Cover Die wilden Vier - Band 3

Spuren im Käfig

Autor: Harald Schneider

»Na klar!« Der Mann schlug sich mit der Hand an die Stirn, nachdem Marc des Rätsels Lösung verkündet hatte. »Da hätte ich selbst draufkommen können. Natürlich wollten diese Halunken an die Registrierungen auf den Ringen kommen. Mit dem Fotografieren hat es dann offenbar nicht geklappt, deshalb sind sie in der Nacht zurückgekommen und haben die Vögel gekidnappt. Ihr seid wirklich schlau. Wer seid ihr eigentlich?«

Sandra stellt sich und ihre Freunde vor. »Sie werden uns nicht kennen. Wir nennen uns die wilden Vier und versuchen, mysteriöse Dinge aufzuklären.«

»Was, ihr seid die wilden Vier? Natürlich kenne ich euch. Vor ein paar Tagen habe ich von euch in der Zeitung gelesen. Ihr müsst nicht glauben, dass ihr bei der älteren Generation unbekannt seid. Ich verfolge eure Abenteuer regelmäßig in der Zeitung.«

Er bückte sich und streichelte Elvis. »Und das ist wohl der bekannteste Dalmatiner in Ludwigshafen und Umgebung, oder?«

Marc strahlte über beide Wangen. Normalerweise war er nicht begeistert, wenn Fremde seinen Hund streichelten. Doch hier machte er gerne eine Ausnahme.

Der Mann freute sich sichtlich, die Bekanntschaft der wilden Vier zu machen. »Wenn ich das eine oder andere Jahrzehnt jünger wäre, würde ich glatt bei euch mitmachen. So wie ich euch kenne, seid ihr den Papageiendieben längst auf der Spur, oder sollte ich mich da täuschen?«

Kerstin verneinte das Kompliment: »Da muss ich Sie leider enttäuschen, wir stehen ganz am Anfang unserer Ermittlungen. Wir wissen bisher nur, was Sie uns gerade erzählt haben.«

»Ach so, ihr fangt mit euren Ermittlungen gerade erst an. Dann müsst ihr euch sputen, denn die Polizei war gestern da und hat den Tatort untersucht.«

»Das war bestimmt Kommissar Greulich. Haben Sie zufällig etwas mitbekommen, was für uns interessant sein könnte?«

»Nein, ich habe der Polizei das gleiche erzählt wie euch. Allerdings weiß ich nicht, ob die Beamten inzwischen herausgefunden haben, weshalb diese Männer die Füße der Aras fotografierten. Ansonsten gab es nichts mehr …« Der Mann überlegt einen Moment, ehe er fortfuhr. »Halt! Eines ist vielleicht noch wichtig. Die Papageien konnten sprechen. Es war zugegebenermaßen ziemlich undeutlich und man konnte nichts verstehen, aber es waren auf jeden Fall menschliche Lautnachahmungen.«

Kevin hatte einen Geistesblitz. »Könnte es sein, dass die Papageien vielleicht nicht Deutsch, sondern eine andere Sprache gesprochen haben?«

Sein Gegenüber stutzte. »Das könnte durchaus sein. In der Tat klang es etwas südeuropäisch. Genauer kann ich es aber wirklich nicht sagen. Ihr könnt den Kommissar fragen, ihr scheint ihn ja ganz gut zu kennen.«

»Das werden wir machen«, antwortete Sandra. »Waren Sie dabei, als die Polizisten den Käfig untersucht haben? Haben die etwas gefunden?«

»Na ja, groß untersucht kann man das nicht nennen. Die sind nicht mal in den Käfig hinein, sondern haben nur das aufgebrochene Sicherheitsschloss sichergestellt. Ich hatte den Eindruck, als würden sich die Beamten nicht allzu sehr für die Papageien interessieren.«

»Kann schon sein, dass die Polizei Wichtigeres zu tun hat, als den Diebstahl zweier Vögel aufzuklären«, mischte sich Marc ein. »Aber in Verbindung mit den Fotoaufnahmen denke ich, dass viel mehr dahintersteckt als ein gewöhnlicher Tierdiebstahl.«

Die wilden Vier verließen den Parkweg und zwängten sich zwischen Hecken hindurch bis zum hinteren Ende der Voliere. Marc hatte Elvis vorher an einer Parkbank neben den Käfigen angebunden.

»Damit du mir nicht die Vögel in den Nachbarkäfigen scheu machst. Tut mir leid, mein Freund, es dauert bestimmt nicht lange.«

Die Zugangstür an der Volierenseite war nur angelehnt. Der Riegel war zurückgezogen, das Schloss fehlte. Kerstin öffnete die Drahttür vollends und schaute in den Käfig. Auf der rechten Seite befand sich der Flugteil mit Ästen und Schnüren, auf der linken Seite war ein Teil des Käfigs komplett mit Holz verkleidet, sodass es wie ein eigenes Zimmer innerhalb der Voliere aussah. Zur Vorderseite der Voliere waren in der Holzwand mehrere rechteckige Türen ausgeschnitten, jeweils so groß wie ein Blatt Papier.

»Dorthin konnten sich die Aras zurückziehen, wenn ihnen der Trubel draußen zu viel wurde«, bemerkte Kerstin.

»Vorsichtig«, warnte Sandra. »Lasst mich vorgehen, falls es Fußabdrücke gibt.«

Sandra ging in den Käfig. Sie bückte sich und untersuchte den Boden millimetergenau. Marc, Kerstin und Kevin hatten es sich inzwischen abgewöhnt, über ihre Kameradin zu lästern. Hatte sie doch bisher immer mit ihrer Spurensuche beträchtlichen Erfolg gehabt.

Nachdem sie den Sandboden ausgiebig begutachtet hatte, richtete sie sich auf. »Seht mal, hier auf der Seite, direkt neben der Tür. Da ist ein schwacher Fußabdruck zu sehen. Was fällt euch daran auf?«, wollte sie von ihren Freunden wissen und lächelte dabei.

Kevin bückte sich und antwortete: »Der ist ziemlich nass. Da steht sogar ein bisschen Wasser drin.«

»Genau. Richtig beobachtet. Und da es vor drei Tagen das letzte Mal geregnet hat, stammt dieser Abdruck nicht von den Dieben. Wahrscheinlich stammt er von einem Pfleger.« Sandra drehte sich auf die andere Seite. »Ich mach’s jetzt nicht unnötig spannend, sondern verrate euch gleich die Lösung. Dieser Abdruck hier«, mit einer Handbewegung deutete sie neben einen breiten Ast, der im Boden verankert war, »ist trocken. Keine Spur von Wasser. Folglich muss er innerhalb der letzten drei Tage entstanden sein. Es kann also gut sein, dass dieser Abdruck einem der Diebe gehört. Muss aber nicht«, fügte sie hinzu.

Sandra war nicht mehr zu halten. Sie öffnete den Rucksack und holte ihre Detektivausrüstung heraus. Neben einem kleinen Päckchen Gips zog sie eine kleine Gummikachel und eine Spachtel aus dem Päckchen.

»Ich bin gleich wieder zurück. Ich laufe nur zum Teich, um ein bisschen Wasser zu holen, damit ich Gips anrühren kann. Seid so gut und tretet in der Zeit nicht auf den Abdruck.«

Die anderen schauten sich weiter in der Voliere um. Der ältere Mann stand immer noch auf dem Parkweg und schaute ihnen gespannt zu.

»Schaut mal, was ich gefunden habe!«, schrie auf einmal Marc. Stolz hielt er einen goldfarbenen Ring hoch.

Kerstin nahm ihn in die Hand und betrachtete ihn aus der Nähe. »Der sieht nicht so aus, als ob er hier schon lange liegen würde. Er glänzt und ist bis auf die Seite, mit der er auf dem Boden lag, vollkommen sauber. Den muss erst kürzlich jemand verloren haben.«

»Verloren hier im Käfig? Da kommen wohl nicht allzu viele Leute infrage, oder? Auf jeden Fall nehmen wir ihn mit. Daheim können wir ihn in Ruhe untersuchen.« Kerstin zog ein kleines Plastiktütchen hervor und ließ den Ring hineinfallen.

»Wisst ihr, was ich seltsam finde?«, fragte Kevin in die Runde. »Hier wurden zwei ziemlich große Vögel geklaut und man sieht nicht einmal die Spur eines Kampfes. Die haben sich doch bestimmt nicht so einfach fangen lassen.«

»Vermutlich wurden sie betäubt, vielleicht mit einem Betäubungsgewehr oder einem Narkotikum im Fressen«, vermutete Kerstin.

»Dann mussten die Diebe die Aras nur noch einsammeln«, ergänzte Marc. »Ekelhaft, so etwas. Ich hoffe, wir finden die Gauner.«

Eine Viertelstunde später, Sandra hatte den Fußabdruck erfolgreich ausgegossen, verabschiedeten sich die wilden Vier von dem älteren Parkbesucher.

»Vielen Dank für ihre Hilfe, Herr, äh«, stotterte Kerstin.

»Grabowski ist mein Name und es hat mich sehr gefreut, euch kennenzulernen. Ich hoffe, dass ich bald in der Zeitung lesen kann, dass die Diebe gefangen wurden.«

»Worauf Sie sich verlassen können«, sagte Kevin mit Überzeugung. »Die kriegen wir. Auf Wiedersehen!«

Leider konnten sich die wilden Vier an diesem Tag nicht mehr in ihrem Clubraum treffen, da die Zwillinge mit ihren Eltern zu einem Geburtstag eingeladen waren. Ihr Onkel wurde 50 Jahre alt und feierte in einem Restaurant mit einem riesigen Büffet. Sie waren froh, als der Abend zu Ende ging. Erst am nächsten Mittag würden sie mit Sandra und Marc wieder Zeit finden, über den Fall zu sprechen.

Selbst in den Schulpausen konnten sie sich nicht mit den anderen bei ihrer Lieblingsbank treffen, weil sie an diesem Tag mit dem Tafeldienst an der Reihe waren.

Doch endlich war es Mittag. Die Hausaufgaben hatten die wilden Vier mal wieder mehr schlecht als recht erledigt, als Marc mit Elvis als Letzter den Clubraum betrat.

Sandra schaute vorwurfsvoll auf die Uhr: »Wo bleibst du denn? Ich bin schon seit zehn Minuten da!«

»Ich kann nichts dafür, Elvis hat mal wieder keinen Baum ausgelassen. Euren Vorgarten hat er übrigens auch bewässert.«

Sandra schüttelte den Kopf, während sie ein Blatt Papier vom Schreibtisch nahm. »Lasst uns mal zusammenfassen. Jemand versucht, an die Registrierungsnummern von zwei Papageien zu kommen. Nachdem dies misslingt, kidnappt er die Vögel. Die Vögel selbst sind erst kurze Zeit vorher im Park eingetroffen. Die Frage, wo sie vorher waren, müssen wir noch beantworten. Um die Frage nach dem Warum zu lösen, müssen wir herausfinden, wer die Aras geklaut hat und wo sie sich jetzt befinden.«

Kerstin, Kevin und Marc nickten.

»Wir haben bis jetzt genau zwei Spuren. Da ist zum einen dieser Schuhabdruck in Größe 43.« Sandra hielt den Gipsabdruck in die Höhe, der ebenfalls auf dem Schreibtisch lag. »Ich würde sagen, es handelt sich dem Profil nach um einen Stiefel mit schräg abgenutztem Absatz. Der Besitzer müsste meiner Meinung nach etwas schief gehen. Zum anderen haben wir einen Ring gefunden, von dem wir aber nicht wissen, ob er den Dieben gehört.«

»Das ist alles schön und gut«, mischte sich Kevin ein. »Sollten wir nicht mit Kommissar Greulich reden, bevor wir eine Zwischenbilanz ziehen? Der hat vielleicht auch ein paar Spuren gefunden. Vor allem weiß er bestimmt, wo die Papageien herkamen.«

»Einverstanden, das machen wir heute «, nickte Kerstin. »Ich habe vorhin bei ihm angerufen. Er hat sich bereits gedacht, dass wir den Diebstahl aufklären wollen und meinte, dass es sich hier wohl nur um einen ganz gewöhnlichen Diebstahl handeln dürfte und er daher kein Problem hat, mit uns darüber zu sprechen.«

»Mensch Kerstin, warum hast du uns das nicht gleich gesagt!«, erboste sich Marc.

Sandra versuchte, auf die Fundstücke zurück zu kommen. »Schaut euch erst mal den Ring genauer an. Fällt euch daran etwas auf?«

Kevin nahm den Ring vom Tisch und untersuchte ihn ausgiebig. Schließlich schaltete er die kleine Wandlampe ein, um noch besser sehen zu können.

»Mensch, da stehen Zahlen im Ring!«, rief er erfreut aus. »Sie sind recht undeutlich und verwischt. He, das sieht nach einem Datum aus. Wenn ich mich nicht irre, steht hier ›03.07.1992‹.«

»03.07.1992?«, wiederholte Marc. »Das kann doch nur eins bedeuten, an dem Tag wurde der Ring produziert!«

Sandra schaute Marc ungläubig an. »Sag mal, spinnst du? Seit wann wird in einen Ring das Herstellungsdatum eingeprägt? Das Datum hat etwas ganz anderes zu bedeuten, das ist doch klar!«

Frage: Was bedeutet das Datum auf dem Ring?

Antwort: .tsi treivargnie mutadstiezhcoH sad med fua ,gnirehE nenie mu hcis tlednah sE