Cover Die wilden Vier - Band 3

In der Falle

Autor: Harald Schneider

»Mensch, du hast ja Recht«, ant­wor­te­te Kerstin. »Das bedeu­tet, dass Bill sei­nen eige­nen Bruder ent­füh­ren ließ.«

»Das heißt, wir haben es min­des­tens mit drei Gaunern zu tun, schließ­lich kann­te Frau Coleman die bei­den Kerle, die Freddie mit­ge­nom­men hat­ten, nicht.«

Kevin nick­te eif­rig mit dem Kopf. »Eins dürf­te klar sein: Die Gauner war­ten auf dem Parkplatz vor den Schrebergärten auf uns. Wenn wir uns beei­len, kön­nen wir das Versteck der Ganoven unter­su­chen und viel­leicht Freddie befreien.«

Die ande­ren drei stimm­ten ihm still­schwei­gend zu. Ohne ein wei­te­res Wort zu ver­lie­ren, scho­ben sie ihre Räder in ein leer­ste­hen­des Grundstück und ver­steck­ten sie hin­ter einem gro­ßen Brombeerbusch.

Gemeinsam schli­chen sie geräusch­los auf dem glei­chen Weg, den Kevin vor­hin genom­men hat­te, zur Parzelle der Entführer. Sicherheitshalber nah­men sie hin­ter dem schwar­zen Wagen Deckung und über­blick­ten das Grundstück. Doch so sehr sie auch such­ten, sie konn­ten kein Lebenszeichen ausmachen.

»Los jetzt«, flüs­ter­te Sandra ihren Freunden zu.

Sie war kaum zwei Schritte vor­ge­gan­gen, da klin­gel­te das Handy.

»Verdammt«, sag­te sie, wäh­rend sie sofort wie­der hin­ter dem Wagen in Deckung ging. Dann nahm sie das Gespräch an.

Die wil­den Vier wuss­ten genau, war­um die­ser Anruf kam. Sie müss­ten eigent­lich längst auf dem Parkplatz ange­kom­men sein.

»Ja, tut uns leid. Ausgerechnet jetzt hat einer von uns einen Platten bekom­men. Deshalb müs­sen wir unse­re Räder schie­ben. Es wird noch ein paar Minuten dau­ern, bis wir bei Ihnen am Parkplatz sind.« Ein paar Sekunden spä­ter ergänz­te sie: »Nein, Sie kön­nen beru­higt sein, wir machen kei­ne krum­men Dinger. Für sol­che Sachen sind Sie zustän­dig.« Sandra been­de­te das Gespräch und steck­te das Telefon in ihre Tasche.

»Puh, noch mal gut gegan­gen. Los jetzt, wir haben nicht viel Zeit.«

Die vier mach­ten einen wei­te­ren Anlauf, auf das Grundstück zu kom­men. Sie gin­gen durch das unver­schlos­se­ne Gartentor durch den Garten. Die Parzelle schien verlassen.

Plötzlich bemerk­te Kerstin, dass ihr Bruder nicht mehr bei ihnen war. Sie dreh­te sich um und sah ihn vor Bills Motorrad ste­hen. Sie ging ein paar Meter zurück und fauch­te ihn wütend an: »Sag mal, spinnst du jetzt kom­plett? Du kannst doch jetzt kei­ne Pause machen, um dir das Motorrad anzu­schau­en! Wir sind nicht beim Privatfernsehen. Komm jetzt endlich!«

Kevin grins­te und folg­te sei­ner Schwester.

Die ande­ren war­te­ten unge­dul­dig neben dem Campingtisch auf sie.

»Was war los?«, woll­te Sandra wissen.

»Och, mein klei­ner Bruder hat nur ein biss­chen von einem Motorrad geträumt. Dabei kann er nicht mal rich­tig Rad fahren.«

Kevin lächel­te geheim­nis­voll wei­ter, obwohl er genug Grund gehabt hät­te, sich zu ärgern.

Marc hat­te wäh­rend­des­sen den Fotoapparat, der auf dem Tisch lag, unter­sucht. »Ob die Gauner damit ver­sucht haben, die Ringe der Aras im Ebert-Park zu fotografieren?«

»Ist jetzt egal«, dräng­te Sandra. »Lasst uns ver­su­chen, in die Hütte zu kom­men. Anscheinend ist nie­mand da, sonst hät­ten wir schon mäch­tig Ärger.«

Die vier Jugendlichen gin­gen zur Eingangstür. Kerstin drück­te in Zeitlupe die Klinke. Es war abgeschlossen.

Ratlos schau­ten sie sich an. Plötzlich ging Kevin zurück zu dem Campingtisch und nahm sich die dort lie­gen­de abge­win­kel­te Flachzange. Damit ging er direkt zur Eingangstür. Er setz­te die Zange wie einen Dietrich an.

»Ich schät­ze, das dürf­te funk­tio­nie­ren. Das ist ein ganz altes Schlüsselloch. So was habe ich frü­her mit dem Zeigefinger geöffnet!«

Es mach­te lei­se ›Klick‹ und die Tür sprang auf.

Kevin steck­te die Zange cool in sei­ne Hosentasche und betrat die Hütte. Die ande­ren folg­ten ihm unmit­tel­bar darauf.

Das Innere des Häuschens barg auf den ers­ten Blick kei­ne Überraschung. Unter dem Fenster, des­sen Vorhang zuge­zo­gen war, stand eine Couch. Eine Eckbank mit Tisch und zwei Stühlen sowie eine klei­ne Küchenzeile ver­voll­stän­dig­ten das Inventar. Hinten war ein klei­ner Raum abge­trennt, des­sen Tür ver­schlos­sen war.

Neben der Spüle lagen Fotos, die ein­deu­tig von den Aras im Ebertpark stammten.

»Seht euch die Bilder an«, flüs­ter­te Kerstin. »Wir hat­ten Recht, da sind die Registrierungsringe der Aras in Großaufnahme drauf.«

Sie ging zum Fenster, zog den Vorhang zurück und schau­te genau­er hin.

»Trotz der Größe kann man die Zahlen auf den Ringen nicht ein­deu­tig erken­nen. Das muss für die Ganoven ziem­lich frus­trie­rend gewe­sen sein.«

Marc hat­te wäh­rend­des­sen die rück­wär­ti­ge Tür geöff­net und schau­te in eine klei­ne Kammer.

»Was ist da drin?«, woll­te Sandra wis­sen und kam ihm nach.

»Nur Decken, Schlafsäcke und so Zeug.« Sie woll­te sich gera­de des­in­ter­es­siert abwen­den, da stutz­te sie.

»He, Moment, da stimmt etwas nicht.« Sandra ging in die Kammer und zog meh­re­re Decken von einem Stapel. Darunter kam eine gro­ße Truhe zum Vorschein. Sie öff­ne­te den Deckel und blick­te auf den gefes­sel­ten und gekne­bel­ten Freddie.

»Schnell, kommt her«, rief sie zu den ande­ren, wäh­rend sie begann, den Knebel in Freddies Mund zu entfernen.

Dieser brach­te nur ein Grunzen und Stöhnen her­aus und starr­te ver­wun­dert die Jugendlichen an. Marc hat­te bereits sein Taschenmesser gezückt und die Fesseln zer­schnit­ten. Freddie stieg steif aus der Truhe und dehn­te sei­ne Gliedmaßen.

»Wo kommt ihr denn her?«, woll­te er wis­sen. »Wie habt ihr her­aus­ge­fun­den, dass mein Bruder mich ent­füh­ren ließ? Seine Kumpels sind euch doch auf der Spur gewesen.«

»Ja, ja, das sind sie immer noch«, ant­wor­te­te Sandra. »Hauptsache ist, dass wir Sie gefun­den haben.«

»Ich weiß auch nicht, was in mei­nen Bruder gefah­ren ist. Ein biss­chen ver­rückt war er schon immer. Aber jetzt scheint er kom­plett durch­ge­dreht zu sein. Nur weil ich zwei Aras ver­schenkt habe, stellt euch das mal vor!« Freddie hat­te inzwi­schen auf einem der Stühle im vor­de­ren Raum Platz genommen.

»Wissen Sie, war­um Ihr Bruder Bill unbe­dingt die Papageien zurück­ha­ben woll­te?«, frag­te Marc.

Freddie schüt­tel­te den Kopf. »Zuerst wuss­te ich es nicht. Dann hör­te ich von euch und eurem Kommissar, dass die Vögel gestoh­len wur­den. Da wur­de ich stut­zig, da Bill mich kurz vor dem Diebstahl um die Registrierungspapiere der bei­den Vögel gebe­ten hat­te. Da ich ja wuss­te, dass sie gefälscht waren, habe ich ihm gesagt, dass ich sie nicht habe. Da ist er rich­tig wütend gewor­den. Als er dann her­aus­fand, dass es sich um drei Aras han­del­te, die ich vom Hauptzollamt bekom­men hat­te, dreh­te er völ­lig durch. Er droh­te, die Papageienzucht zu schlie­ßen. Er woll­te sofort den drit­ten Papagei haben. Da habe ich ihn ange­lo­gen und gesagt, dass ich den eben­falls ver­schenkt hätte.«

»Das hat er Ihnen geglaubt?«, frag­te Sandra.

»Ja, bis heu­te. Da hat er her­aus­ge­fun­den, dass ich gelo­gen habe. Inzwischen hat­te ich den Ring und die Papiere versteckt.«

»Wissen Sie, war­um er die gefälsch­ten Registrierungen will? Damit kann man doch nichts anfan­gen«, hak­te Kevin nach, doch Freddie zuck­te nur mit den Schultern.

»Da fragst du mich zu viel. Ich habe nicht die lei­ses­te Ahnung, was das gan­ze Spiel zu bedeu­ten hat.«

Sandra hat­te eine wei­te­re Frage: »Sie haben vor­hin gesagt, dass Ihr Bruder die Zuchtstation schlie­ßen will. Wir dach­ten bis­her, Sie sei­en der Geschäftsführer. Wie kann Ihr Bruder Ihnen mit Schließung drohen?«

»Ja lei­der, das kann er. Er ist der eigent­li­che Chef des Unternehmens. Ich darf mich zwar Geschäftsführer nen­nen, bin aber in Wirklichkeit nur ein ein­fa­cher Angestellter. Bisher hat mich mein Bruder immer schal­ten und wal­ten las­sen, wie ich es woll­te. Erst seit die­ser mys­te­riö­sen Papageiensache ist er so komisch.«

Marc schau­te auf sei­ne Uhr. »Ich den­ke, wir soll­ten erst mal das Weite suchen. Sonst kommt Ihr Bruder mit sei­nen Helfern zurück und fin­det uns hier.«

Freddie Coleman stand besorgt auf. »Du hast Recht, lasst uns ver­schwin­den. Ich habe kei­ne Ahnung, wo wir sind. Ich hat­te wäh­rend der gan­zen Fahrt die Augen ver­bun­den. Und, äh …« Er erstarr­te, als er bei­läu­fig aus dem Fenster schau­te. Eine dro­hen­de Grimasse lächel­te ihn von außen an.

Im glei­chen Moment hat­ten es die Jugendlichen auch bemerkt. Freddies Bruder Bill und ein wei­te­rer Mann betra­ten wütend die Hütte.

»Da seid ihr ja!«, begann Bill mit aggres­si­ver Stimme. »Wie ich euch ken­ne, habt ihr bestimmt nur Flickzeug für euer Fahrrad gesucht und seid dabei rein zufäl­lig auf mei­nen Bruder gestoßen.«

Mit einer kur­zen Geste bedeu­te­te er dem vor dem Fenster war­ten­den Mann, die Umgebung zu beob­ach­ten, damit sie nicht gestört wurden.

»Na, jetzt sitzt ihr aber ganz schön in der Klemme. Wenn ihr den Zahlencode wie ver­ab­re­det bei uns am Parkplatz abge­lie­fert hät­tet, dann wäre alles in Ordnung gewe­sen und wir hät­ten euch viel­leicht gehen las­sen. Warum habt ihr uns nur so lan­ge war­ten las­sen? Nun habt ihr sicher­lich Verständnis dafür, dass ich euch nicht mehr lau­fen las­sen kann.«

»Um Himmels wil­len, Bill! Was ist denn in dich gefah­ren?», rief Freddie. »Du kannst doch nicht die­se Jugendlichen kid­nap­pen. Es ist schlimm genug, dass du mich ent­führt hast.«

»Halt die Klappe, Bruder. Du hast kei­ne Ahnung. Jahrelang hast du brav den Laden geführt ohne zu wis­sen, was läuft. Denkst du wirk­lich, das gan­ze Geld haben wir mit der Zucht und dem Verkauf der paar krei­schen­den Viecher ver­dient? Mensch, bist du aber naiv, hahaha!«

Bill und sein bewaff­ne­ter Kumpan hat­ten die Jugendlichen und Freddie inzwi­schen auf die Eckbank gedrängt. Dort saßen sie und trau­ten ihren Ohren nicht.

Freddie unter­nahm einen neu­er­li­chen Anlauf, sei­nen Bruder umzu­stim­men. »Bill, sag mir wenigs­tens, war­um dir die­se Zahlencodes so wich­tig sind. Ich habe dir doch schon mehr­fach gesagt, dass es sich um Fälschungen von Registrierungen handelt.«

»Hahaha«, lach­te Bill. »Natürlich sind es Fälschungen. Die Papageien und die rich­ti­gen Registrierungsnummern inter­es­sie­ren mich einen feuch­ten Dreck. Ich habe zwei der Codes, nur der drit­te fehlt mir noch.« Er blick­te die wil­den Vier scharf an. »Und eben die­se feh­len­de Zahlenreihe habt ihr mir mit­ge­bracht. Das hof­fe ich wenigs­tens für euch. Los, gebt sie mir sofort.«

Sandra schau­te ihn frech an. »So ein­fach geht das nicht. Was wol­len Sie machen, wenn wir sie nicht haben?«

»Blödsinn, du weißt genau, was wir dann tun. Zuerst durch­su­chen wir euch und glaubt ja nicht, dass wir dabei zim­per­lich vor­ge­hen. Wenn ihr den Zahlencode wirk­lich nicht dabei­habt, dann liegt er in dem Ordner im Büro. Mein Bruder war so nett, uns den rich­ti­gen Ordner zu nennen.«

Sandra befand sich in einer Zwickmühle. Schließlich zog sie einen zer­knit­ter­ten Zettel aus ihrer Hosentasche und gab ihn Bill.

»Hast du es also doch kapiert?«, grins­te er. »Wir fackeln näm­lich nicht lan­ge. So, lass mal schau­en.« Er blick­te auf die Zahlen, stutz­te, und schau­te dann böse auf Sandra. »Du willst mich wohl ver­äp­peln? Das sind nicht die rich­ti­gen Zahlen!« Er wur­de immer lau­ter und war nah dran, vor Wut in die Luft zu gehen.

Sandra blieb unbe­küm­mert sit­zen und reagier­te nicht auf das Geschrei des Ganoven.

Als Bill nach Luft schnapp­te, sah sie ihm direkt in die Augen und sag­te in einem Tonfall, als gin­ge es nur um das Wetter: »Sie glau­ben doch nicht, dass wir Ihnen die rich­ti­gen Zahlen auf einem gol­de­nen Teller prä­sen­tie­ren. Damit Sie sich kei­ne fal­schen Hoffnungen machen, die rich­ti­gen Zahlen und der Ring sind längst nicht mehr im Ordner. Ich habe bei­des gut versteckt.«

Bill wur­de noch wüten­der. Er nahm eine Blumenvase vom Tisch und warf sie mit vol­ler Wucht an die Wand neben dem Fenster. Mit lau­tem Knall zer­brach sie in tau­send Teile.

Kerstin, Kevin und Marc waren mit der Situation über­for­dert. Was hat­te ihre Freundin vor?

Schließlich bekam sich Bill eini­ger­ma­ßen in den Griff. »Wie ihr wollt. Dann müsst ihr halt noch eine Weile hier­blei­ben. Und du«, er deu­te­te auf Sandra, »fährst jetzt mit Kalli zum Büro. Und wenn du noch ein­mal ver­suchst, krum­me Touren zu machen, ergeht es dir und dei­nen Freunden schlecht, ver­stan­den? Die ande­ren drei wer­den gefes­selt.« Er wand­te sich an Kalli, der neben ihm stand. »Pass gut auf sie auf. Wenn du die Zahlen hast, gibst du mir Bescheid, okay?«

Kalli nick­te zackig. »Ja, Boss, das wird nicht lan­ge dauern.«

Er fass­te Sandra an ihrem Oberarm, dass sie mein­te, er hät­te Schraubstöcke an sei­nen Armen. Sie hat­te kei­ne Chance zu flie­hen, der Mann muss­te Bodybuilder sein.

Sandra hat­te den­noch die gan­ze Zeit gehofft, zurück ins Büro zu kom­men. Sie hat­te näm­lich noch einen Joker in der Tasche. Dazu durf­te sie aller­dings nicht gefes­selt sein.

Frage: Welchen Joker hat­te Sandra in ihrer Tasche?

Antwort: .etnnok netro eis nam timad ‚nez­te­suz­ba furtoN nenie ‚neg­ni­leg rhi se nnak thcielleiV .nekcets­nie eidderF nov ydnaH sad tah eiS