Cover Die wilden Vier - Band 3

Gefährliche Aktionen

Autor: Harald Schneider

Kalli schob Sandra zur Tür hinaus. Sie drehte sich noch einmal kurz um und lächelte ihren Freunden vielsagend zu. Diese saßen zusammen mit Freddie auf der Eckbank zwischen Bill und dem dritten Komplizen, der inzwischen zurückgekommen war.

Kalli überblickte einen Moment lang das Gelände, ehe er Sandra grob in Richtung Kastenwagen zog.

»So Fräulein, ein Mucks von dir und dir wird es schlecht ergehen. Du steigst bei mir auf der Fahrerseite ein, die Beifahrerseite kann man von innen blockieren. Kindersicherung nennt man das, hahaha!«

Er schloss die Fahrertür auf und vergewisserte sich erneut mit einem Rundumblick, dass sie wirklich alleine waren. Dann stieß er seine Gefangene ins Auto.

»He, pass auf, du Idiot. Das tut weh!« Sandra war in ihrer Anrede nicht zimperlich.

Kalli lachte nur, bevor er frech grinsend antwortete: »Sei bloß ruhig, ihr seid selbst schuld. Was mischt ihr euch in Angelegenheiten von Erwachsenen? Ihr hattet die Möglichkeit, uns die Codenummer am Telefon durchzugeben. Alles wäre in Ordnung gewesen und wir hätten Freddie freigelassen. Aber nein, ihr Besserwisser wollt es unbedingt auf die harte Tour. Also beschwer dich nicht.«

Sandra beobachtete, wie Kalli den Wagen anließ und langsam durch die Wege der Gartenanlage fuhr. Irgendwie hatte er sie immer im Blick. Sie hatte keine Gelegenheit, das Handy unbemerkt aus ihrer Hosentasche zu ziehen.

Es schien, als könnte Kalli Gedanken lesen. »Hör zu, wenn ich dich bei irgendwelchen verdächtigen Bewegungen erwische, muss ich dich fesseln. Wir kommen jetzt gleich auf die Straße. Ich möchte nicht, dass du einen Passanten auf uns aufmerksam machst, haben wir uns verstanden?«

Eingeschüchtert nickte Sandra, ohne etwas zu antworten. So schwer hatte sie es sich nicht vorgestellt. Doch es wurde noch schlimmer. Die Fahrt entwickelte sich zu einem Horrortrip. Das Handy in ihrer Hosentasche begann sich plötzlich lautstark zu melden. Damit hatte sie wirklich nicht gerechnet.

Kalli erschrak ebenfalls und legte eine Vollbremsung hin. Die beiden befanden sich noch auf dem Parkplatz vor den Schrebergärten. Er brauchte einen Moment, bis er begriff, was das war.

»Ach, so ist das!«, begann er mit drohender Gebärde. »Hast du gedacht, wir entdecken das Handy nicht? Damit wolltest du wohl die Polizei verständigen? Nichts da, los gib mir sofort das Ding!«

Sandra blieb nichts anderes übrig, als das Mobiltelefon missmutig aus ihrer Hosentasche zu ziehen und es Kalli zu übergeben.

»Mal sehen, wer dran ist. Und du hältst schön brav die Schnauze, okay?«

»Ja«, meldete er sich anonym.

»Ach du bist es, Chef. Ja, meine Beifahrerin hatte das gute Stück in ihrer Hosentasche. Gut, dass es dir eingefallen ist. Das hätte böse enden können. So langsam fangen die Kids an, mich zu nerven.«

Nun schien Bill zu reden. Kurz darauf sprach dann wieder Kalli: »Wird gemacht, Chef. Ich melde mich auf diesem Handy, sobald ich den Zahlencode habe. Bis später.«

Er beendete das Gespräch und steckte das Handy ein.

Wortlos ließ er den Motor an und bog auf die Straße. Sandra schaute aus dem Beifahrerfenster und ignorierte Kalli komplett.

Dieser musste sich auf die Strecke konzentrieren, anscheinend war die Gegend fremd für ihn. Trotz allem dauerte es nur ein paar Minuten, bis sie wenige Häuser von der Papageienzuchtstation entfernt ankamen.

Kalli legte den zweiten Gang ein und ließ den Wagen im Schritttempo an der Hofeinfahrt vorbeirollen. Er schaute an Sandra vorbei in den Innenhof, ohne jedoch irgendetwas Verdächtiges zu bemerken. An der nächsten Kreuzung wendete er, um ein zweites Mal bei gemächlichem Tempo in die Einfahrt blicken zu können.

»Die Luft scheint rein zu sein«, sagte Kalli zu sich selbst. »Bills Mutter wird es nicht gewagt haben, die Polizei anzurufen.« Er wendete erneut. Diesmal fuhr er in den Hof hinein. Er war leer. Zufrieden nickte er und stellte den Wagen ab.

»Raus mit dir!«, befahl er Sandra.

Sandra folgte der Aufforderung. Sie schob sich über den Fahrersitz und stieg auf der Fahrerseite aus. Sie schaute sich um, doch auch sie konnte nirgendwo ein Lebenszeichen wahrnehmen. Wo steckte Frau Coleman? Hoffentlich hatte sie sich rechtzeitig in Sicherheit gebracht. Sie wurde jäh aus ihren Gedanken gerissen, als der Gauner sie wieder am Oberarm packte.

»Komm jetzt!«, befahl er ihr. »Jetzt ist nicht die Zeit zum Träumen.« Er zog sie hinter sich her. Mit großen Schritten ging er in Richtung Büro.

Gleich wird Elvis über ihn herfallen, hoffte Sandra und machte sich bereit, um den Überraschungseffekt zur Flucht ausnutzen zu können.

Doch die Überraschung war anders, als sie es sich vorstellte: Es kam kein Elvis angerannt, als Kalli die Bürotür öffnete. Es war überhaupt niemand da.

Enttäuscht schaute sich Sandra um. In der Ecke stand die benutzte Wasserschale, die Elvis vor ihrer Abfahrt bekommen hatte. Alles war wie vorhin. Doch wo war ihr Dalmatiner geblieben?

»Los, mach schon, wo ist der Zahlencode?« Die laute Stimme Kallis ließ sie zusammenzucken. Was sollte sie machen? Ihm eine falsche Nummer geben? Nein, das würde das Ganze nur kurz verzögern, denn Bill würde es sofort bemerken, wenn Kalli die Nummer telefonisch durchgibt.

Sie holte den Ordner aus dem Regal und blickte den Ganoven scharf an. Mit einer lässigen Bewegung warf sie den Ordner auf einen der Schreibtische.

»Bitte bedienen Sie sich, da ist alles drin.«

Kalli stürzte sich auf den Aktenordner. Er schaute zuerst interessiert, doch nach wenigen Sekunden schimpfte er sauer: »Was soll der Blödsinn? Willst du uns schon wieder veräppeln?«

Sandra war verwirrt. Sie nahm den Ordner und sah ebenfalls hinein. In der Klarsichthülle, in der vorhin der Ring gewesen war, lag ein handgeschriebener Zettel, auf dem stand: Das Spiel ist aus!

Kalli schaute das Mädchen sehr zornig an. »Das einzige Spiel, das aus ist, ist das eure. Rück jetzt endlich den Ring heraus!«

»Irrtum, mein Lieber.«

Kalli drehte sich schlagartig herum. Ihm standen drei Polizisten gegenüber. »Sie irren. Ihr Spiel ist aus«, sagte Kommissar Greulich in bittersüßem Ton. »Sie haben sicherlich Verständnis dafür, dass wir Sie festnehmen müssen, oder?«

Kalli ließ sich widerstandslos festnehmen und abführen. Es war ihm unbegreiflich, wie plötzlich die Polizei erscheinen konnte.

»Na, ist alles in Ordnung?«, fragte Greulich. »Warum müsst ihr nur immer in solche Abenteuer hineingeraten?«

»Herr Greulich«, rief Sandra aufgeregt. »Wir müssen zu den anderen in die Gartenanlage fahren, die werden dort gefangen gehalten!«

»Keine Panik. Das wissen wir längst. Die Befreiungsaktion läuft gerade. Wir fahren gleich hin. Ich denke, du möchtest bestimmt mitkommen?«

Na klar wollte Sandra.

»Wo ist eigentlich Elvis?«, fragte sie.

»Euer Dalmatiner?«, antwortete Greulich erstaunt. »Der war nicht hier, als wir ankamen. Da kann ich dir leider nicht weiterhelfen.«

Kalli war bereits weggebracht worden. Auch von Frau Coleman sah Sandra keine Spur, als sie zu Greulich in den Wagen stieg. Der Kommissar sah das verwunderte Gesicht der jugendlichen Detektivin.

»Du musst nicht denken, dass wir hellsehen können. Frau Coleman hat uns benachrichtigt. Zuerst wurde ihr Sohn entführt, dann kamen plötzlich aus dem Nichts vier Jugendliche. Das hat sie ziemlich überfordert. Wir haben sie zur Sicherheit in ein Krankenhaus gebracht. Daraufhin haben wir natürlich sofort das Handy von Freddie abhören lassen. So haben wir gerade noch rechtzeitig das Telefonat zwischen diesem Kalli und Freddies Bruder Bill mitbekommen. Dabei gelang es uns, die Gauner zu orten. Ich denke, inzwischen müssten sie festgenommen sein.«

Wenige Minuten später kamen sie bei der Schrebergartenanlage an. Auf dem Parkplatz standen mehrere Streifenwagen, Beamte waren nicht zu sehen. Greulich hatte sich während der ganzen Fahrt über Sprechfunk mit seinen Kollegen vor Ort unterhalten. Da sie allerdings sehr viele Abkürzungen und Fachbegriffe nutzten, konnte Sandra nicht wirklich etwas damit anfangen.

Der Kommissar lachte. »Na, dann werden wir mal zu dem Häuschen fahren, wo sich deine Freunde befinden. Da hat sich in den letzten Minuten allerhand getan. Und ein geheimnisvoller Befreier ist aufgetaucht.«

»Geheimnisvoller Befreier? Wer soll das sein?«, fragte Sandra, die sich beim besten Willen nicht vorstellen konnte, was das zu bedeuten hatte.

»Warte noch einen kleinen Moment, dann wirst du es selber sehen«, sagte der Kommissar geheimnisvoll.

Als sie kurz darauf vom Hauptweg abbogen, konnten sie die Parzelle der Gauner sehen. Alles war voll mit Menschen. Polizisten in Uniform, Polizisten in Zivil, Sanitäter, Zuschauer von benachbarten Grundstücken, der Gauner Bill und sein Kumpan in Handschellen. Und da waren auch Kerstin, Kevin und Marc.

Kommissar Greulich hielt den Wagen an. Sandra sprang heraus und rannte so schnell sie konnte zu ihren Freunden, die neben Bills schwerem Motorrad standen.

»Hallo! Ist alles in Ordnung mit euch? Mir geht es gut. Es hat alles super geklappt!«

Kerstin umarmte ihre Freundin. »Gut, dass du wieder da bist. Wir haben uns echt Sorgen um dich gemacht. Erst vor einer Minute hat ein Polizist zu uns gesagt, dass du jeden Moment mit Greulich kommen wirst.«

»Erzählt, was ist passiert?«, wollte Sandra wissen.

Marc zeigte auf die Harley-Davidson. »Damit wollte Bill flüchten. Doch aus irgendeinem Grund sprang die Maschine einfach nicht an.«

Kerstin und Kevin bogen sich vor Lachen.

Sandra kapierte nichts und schüttelte den Kopf. »Ja und? Was ist daran so lustig?«

»Kannst du dich daran erinnern, wie wir zum Haus geschlichen sind und ihr mit mir geschimpft habt, weil ich mir die Maschine etwas genauer betrachtet habe?«, grinste Kevin.

Sandra nickte.

»Ihr habt mich nur zu spät gesehen. Denn ich habe keineswegs das Motorrad bestaunt, sondern ein Zündkerzenkabel gelockert. Und ohne Zündfunken bewegt sich der Motor nicht. Das war Bills Pech.«

Sandra hatte immer noch nicht verstanden. »Ja gut, ich weiß jetzt, dass Bill flüchten wollte und seine Harley nicht ansprang. Aber warum wollte er flüchten? War die Polizei schon da?«

»Die Polizei?«, fragten die Zwillinge und Marc im Chor und fingen erneut an zu lachen.

»Nein, die Polizei kam erst später. Da war noch etwas anderes«, begann Marc und musste vor lauter Lachen seinen Satz abbrechen.

Nun sprach Kevin. »Wir saßen immer noch auf der Eckbank. Auf einmal hörten wir draußen seltsame Geräusche. Irgendjemand schlich sich an. Bill wurde immer nervöser. Er schaute verzweifelt durch das Fenster, konnte aber nichts erkennen.«

Da nun auch Kevin lachte, übernahm seine Schwester: »Irgendwann hat er es gewagt, die Tür einen Spalt weit aufzumachen. Und dann ist es passiert. Es ging in Sekundenschnelle. Zuerst wusste keiner, was eigentlich los war. Und dann der Schrei. Bills Gaunerkollege war sofort außer Gefecht gesetzt. Bill nahm seine Beine unter die Arme und rannte so schnell er konnte zu seinem Motorrad.«

Sandra fühlte sich langsam veräppelt. »Jetzt sagt mir doch endlich, wer sich angeschlichen hat. Auch Kommissar Greulich machte mir vorhin eine Andeutung, dass ein geheimnisvoller Befreier am Werk war. Macht es nicht so spannend, wer war es?«

Frage: Wer war der geheimnisvolle Befreier?

Antwort: .tglofeg ednuerF renies etrhäF red raw rE .sivlE hcilrütan raw sE