Cover Die wilden Vier und der Schatz im Rathauskeller

Die merkwürdige Karte

Autor: Harald Schneider

Nachdem Kerstin zum zweiten Mal vom Telefon zurückkam, erzählte sie freudestrahlend von ihrem Telefonat: „Die Nummer war diesmal ein Volltreffer, Marc. Wie hast du das nur gewusst?“

Marc wollte gerade etwas sagen, da fiel Kevin seinem Freund ins Wort und entgegnete frech: „Klar wusste er es. Er badet schließlich jeden Samstag in dem Zeug!“

Im ersten Moment schaute Marc etwas böse drein, doch dann bemerkte er, dass er bloß auf den Arm genommen wurde. „Ich bade wenigstens regelmäßig“, antwortete Marc. „Bei dir dagegen hält sogar Elvis mindestens zwei Meter Geruchsabstand!“

Wie auf Kommando schaute Elvis auf. Bis jetzt hatte er ruhig in einer Ecke gelegen und vor sich hingedöst. Nun stand er auf, lief zu Kevin, schnupperte an ihm und fing an zu niesen.

Kevin schaute ungläubig aus der Wäsche, während sich seine drei Freunde vor Lachen die Bäuche hielten.

„Elvis, du bist wirklich die schärfste Nummer“, sagte Sandra, nachdem sie sich wieder etwas beruhigt hatte. „Manchmal denke ich, du kannst Gedanken lesen.“

„Wuff“, bellte der Dalmatiner und fing erneut an zu niesen.

„Jetzt erzähl endlich, Kerstin“, versuchte Kevin auf das Telefongespräch zurückzukommen. „Was hat die Marsanek gesagt?“

„Alles im grünen Bereich, Leute. Frau Marsanek scheint schwer in Ordnung zu sein. Sie machte am Telefon einen sehr sympathischen Eindruck. Im Übrigen hat Daniel ihr schon von uns berichtet.“

„Oh verdammt. Das kann nur schief gehen. Der Tollpatsch Daniel hat ihr bestimmt gesagt, dass wir nur den Schatz finden wollen.“

„Du wirst lachen, genau das muss er seiner Tante gesagt haben.“

„Und nun? Die glaubt jetzt, dass wir verrückt sind. Wenn Daniel mit seinen Übertreibungen ein paar unserer Streiche erzählt hat, will die bestimmt nichts mit uns zu tun haben.“

„Da kann ich dich beruhigen. Sie hat sich über unseren Anruf sehr gefreut. Und jetzt kommt das Tollste: Sie hat uns für morgen Mittag zum Tee eingeladen. Und Kuchen gibt es auch.“

„Wuff“, machte sich Elvis wieder bemerkbar. Alle lachten.

„He Elvis, du hast das falsch verstanden. Der Kuchen ist für uns und nicht für dich. Dich werden wir daheimlassen müssen“, bemerkte Marc.

„Auch wieder falsch. Frau Marsanek hat nichts dagegen, dass wir unseren Schlingel auf vier Beinen mitbringen. Habe ich alles abgeklärt.“

„Hat sie noch etwas zu dir gesagt?“, fragte Kevin. „Wie viel weiß sie denn über den Schatz?“

„Nicht viel. Sie glaubt selbst nicht so recht an die ganze Sache. Auf jeden Fall will sie uns morgen alles in Ruhe erklären. Wir sollen allerdings nicht allzu große Erwartungen haben. Sonst wären wir nachher nur umso mehr enttäuscht.“

„Na wunderbar!“, Marc freute sich sichtlich. „Endlich mal wieder ein neues Abenteuer für die wilden Vier!“

Pünktlich zur verabredeten Zeit standen die wilden Vier mit Elvis vor dem Haus von Jutta Marsanek. Es war eine alte Villa aus der Gründerzeit mit vielen dekorativen Verzierungen im Mauerwerk. Noch bevor sie auf die alte Türklingel am Torpfeiler drücken konnten, wurde die Haustür geöffnet und Daniel schrie ihnen durch den Vorgarten entgegen: „Na kommt schon. Wo bleibt ihr so lange? Ich warte schon eine Ewigkeit auf euch!“

„So lange kann’s wohl nicht gewesen sein“, rief Sandra zurück. „Oder hast du heute morgen etwa wegen uns die Schule geschwänzt?“

Mittlerweile hatten die Jugendlichen das Haus fast erreicht. Elvis schnüffelte hartnäckig an einem Busch neben dem Weg. „Komm schon Elvis, lass das. Da ist nichts für dich.“ Nur mit ziemlicher Kraftanstrengung konnte Marc seinen Dalmatiner von einer weiteren Untersuchung des Gestrüpps abhalten.

„Tante, der Besuch ist da“, schrie Daniel in den großen Hausflur hinein.

„Ja ja, ich hab’s gehört, du brauchst nicht so zu schreien. So alt und schwerhörig bin ich nicht.“

Die wilden Vier waren erstaunt, eine so junge Frau vorzufinden. Frau Marsanek mochte höchstens 35 Jahre alt sein und war recht zierlich gebaut. Ihre dunklen langen Haare hatte sie zu einem Zopf zusammengebunden. Wohl auch, damit ihre runden Silberohrringe, so groß wie Bierdeckel, besser zur Geltung kamen.

Der zappelnde Daniel, der aufgeregt danebenstand, passte mit seinem vergrauten Jogginganzug so gar nicht zu ihr.

„Hallo“, lachte Jutta Marsanek den Besuch an. „Da seid ihr ja. Ich freue mich sehr, euch kennenzulernen. Daniel hat viel von euch erzählt.“ Nach kurzem Zögern fügte sie hinzu: „Auch wenn ich glaube, dass er bei seinen Berichten wohl etwas geflunkert hat. Aber Kommissar Greulich hat mir heute Morgen ja auch von euch erzählt. Ich soll euch übrigens schön von ihm grüßen. Er hat mir gesagt, dass ihr mir ruhig helfen könnt, denn diesmal dürfte es kaum so gefährlich sein wie beim letzten Mal, als ihr euch mit echten Banditen angelegt habt.“ Wieder lachte sie. „Übrigens, ihr dürft gerne Jutta zu mir sagen, sonst fühle ich mich so alt. Es ist schließlich noch nicht so lange her, dass ich selbst die Schulbank gedrückt habe.“

„Tante“, unterbrach Daniel Juttas Redefluss. „Das ist der Dalmatiner mit der schwachen Blase, der überall hinpinkelt!“

Marc schaute ihn böse an und wäre ihm am liebsten an die Gurgel gesprungen. „He, wie sprichst du über unseren Elvis? Pass nur auf, dass er dich nicht eines Tages auffrisst. Allerdings besteht die Gefahr nur, wenn er kurz vor dem Verhungern ist. Er ist nämlich sehr verwöhnt, wenn es ums Futter geht.“

Jutta Marsanek stand sprachlos daneben und schaute von einem zum anderen. „Oh, ich hatte keine Ahnung, dass ihr euch nicht sonderlich mögt, aber vielleicht kommt ihr erst mal rein. Dann sehen wir weiter.“

Daniel, die wilden Vier und Elvis folgten Jutta ins Haus. Zunächst führte der Weg durch eine weiträumige und recht hohe Eingangshalle, wie man sie vor hundert Jahren zu bauen pflegte, als man sich noch keine Gedanken über die Heizkosten machte.

Nun bog die Gastgeberin links in ein noch größeres Zimmer ab. Die Einrichtung des Wohnraumes bestand aus alten, schweren Plüschsofas, geschnitzten Schränken und einer Menge Landschaftsbilder, die ringsum an den Wänden hingen.

„Entschuldigt bitte, dass es hier so alt und verstaubt aussieht. Ich kann verstehen, wenn es euch nicht gefällt. Mein Geschmack ist das auch nicht. Das Zeug gehört alles meinen Eltern, vermutlich haben die es von ihren Großeltern übernommen. Ich kann mich nicht erinnern, dass jemals ein neues Möbelstück gekauft wurde. Einmal wurden die Wände gestrichen, das ist jetzt aber auch schon viele Jahre her.“ Sie schaute in die Runde und fügte hinzu: „Dabei hätten es die Wände bitter nötig.“

„Wo sind denn eigentlich Ihre – äh, deine Eltern?“, fragte Kerstin.

„Ach so, das wisst ihr ja noch nicht“, antwortete Jutta. „Meine Eltern sind vor ein paar Wochen in ein Seniorenwohnheim gezogen. Mein Vater hatte einen kleinen Schlaganfall und für meine Mutter wurde die Arbeit, die so ein großes Haus mit sich bringt, zu viel. Der Aufwand, es zu unterhalten, ist immens. Und dann noch der Garten!“

„Und jetzt wohnst nur noch du hier?“

„Ja. Aber setzt euch erst einmal.“ Mit der rechten Hand machte sie eine Bewegung zu einem runden Tisch aus dunklem Teakholz, auf dem Gedecke, eine Teekanne und zwei Kuchen standen.

„Ja“, wiederholte sie. „Seit meine Eltern ins Seniorenheim gezogen sind, wohne ich hier alleine. Im Moment geht das noch, weil ich eine Weiterbildung mache. Ich muss keine Miete zahlen und die Hausnebenkosten wie Strom und Wasser bezahlen meine Eltern. Wenn ich aber nächstes Jahr mit der Weiterbildung fertig bin, will ich mit meinem Freund zusammenziehen. Aber in ein kleineres Haus. Meine Eltern werden dann das Anwesen vermutlich verkaufen. Vom Leerstehen wird’s ja schließlich nicht besser.“

„Mann, so eine Bude als Treffpunkt für die wilden Vier, das wär’s!“, seufzte Marc und verdrehte verzückt die Augen.

„Du kannst gerne einen Staubsauger nehmen und das ganze Haus durchsaugen. Ich bin gespannt, ob dir das Haus dann immer noch gefallen wird. — He, was macht denn euer Hund da?“, rief Jutta entsetzt.

Die wilden Vier drehten sich um und schauten in die gleiche Richtung wie Jutta. „Elvis, spinnst du? Komm sofort hierher!“, schimpfte Marc erschrocken.

Niemand konnte sich erklären, was auf einmal mit dem Dalmatiner los war. Elvis versuchte hartnäckig mit seinen Vorderpfoten einen auf einem Wandregal stehenden Blumenstrauß zu erreichen. Fast hätte er die Vase mit den Blumen erwischt und wahrscheinlich ein Desaster veranstaltet. Marc ging zu Elvis und schimpfte mit ihm.

„He Alter, was soll das? Du kannst nicht einfach die Blumen unserer Gastgeberin klauen. Oder wolltest du die etwa futtern?“

 „Komm, bring ihn besser mit an den Tisch. Soll er lieber ein Stück Kuchen fressen als meine Blumen. Den Strauß habe ich gestern von meinem Freund bekommen“, sagte Jutta sichtlich erleichtert, als der Hund endlich von der Vase abließ.

Daniel wusste es wieder mal besser. „Wenn das mein Hund wäre, hätte ich ihn besser erzogen. Das könnt ihr aber glauben“, gab Daniel hochnäsig an.

Da wurde Marc abermals wütend auf ihn. „Und wenn du mein Mensch wärst, dann hätte ich dich schon längst im Menschenheim abgegeben!“

Jutta versuchte, die Sache zu beenden. „Ich denke, ich werde euch jetzt die Geschichte von meinem Großvater erzählen. Hoffentlich wird’s für euch nicht zu langweilig.“

„Ist das der, von dem die Karte stammt?“, unterbrach sie Kevin.

„Das ist gut möglich. Jedenfalls behauptet mein Vater, dass es seine Handschrift ist. Aber er war ja selbst noch ein Kind, als er seinen Vater, Georg Marsanek, das letzte Mal sah.“

„Was ist denn mit ihm passiert?“

„Mein Großvater war Eisenbahner. Während des Krieges war er zuständig für die Verwaltung und den Betrieb des Hauptbahnhofs in Ludwigshafen. Eines Tages verschwand er spurlos. Man rechnete schon mit dem Schlimmsten. Es muss irgendeinen Streit mit der Stadtverwaltung gegeben haben, das hat mein Vater herausgefunden. Georg Marsanek soll angeblich Geld unterschlagen haben, das mit Postsäcken in der Bahn transportiert wurde. Das hat sich später zwar als Falschmeldung herausgestellt, mein Opa blieb aber trotzdem verschwunden.“

Marc zappelte vor Spannung aufgeregt herum. „Ist er nie mehr aufgetaucht?“

„Danach hat ihn dann tatsächlich niemand mehr gesehen. Erst einige Jahre später, als der Krieg vorbei war, kam von ihm ein Brief aus Südamerika. Der Brief ist inzwischen verloren gegangen, mein Vater kennt aber den Inhalt. Es soll eine Verschwörung gegen seinen Vater gegeben haben und man wollte ihn wegen den angeblich verschwundenen Geldsäcken loswerden. Zum Glück hatte er rechtzeitig Lunte gerochen und ist vorher abgehauen. Er schrieb auch, wo er sein Vermögen versteckt hatte. Das Ganze hat er aber als Rätsel getarnt, das niemand lösen konnte. Irgendwann war der Brief dann verschwunden und mit ihm das Geheimnis um das Vermögen.“

Jutta machte eine Pause, griff nach ihrer Tasse und nahm einen Schluck Tee. „Mein Opa muss zweifellos reich gewesen sein. Ihm gehörte dieses Anwesen und er hatte sogar eigenes Personal bis hin zum Gärtner. Mein Vater hat dann zwar das Haus bekommen, das Vermögen blieb aber bis auf den heutigen Tag verschollen. Seltsamerweise hat das meinen Vater aber nie groß interessiert. Er sagte immer, dass große Reichtümer nur Schwierigkeiten mit sich bringen und wir auch so genügend Geld zum Leben hätten.“

Nun schaute sie gedankenversunken an die Decke. Schließlich nickte sie versonnen. „Als Kind habe ich oft davon geträumt, den Schatz zu finden. Was bin ich überall herumgekrochen. Mein Vater machte sich dann immer über mich lustig und sagte, dass Opa Georg seinen Schatz wohl kaum in seinem Anwesen versteckt hätte. Als ich größer wurde, vertraute er mir an, dass sich sein Vater vermutlich samt seinem Geld nach Südamerika abgesetzt hat.“

Marc wurde wegen der spannenden Geschichte unruhig. Um ein Haar hätte er seinen Teller samt dem Kuchen vom Tisch geworfen. Elvis beobachtete die ganze Zeit den Teller. Hechelnd wartete er darauf, dass etwas für ihn abfiel.

„Wo hast du die Karte gefunden, die wir bei Kommissar Greulich gesehen haben? Sie scheint ja ein wertvoller Hinweis auf den Schatz zu sein“, fragte Kerstin gespannt.

„Das war reiner Zufall“, erzählte Jutta weiter. „Nachdem meine Eltern ins Seniorenheim gezogen sind, habe ich begonnen, den Speicher zu entrümpeln. Dort liegen viele Sachen herum, die meinem Opa gehörten. Einige davon sind sogar noch älter. Zwischen ein paar Büchern habe ich diese Karte gefunden. Da meine Mutter Kommissar Greulich gut kennt und er uns früher schon öfters besuchte, kam ich auf die Idee, ihm die Karte zu zeigen. Er meinte, dass darauf ein deutlicher Hinweis auf den Hauptbahnhof wäre, was ich mir aber nicht vorstellen kann. Warum sollte Opa Georg ausgerechnet an seinem Arbeitsplatz sein Vermögen versteckt haben?“

„Sonst hast du bisher nichts gefunden, was einen Hinweis geben könnte?“, hakte Kerstin nach.

„Nein. Du ahnst nicht, was hier alles an Gerümpel und Zeug rumsteht. Bei uns wurde nie etwas weggeworfen. Hier könntest du Ludwigshafens größten Flohmarkt eröffnen. Wie wäre es mit einem defekten Bügeleisen aus den fünfziger Jahren oder einer Tischdeckensammlung aus der Weimarer Republik? Mein Freund Sven unterstützt mich tatkräftig beim Aufräumen, wenn er Zeit hat. Eigentlich mache ich das nur, weil mich alte Sachen faszinieren. Die ganze Aktion ist sehr spannend, weil man nie weiß, was man im nächsten Moment aus einer alten vergammelten Kiste oder einem Schrank zieht.“

In diesem Moment fing Elvis an zu knurren. Die wilden Vier schauten sich einander erstaunt an, denn einen Grund dafür konnten sie nicht erkennen.

„Was ist los mit dir, Elvis? Du hast heute wirklich einen extrem unruhigen Tag. Zuerst bellst du draußen ein Gebüsch an, dann willst du die Blumen fressen und jetzt willst du dich wahrscheinlich noch auf unseren Kuchen stürzen. Aber nicht mit uns. Du bleibst schön da liegen!“, schimpfte Marc, doch Elvis war anscheinend aus einem anderen Anlass aufgeregt. Denn es hatte jemand das Haus betreten. Elvis musste den Fremden gewittert haben.

„Ach, das wird mein Freund Sven sein. Er hat einen eigenen Schlüssel“, meinte Jutta, als sie die Schritte vernahm.

Wie auf Kommando ging die große Doppeltür auf und ein junger Mann trat ein. Elvis ließ sich nicht mehr stoppen. Mit einem Satz war er bei Sven und versuchte, ihm an den Hals zu springen.

Juttas Freund war total geschockt, schließlich kannte er Elvis nicht. „Hilfe, hau ab, du Köter. Jutta, was soll das Vieh in der Wohnung?“ Verzweifelt versuchte er, den Dalmatiner abzuschütteln, der hing aber hartnäckig an seiner Jacke und sprang ohne Unterlass an ihm hoch.

Marc hatte sich nach einer langen Schrecksekunde gefasst. „Elvis, bei Fuß!“, schrie er aus voller Kehle. Doch der Dalmatiner schaute ihn nur kurz an, bevor er wieder an dem Mann hochsprang.

Kerstin, die näher saß, war schon auf dem Weg zu dem durchgeknallten Hund. Sie zog an seiner Halskette, bis er endlich von Sven abließ. Sie schimpfte fürchterlich mit Elvis, bevor sie ihn Marc übergab, der seinen Hund nun am Halsband festhielt.

Marc stammelte verwirrt eine Entschuldigung: „Tut mir wirklich sehr leid. So etwas hat er noch nie gemacht. Ist ihnen etwas passiert?“

„Nein, zum Glück nicht. Ich bin nur sehr erschrocken. Ich habe keine Ahnung, was dieses Biest von mir wollte. Normalerweise stehen Hunde nicht so auf mich“, brummelte Sven.

Jutta, die vor Schreck die ganze Zeit wie angewurzelt auf ihrem Stuhl saß, stand auf und begrüßte ihren Freund.

„Hallo Sven, so früh habe ich noch gar nicht mit dir gerechnet. Das sind übrigens die wilden Vier, ich habe dir von ihnen erzählt. Und den Daniel kennst du ja.“

„Ich war etwas früher fertig mit meiner Arbeit, und da dachte ich, dass wir heute mehr Zeit für die Suche haben“, erklärte Sven. Und zu den wilden Vier sagte er: „Ihr wollt also meiner Freundin helfen, das Vermögen ihres Großvaters zu finden? Das wird nicht nötig sein. Wenn es etwas gibt, dann finden wir es alleine. Ihr seht also, es gibt nichts für euch zu tun. Am besten geht ihr heim und macht eure Hausaufgaben.“

„Aber Sven, was ist denn mit dir los?“, rief Jutta erstaunt. „Du weißt ganz genau, wie groß das Haus ist, und dass wir es nie alleine schaffen werden, alles zu durchstöbern. Kommissar Greulich hat mir erzählt, die wilden Vier hätten schon so manchen kniffligen Fall gelöst. Warum sollten wir sie nicht mitsuchen lassen? Vielleicht haben sie einen guten Riecher?“

Sven grummelte irgendetwas Unverständliches vor sich hin, schenkte sich eine Tasse Tee ein, nahm sich ein Stück Kuchen und fing ohne weiteren Kommentar an zu essen.

Sandra versuchte, die peinliche Situation zu beenden. „Jutta, hast du für uns eine Kopie der geheimnisvollen Karte, die wir bei Kommissar Greulich gesehen haben?“

„Natürlich habe ich eine Kopie, Greulich hat das Original. Ich kann sie euch aber leider nicht mitgeben, da ich selbst nur diese eine Kopie habe. Ich weiß aber nicht, ob euch diese Karte überhaupt weiterhelfen wird. Die verschiedenen Zeichen sind für mich die reinsten böhmischen Dörfer. Ich bin mir fast sicher, dass es irgendetwas mit diesem Haus zu tun hat.“

Kerstin, die Computerexpertin der wilden Vier, zog ihr Handy aus der Tasche. „Hast du was dagegen, wenn ich die Karte fotografiere? Dann könnten wir zuhause versuchen, damit zurecht zu kommen.“

„Na klar, darfst du das machen. Die Karte geht davon ja nicht kaputt. Oder hast du was dagegen, Sven?“

Sven schien tatsächlich etwas sagen zu wollen, aber er besann sich und blieb eine Antwort schuldig.

Kerstin hatte die Karte auf den Tisch gelegt und zwei oder drei Aufnahmen gemacht. „Vielen Dank, Jutta. Wir werden uns die Karte daheim an unserem Computer anschauen. Wenn wir etwas rausbekommen, geben wir dir gleich Bescheid.“

„Dürfen wir morgen wieder vorbeikommen und bei der Suche helfen?“, fragte Kevin. „Am liebsten würde ich gleich heute anfangen, aber es ist schon recht spät.“

„Ihr dürft immer kommen, wenn ihr wollt. Dann zeige ich euch morgen das ganze Haus. Ihr werdet staunen, wie groß es ist.“

„Und ich komme auf alle Fälle auch, Tante“, rief Daniel eifrig.

Die wilden Vier ließen wie auf Kommando gleichzeitig ihre Köpfe hängen. „So ein Mist, jetzt haben wie den Kerl morgen wieder an der Backe“, dachten alle vier mehr oder weniger wörtlich.

Die ganze Gruppe stand auf. Marc hatte nach wie vor Elvis fest im Griff, der sich anscheinend etwas beruhigt hatte. Nur gelegentlich knurrte er noch Juttas Freund an.

„Wenn die Kids endlich weg sind, fange ich draußen an, Jutta“, sagte Sven. „Ich habe gestern im Garten mein Halstuch verloren. Das muss dort irgendwo liegen. Es ist das teure aus Seide, das du mir geschenkt hast. Das will ich auf jeden Fall wiederhaben.“

„Gut, dann fang im Garten an. Ich verabschiede unseren Besuch.“

Gemeinsam verließen alle das Haus. Am Eingang verabschiedeten sich die Vier. Daniel wollte noch etwas bei seiner Tante bleiben.

„Vielen Dank für alles, Jutta! Es ist wirklich schön hier“, sagte Sandra. „Wir sind gespannt, ob wir das Vermögen deines Opas finden!“ Die Vier machten sich auf den Weg in ihren Clubraum. Elvis trottete nebenher und war wieder so brav wie immer.

„Mann, ist das ein Schuppen!“, rief Kevin, als sie außer Hörweite waren. „In diesem Haus ist echt Platz ohne Ende. Ich bin auf die Führung morgen Mittag gespannt.“

„Ich auch“, fügte Kerstin an. „Aber zuerst wollen wir uns daheim mal in aller Ruhe die Karte am Computer anschauen. Vielleicht finden wir einen ersten Anhaltspunkt.“

„Komisch, dass Jutta überzeugt ist, dass das Vermögen im Haus versteckt ist, wo Kommissar Greulich meint, dass die Karte etwas mit dem Hauptbahnhof zu tun hat“, überlegte Marc laut.

„Tja, wir können nur hoffen, dass Jutta Recht hat“, befand Kerstin. „Der Hauptbahnhof wurde nämlich in den siebziger Jahren abgerissen. Erinnert ihr euch? Dort steht jetzt das Rathauscenter. Das hat uns Greulich damals gesagt. Also, ich bin jetzt kolossal auf die Karte gespannt!“

Eine Viertelstunde später saßen Kevin, Marc und Sandra in ihrem Clubraum und schauten Kerstin zu, die die Bilder in den Computer lud und anschließend Vergrößerungen ausdruckte. „Ich hab die Fotos vierfach vergrößert, damit wir etwas erkennen können“, erklärte Kerstin, als sie die Ausdrucke an ihre Freunde verteilte.

Gespannt schauten alle vier auf die ausgedruckten Vergrößerungen. Es handelte sich offensichtlich um einen Teil eines Gebäudeplanes. Deutlich waren mehrere Räume zu erkennen, die miteinander verbunden waren. In den Räumen, daneben und auch sonst überall auf dem Plan verteilt, waren seltsame Buchstabengruppen verteilt.

„Die Wörter ergeben überhaupt keinen Sinn“, begann Sandra die Analyse. „Das sind wahrscheinlich allesamt Abkürzungen.“

„Die verschnörkelte und verwischte Handschrift macht es nicht gerade einfacher“, fügte Kevin hinzu.

„Lasst uns mal sehen, aus welchen Buchstabengruppen wir etwas erkennen können. Da steht „2UG“ und hier das gleiche und dort auch noch mal. Das scheint interessant zu sein.“

Sandra hatte trotz der Vergrößerungen ihre Lupe zu Hilfe genommen. „Und hier ganz oben steht „HBF“ und ein Stück rechts davon „BST4“.

„Die Raumanordnung ist ebenfalls seltsam“, ergänzte Marc. „Das ist das reinste Labyrinth. Ohne Karte würde man sich bestimmt verlaufen.“

„Wahrscheinlich sind das nur die wichtigsten Räume und die weniger wichtigen wurden weggelassen. Das könnte die komische Form der Gebäudestruktur erklären“, vermutete Sandra.

„Hier stehen auch noch Zeichen“, unterbrach Marc. „Man kann sie aber nur schwer erkennen. Das eine sieht wie ein „Y“ aus, diese beiden hier wie „DG“ und das hier kann man überhaupt nicht mehr lesen.“

„Tja, das ist schon eine harte Nuss. Zum Glück wissen wir jetzt, dass mit der Karte ganz klar der Hauptbahnhof gemeint ist“, stellte Kevin siegessicher fest.

„He, wieso bist du dir da so sicher?“, fragte Kerstin skeptisch. Die anderen beiden schauten ebenfalls verwundert drein.

Frage: Woran erkannte Kevin, dass die Karte etwas mit dem Hauptbahnhof zu tun haben musste?

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