nicht etwa die wil­den Vier, die letz­te Woche die Katakomben unter der Fußgängerzone ent­deckt haben?«

»Ach, das mei­nen Sie«, beton­te Kerstin absicht­lich gelang­weilt. »Ja, das waren wir. Ist aber schon eine Weile her.«

Der jun­ge Beamte ging, um Kommissar Greulich den Besuch anzukündigen.

»Habt ihr sein Gesicht gese­hen? Fast hät­te der uns um ein Autogramm gebe­ten«, lach­te Sandra.

Kerstin nick­te. »Dann soll er sich auch ein Autogramm von Elvis geben las­sen. Das heißt, das wird dann eher ein Riechogramm.«

Marc schau­te sei­ne Freundin zuerst böse an, doch schließ­lich muss­te auch er über die­sen Witz lächeln.

In die­sem Moment kam der Beamte zurück. »Es tut mir leid, aber Kommissar Greulich ist im Außendienst und es ist nicht bekannt, bis wann er zurück sein wird. Soll ich ihm eine Nachricht von euch hinterlassen?«

»Ach nein, das ist nicht nötig«, beeil­te sich Kevin zu sagen. »Wir ver­su­chen es mor­gen wie­der. Vielen Dank und auf Wiedersehen.«

Enttäuscht ver­lie­ßen die vier das Gebäude. Marc stampf­te wütend mit sei­nem rech­ten Fuß auf. »Mensch, ist das blöd! Und was machen wir jetzt?«

»Plan B«, ent­geg­ne­te Kerstin. » Wir fah­ren zum Friedrich-Ebert-Park.«

Eine hal­be Stunde spä­ter hielt die Straßenbahn vor dem Eingang der 1925 gegrün­de­ten weit­läu­fi­gen Parkanlage an.

»Zum Glück wird hier kein Eintrittsgeld ver­langt. Wenn ich an die Mannheimer Parks den­ke …«, mein­te Kerstin und ver­dreh­te die Augen.

Elvis hat­te sofort gero­chen, dass es hier vie­le Tiere gab, die es sich zu jagen lohn­te. Kaninchen, Enten, Tauben und vie­les mehr. Ein wah­res Hundeparadies. Doch Marc hat­te vor­ge­sorgt und die Leine sei­nes Lieblings wie­der ver­kürzt. »Wenn du durch­drehst, Elvis, dann sper­re ich dich in die lee­re Papageienvoliere.«

»Wisst ihr über­haupt, in wel­che Richtung wir lau­fen müs­sen?«, frag­te Sandra. Als Ludwigshafener Neubürgerin kann­te sie sich noch nicht aus.

»Na klar«, ant­wor­te­te Kerstin. »Wir waren schon oft hier. Wir müs­sen an die­ser Fontänenanlage vor­bei bis zur Rückseite des Parks. Dann hun­dert Meter nach links, schon sind wir bei den Vogelkäfigen.«

Innerhalb kür­zes­ter Zeit hat­ten die Vier mit ihrem Dalmatiner das Ziel erreicht. Auf der rech­ten Seite befan­den sich neben dem Weg ins­ge­samt fünf Volieren, die bis auf eine ein­zi­ge alle besetzt waren. Neben Wellensittichen in allen mög­li­chen Farben waren auch Mohrenkopfpapageien und Kakadus zu sehen.

Die Voliere ganz links war leer. Trostlos wirk­ten die vie­len dicken Äste mit dem Laub und den dicken Seilen, die den Vögeln zur Unterhaltung die­nen und den Bewegungsdrang för­dern sol­len. Gespannt schau­ten die Vier in den tier­lo­sen Käfig.

Sie muss­ten schon eine Weile hin­ein­ge­starrt haben, denn sie bemerk­ten nicht, wie ein älte­rer Mann lang­sam zu ihnen kam. Als er sie plötz­lich von hin­ten ansprach, erschra­ken sie allesamt.

»Da könnt ihr lan­ge nach Tieren suchen«, sag­te er mit einer merk­wür­dig tie­fen Stimme. »Der Käfig ist leer. Bis vor­ges­tern waren noch zwei bild­hüb­sche hell­ro­te Aras zu sehen.«

Kerstin dreh­te sich um. »Wissen Sie, wo die­se Aras sind?«

Der Mann nick­te. »Ja. Gestohlen wur­den sie. Vorletzte Nacht hat jemand das Schloss an der Rückseite der Voliere geknackt und die Vögel ein­ge­fan­gen. Eine Schande ist das! Dabei waren die Papageien erst seit ein paar Tagen im Park. Und nun sind sie wie­der weg.«

»Was?«, rutsch­te es Kevin her­aus. »Die Papageien sind nur ein paar Tage hier gewe­sen? Wo waren die vorher?«

»Das kann ich dir auch nicht sagen, mein Junge. Es kommt aber öfters vor, dass Vögel abge­ge­ben wer­den, deren Besitzer mit der Haltung über­for­dert sind oder ein Tier geerbt haben und es nicht behal­ten wol­len. Aber noch nie­mals wur­de im Park etwas gestohlen!«

Sandra über­leg­te kurz, bevor sie den Mann freund­lich ansah: »Sind die Aras beson­ders wert­voll? Kann ein Dieb die Tiere weiterverkaufen?«

»Ein hell­ro­ter Ara kann schon den einen oder ande­ren Tausender kos­ten. Aber die Einfuhr und die Zucht sind streng regle­men­tiert, außer­dem ist jeder ein­zel­ne Vogel regis­triert. Einen gestoh­le­nen Ara zu ver­kau­fen, dürf­te nicht all­zu leicht sein.«

Der Mann, sicher­lich bereits im Rentenalter, dach­te nach. »Irgendwie gehen mir die bei­den Männer nicht aus dem Kopf, die vor­ges­tern hier waren. Ihr müsst wis­sen, ich woh­ne neben dem Park und dre­he hier, wenn es nicht gera­de reg­net oder stürmt, täg­lich mei­ne Runde.«

Die wil­den Vier horch­ten auf. »Haben sich die­se Männer ver­däch­tig benom­men? Denken sie, dass es sich um die Diebe han­deln könnte?«

Ihr Gesprächspartner wie­gel­te ab. »Das kann ich wirk­lich nicht sagen. Ich habe die bei­den jeden­falls vor­her nie im Park gese­hen. Ich fand es sehr merk­wür­dig, dass sie die Papageien mit einem rie­si­gen Zoomobjektiv foto­gra­fiert haben. Da ich mich mit dem Fotografieren etwas aus­ken­ne, bin ich mir fast sicher, dass die bei­den nur die Füße der Vögel foto­gra­fiert haben. Das Ganze kam mir wirk­lich sehr selt­sam vor.«

Die Jugendlichen sahen sich an. Was hat­te das zu bedeuten?

Kevin hak­te nach. »Was haben die Leute danach gemacht? Haben die viel­leicht das Schloss untersucht?«

»Nein, nein. Irgendwann bemerk­ten sie, dass ich ihnen zuschau­te. Da haben sie ihre Kameras geschnappt und sind weg­ge­gan­gen. Ich habe sie danach auch nicht mehr gesehen.«

Das war mal wie­der eine har­te Kopfnuss für die wil­den Vier. Diesmal war es Marc, dem eine Antwort einfiel.

»Alles klar, Leute. Ich glau­be, ich weiß, war­um die­se Typen mit ihren Zoomobjektiven han­tiert haben. Ist ja auch irgend­wie logisch!«

Frage: Was woll­ten die bei­den Männer fotografieren?

Antwort: .nel­letst­sef legöV red tfnukreH eid dnu retlA sad nam nnak nremmuN red dnahnA .tgärt ßuF ma iegapaP redej eid ‚nehe­seg­ba negniR ned fua nremmunstätitnedI eid fua se nettah rennäM eiD