Cover Die wilden Vier und der Schatz im Rathauskeller

Im Keller des Rathauscenters

Autor: Harald Schneider

Der nächste Tag begann enttäuschend. Normalerweise hätten sie heute in der ersten Doppelstunde Geschichte bei Herrn Gimpel. Gleich in der ersten Pause wollten die wilden Vier ihn wegen des Rathauscenters interviewen.

Leider kam es dazu nicht. Ein Vertretungslehrer teilte ihnen mit, dass Herr Gimpel eine Weiterbildung machte und deshalb heute keinen Unterricht abhalten würde. Die Enttäuschung war klar. Doch was sollten sie machen?

Am Nachmittag kamen Marc und Sandra schlecht gelaunt zu den Zwillingen in den Clubraum. Kerstin saß auf der Couch und las Zeitung.

„Mist, was machen wir jetzt nur? Jede Stunde, die wir warten, kann zu unserem Nachteil sein. Irgendjemand ist gerade dabei, das Geheimnis des Schatzes zu entdecken. Und ob der so ehrlich ist wie wir, mag ich bezweifeln.“

„Hört euch das mal an“, fiel Kerstin ihrem Bruder ins Wort. „Das bringt uns zwar nicht weiter, ist aber immerhin ein Versuch wert.“

Kerstin faltete die Zeitung zusammen, sodass nur noch ein Artikel zu sehen war. Sie las vor:

„Die Stadtverwaltung informiert: Morgen findet um 15 Uhr im Keller des Rathauscenters eine Fahrradversteigerung des Fundbüros statt. Sämtliche Fahrräder, die seit mehr als einem Jahr im Fundus stehen und noch nicht abgeholt wurden, werden zu einem Startpreis ab 1€ versteigert. Hierzu ist die Bevölkerung der Stadt Ludwigshafen herzlich eingeladen. Interessenten benutzen bitte den Aufzug in der Empfangshalle, um in das erste Untergeschoß zu gelangen. Der Weg zum Versteigerungsort ist ausgeschildert. Hochachtungsvoll — Die Oberbürgermeisterin.“

„Na, wenigstens ein kleiner Hoffnungsschimmer. Da können wir uns bestimmt unauffällig umschauen. Jetzt brauchen wir nur noch einen Plan des Kellers.“

„Ich würde mir da keine so große Hoffnung machen. Der Keller unter dem Rathauscenter ist nicht sehr alt. Das Kellergewölbe vom Hauptbahnhof wurde damals zugeschüttet, wie der Archivar gesagt hat.“

Kevin wippte nervös von einem Fuß auf den anderen. „Egal, ich halt die Warterei nicht mehr aus. Ich geh jetzt zu Herrn Gimpel. Vielleicht ist er schon zu Hause.“

„Okay, ein Versuch ist es auf jeden Fall wert“, stimmte Kerstin zu. „Er wohnt zum Glück nur zwei Straßen weiter.“

„Ich hätte nie gedacht, dass ich den Gimpel mal freiwillig besuche“, sagte Kevin, dem das Fach Musik ein Graus war.

Die Kameraden brauchten kaum zwei oder drei Minuten, bis sie am Haus des Lehrers angekommen waren. Kerstin drückte fest auf die Klingel. „Und jetzt alle mal Daumen drücken!“

In diesem Moment öffnete sich die Haustür und eine Frau in einem geblümten Kleid fragte sie: „Ja, bitte?“

„Entschuldigen Sie, Frau Gimpel. Ist ihr Mann zu sprechen? Es ist sehr wichtig!“

„Das kommt aber nicht gerade oft vor, dass die Schüler meines Mannes ihn daheim besuchen. Ihr habt Glück, er ist vor fünf Minuten heimgekommen. Kommt rein.“

Frau Gimpel geleitete die vier, die ohne Elvis unterwegs waren, ins Arbeitszimmer ihres Mannes. Der Lehrer war höchst erstaunt, die wilden Vier zu erblicken.

„Das ist aber eine Überraschung.“ Er rückte die kleine, eckige Lesebrille auf seiner Nase zurecht. „Ihr habt nicht etwa Sehnsucht nach mir? Ich war doch nur ein Tag weg, morgen komme ich wieder.“ Er machte eine nachdenkliche Pause, bevor er fortfuhr: „Oder habt ihr wieder einen eurer berühmten Streiche gemacht und wollt mich seelisch auf etwas vorbereiten, was mich morgen in der Schule erwartet?“

„Nein, nein, nichts dergleichen, Herr Gimpel“, wehrte Sandra lachend ab. „Wir brauchen ihre Hilfe als Experte für eine Recherche, die sich mit der Vergangenheit von Ludwigshafen befasst.“

Herr Gimpel strahlte. Wenn man ihn als Experten bezeichnete, wuchs er über sich hinaus und man konnte von ihm haben, was man wollte. Oft genug hatten die Schüler diesen Trick erfolgreich angewandt, um sich auf diese Weise vor einer unliebsamen Hausaufgabenüberprüfung zu drücken.

„Ich wusste gar nicht, dass ihr euch mit der Vergangenheit eurer Heimatstadt befasst. Das freut mich sehr. Ich habe jede Menge Bücher und Schriften. Ich kann euch stundenlang darüber erzählen.“

„Danke, Herr Gimpel“, Sandra versuchte, den Redefluss ihres Lehrers in die richtige Richtung zu lenken, bevor er sie mit Monologen zu Tode langweilte. „Wir interessieren uns im Moment nur für den alten Hauptbahnhof. Dort, wo jetzt das Rathauscenter steht. Haben Sie davon vielleicht alte Pläne?“

„Pläne? Nein, so etwas habe ich nicht. Dafür ist das Stadtarchiv zuständig.“

Die Enttäuschung war groß für die wilden Vier. Allesamt ließen sie ihre Köpfe hängen. Mist – wieder eine Sackgasse.

„Vielleicht reichen euch Fotos? Ich habe damals jeden Baufortschritt fotografiert. Es war eines der größten Bauvorhaben in der Geschichte von Ludwigshafen.“

Die wilden Vier horchten auf. „Haben Sie auch Fotos vom Abriss? Sieht man da den Keller des Bahnhofes?“, hakte Kevin nach.

Herr Gimpel hob die Hand. „Langsam, langsam, am besten hole ich die alten Ordner. Bitte setzt euch an den Tisch, es dauert einen Augenblick, bis ich alles gefunden habe.“

Zufrieden setzten sich die Jugendlichen an den Tisch. Es hatte sich anscheinend gelohnt, ihren Lehrer zu besuchen. Wenige Minuten später kam Herr Gimpel mit vier dicken Ordnern an. Schnaufend legte er sie auf dem Tisch ab.

„Papier ist schwer. Diese Ordner bringen ein paar Kilogramm auf die Waage. In diesem habe ich die Fotos archiviert.“ Er schlug einen der Ordner auf und schon blickten die wilden Vier auf Fotos des ehemaligen Hauptbahnhofes.

„Die Bilder sind chronologisch abgelegt“, erklärte Herr Gimpel. „Wenn ihr weiterblättert, kommt der Abriss, danach der Neubau bis hin zur Einweihungsfeier.“

Marc, der vorne saß, blätterte um. Zuerst kamen ein paar Seiten mit allen möglichen Ansichten des Bahnhofes. Doch dafür hatten sie keine Zeit. Schließlich kamen Fotos vom Abriss des Gebäudes. Immense Schuttberge lagen auf der Straße und wurden von großen Muldenkippern abgefahren.

Das Fotoalbum erwies sich als Goldgrube. Eine Seite weiter war das oberirdische Gebäude verschwunden und Bagger gruben die Fundamente des Kellers aus. Die Jugendlichen waren erstaunt über die Weiträumigkeit der Baugrube.

„Das war ein riesiger Irrgarten da unten“, kommentierte Kerstin die Fotos. „Der Keller ist sogar mehrere Stockwerke tief. Wie hat man sich da nur zurechtgefunden?“

„Das weiß ich leider auch nicht“, gab der Lehrer zu. „Aber du musst nicht glauben, dass der Keller des neuen Rathauscenters kleiner ist. Im Gegenteil, der Untergrund ist hochkomplex. Und unten fahren sogar zweistöckig die Straßenbahnen. In Nord-Süd-Richtung vom Hemshof zur Stadtmitte und in Ost-West-Richtung von Mannheim zum neuen Hauptbahnhof.“

Kevin wurde unruhig. „Ist der Keller mit den Tunnels für die Straßenbahnen verbunden?“

Herr Gimpel nickte. „Sicher, das muss aus Sicherheitsgründen so sein. Ein Großteil des Kellers gehört der Stadtverwaltung, die dort Sachen lagert und archiviert. Andere Teile des Kellers gehören zu den vielen Geschäften, die im Center sind, ein weiterer Teil gehört zu den Verkehrsbetrieben, wie zum Beispiel die Tunnel.“

Marc blätterte weiter. Nun war die leere Baugrube zu sehen, die gerade für den neuen Keller vorbereitet wurde. „Was sind das für Holzvertäfelungen an den Wänden zur Baugrube, Herr Gimpel?“

Ihr Lehrer nahm sich den Ordner, rückte sich seine Brille zurecht und studierte das Foto. „Ihr müsst wissen, dass das Kellersystem des Hauptbahnhofes teilweise bis unter die Fußgängerzone reichte, die damals aber noch keine Fußgängerzone war. Teilweise wurden die Keller im Krieg als Fluchtstollen benutzt oder bei Bombenangriffen als Bunker. Da man beim Bau des Rathauses nicht die ganze Fußgängerzone aufgraben konnte, um die Stollen und Gänge zu entfernen – das wäre viel zu teuer geworden – hat man einfach die Zugänge vermauert und anschließend die neue Kellerwand betoniert.“

Jetzt waren alle vier aufgeregt. Sandra fragte: „Wissen Sie, ob es einen anderen Zugang zu diesem Stollensystem gibt?“

„Das glaube ich nicht. Ich habe jedenfalls nichts mehr davon gehört. Vom Rathauscenter aus dürfte alles dicht sein. Ob die Stollen irgendwo anders einen Ausgang haben, entzieht sich meiner Kenntnis.“

Der Besuch hatte sich gelohnt. Die wilden Vier waren sich sicher, dass es irgendwo einen Zugang zu diesem Stollensystem gab und dass dort das Vermögen von Juttas Opa versteckt sein musste.

Es dauerte eine Weile, bis sie sich von ihrem Geschichtslehrer verabschieden konnten. Es wäre zum einen sehr unhöflich und zum anderen sehr auffällig gewesen, wenn sie sofort nach dieser Eröffnung gegangen wären. So mussten sich die vier die Fotoalben bis zum Ende anschauen und hatten nun immerhin den Vorteil, sich im Rathauscenter einigermaßen auszukennen. Selbst an Orten, an denen sie vorher noch nie waren.

„Wow, das war ja ein richtiger Volltreffer“, freute sich Sandra, als sie wieder im Clubraum zusammensaßen und über die Ereignisse sprachen.

„Morgen schauen wir uns bei der Versteigerung um. Ich glaube zwar nicht, dass das was bringt, man soll aber nichts unversucht lassen, wie uns das Beispiel Gimpel gerade gezeigt hat.“

„Marc kann sich dann ein neues Rad ersteigern“, lästerte Kevin. „Sein jetziges quietscht dermaßen, dass es eigentlich eine akustische Körperverletzung ist.“

Eine Viertelstunde vor 15 Uhr gingen die wilden Vier durch die große Drehtür, die die Einkaufsmall vom Rathaus trennte. Die Aufzüge befanden sich wenige Meter dahinter. Kurz darauf kamen die Freunde im Kellergeschoss an. Sie waren die einzigen, die mit dem Aufzug nach unten fuhren. Sie erblickten einen langen Flur, der von einer ganzen Reihe Leuchtstofflampen erhellt wurde. Gegenüber der Aufzugstür klebte ein Zettel mit dem Hinweis „Zur Versteigerung“ und einem dicken Pfeil nach rechts.

„Das kann ja lustig werden“, sagte Kevin, als sie das dritte Mal in einen anderen Flur abbogen und dabei immer noch den Hinweisschildern folgten. „Da muss man ein paar Semester Labyrinthologie studieren, bevor man sich hier unten auskennt“, witzelte Sandra.

Der Weg war immer noch nicht zu Ende. Zahlreiche Türen mündeten in die verschiedenen Flure, meist waren sie nur mit Zahlen beschriftet. Ein letztes Mal mussten sie die Richtung wechseln und nach links abbiegen, dann erreichten sie einen größeren Raum und waren am Ziel. Etwa ein gutes Dutzend Leute standen herum und schauten sich die vielen Fahrräder an, die in mehreren Reihen aufgestellt waren. Auf der einen Seite stand ein Tisch mit einem Schild „Auktionator“. Hier sollte also die Versteigerung stattfinden.

Die wilden Vier mimten zunächst Interesse, da sie die einzigen Jugendlichen im Raum waren und somit unter besonderer Beobachtung standen. Bis zum Beginn der Versteigerung kamen weitere Interessenten hinzu.

Die wilden Vier rückten immer weiter ans Ende der Menschentraube. Nach einer Weile standen sie ganz hinten. Da der Leiter der Auktion die Anwesenden mit viel Humor in seinen Bann schlug, fiel es nicht auf, als die vier sich verkrümelten. Leise schlichen sie in einen Nebengang. Als sie außer Hörweite waren, fragte Marc: „Und was machen wir jetzt? Ich habe die Orientierung verloren. Ich weiß nur noch, wo oben und unten ist und selbst da bin ich mir nicht mehr so sicher.“

„Kein Problem“, antwortete Sandra und zückte ihren Kompass. „Hier ist Süden.“ Sie deutete nach rechts. „Im Süden grenzt das Rathauscenter an die Bismarckstraße, das ist dort, wo vermutlich die Gänge sind.“

Das Quartett bog nach rechts ab und lief einen weiteren Flur entlang. Dieser endete allerdings in einer Sackgasse. „Das scheint in diesem Stockwerk der südlichste Flur zu sein“, stellte Kerstin fest. „Wir müssen also in einen der Räume rein.“ Sie deutete auf eine Reihe von Türen.

Marc drückte zielstrebig eine Türklinke nach der anderen. Er lief den Flur entlang und hatte bei der vierten Tür Glück. Sie war nicht abgeschlossen. „Los, kommt alle schnell mit rein, bevor uns noch einer erwischt.“

Sie kamen in einen Raum, in dem altes Mobiliar gelagert wurde. Schreibtische standen gestapelt auf der einen Seite, Schränke auf der anderen. „Toll, und was sollen wir hier?“, fragte Kevin. „Ihr wisst selbst, dass die Gänge alle zubetoniert wurden.“

„Wer weiß, vielleicht hat man irgendwo ganz bewusst einen Zugang offengelassen“, meinte Sandra und sah sich um. „Wir sollten die Hoffnung nicht aufgeben, zumal wir so nah dran sind. Blöd ist, dass ausgerechnet auf der Südseite des Raumes die schweren Schränke stehen.“

Kerstin kletterte auf einen Schreibtisch, um auf die Oberseite der Schränke schauen zu können. „He Leute, kommt mal hoch. Die Wand über diesem Schrank sieht irgendwie viel rauer und abgebröckelt aus.“

Im Nu standen die vier auf dem Schreibtisch und schauten in die gleiche Richtung wie Kerstin. „Mensch Kerstin, das ist bloß Schmutz und Spinnweben. Was soll daran besonders sein?“

„Vielleicht hast du Recht. Vielleicht aber nicht.“ Gekonnt sprang Kerstin vom Tisch und ging zu einem großen Aktenschrank. Mit aller Kraft versuchte sie, ihn auf die Seite zu schieben.

„Der ist schwer wie Blei“, ächzte sie. „Los, jetzt helft mir endlich!“ Gemeinsam versuchten sie, den Aktenschrank zu bewegen. Doch er war zu schwer.

„Das liegt an der Reibung“, überlegte Sandra laut. „Raues Holz auf Steinfußboden ist nicht sehr gleitfähig. Ich glaube, ich habe eine Idee.“ Sandra ging in die andere Raumecke, in der ein Stapel alter Decken lag und schnappte sich eine.

„Gute Nacht“, lästerte Marc. „Willst du etwa schlafen gehen oder was soll das?“

„Ich will ganz bestimmt nicht schlafen“, erwiderte Sandra verärgert. „Dafür hast du wohl im Physikunterricht gepennt. Los, ihr zwei Muskelprotze, drückt den Schrank zur Seite, sodass er nur noch auf der Querseite Bodenkontakt hat.“

„Ich verstehe“, sagte Kerstin. Und schon zeigte sie den Jungs, was sie und Sandra meinten. Zu Dritt kippten sie den Schrank schräg, sodass er fast umgefallen wäre, wenn nicht ein weiterer Schrank nebenan gestanden hätte.

Sandra schob nun die Decke unter den teilweise hochgehobenen Schrank, wobei sie eine Wulst bis zur Kante drückte. „Jetzt könnt ihr den Schrank langsam wieder runterlassen, und dann machen wir das gleiche Spiel auf der anderen Seite.“

Als der Aktenschrank nun zur anderen Seite gekippt war, konnte Sandra die Deckenwulst herausziehen. Der Schrank stand jetzt komplett auf der Decke.

„Und was soll das Ganze?“, fragte Marc immer noch skeptisch.

„Reibung heißt das Zauberwort“, antworteten Kerstin und Sandra im Chor und Kerstin ergänzte: „Lasst uns an der Decke ziehen. Kevin, du passt auf, dass der Schrank seitlich nicht umkippt.“

Ohne große Kraftanstrengung ließ sich der schwere Aktenschrank nach vorne ziehen. Die Decke hatte die Reibungskräfte zum Fußboden stark vermindert. „Bingo, Volltreffer! Da ist tatsächlich ein Durchbruch in der Wand!“, rief Sandra begeistert.

Es war keine Tür im herkömmlichen Sinn. Es sah eher nach einem ausgefransten, runden Loch aus. „Das gibt es doch nicht“, rief Kevin aufgeregt. „Dieses Loch wurde eindeutig erst später reingestemmt. Warum hat man nicht gleich eine richtige Tür eingebaut?“

„Vielleicht ist man erst später auf die Idee gekommen, die alten Stollen zu untersuchen, und der Durchgang war die schnellste Möglichkeit“, vermutete Marc und beäugte neugierig das Loch in der Wand.

„Egal, ich will da rein!“, beschloss Sandra. „Ihr habt doch eure Taschenlampen dabei, oder?“

Marc war schon durch das Loch in der Betonwand verschwunden.  „Beeilt euch, hier fängt ein Gang an.“

Der Stollen war recht gut erhalten und mit über zwei Metern Höhe nicht gerade klein. Die Wände waren aus Backsteinen gemauert und mit Spinnweben und Schmutz überzogen. Bereits nach kurzer Zeit mündete der Gang in einem quadratischen Raum.

„Da gehen gleich drei Stollen ab. Wir sind mitten im Labyrinth der tausend Gänge“, witzelte Kevin.

„Falsch, mein lieber Bruder.“ Kerstin schüttelte den Kopf. „Ein Labyrinth hat nämlich immer exakt einen Eingang und einen Ausgang. Das, was wir hier haben, ist ein Irrgarten. Und für solche Fälle habe ich stets ein Stück Kreide dabei.“

Kerstin markierte den Weg, auf dem sie hergekommen waren mit einem Dreieck. Nun malte sie neben dem rechten der drei Stollen ein Viereck. „Lasst uns diesen Weg nehmen.“

Die anderen folgten ihr. Dieser Weg war ziemlich kurz und endete als Sackgasse in einem winzigen Kämmerchen. „Sackgasse, Fehlanzeige. Wir müssen zurück“, bestimmte Kerstin.

Die vier benötigten nur eine Minute, um zurück in den vorhergehenden Raum zu gelangen. Diesmal markierte Kerstin den mittleren Weg mit einem Fünfeck. Dieser Stollen war deutlich länger als der vorherige. An einer Stelle ging es sogar über mehrere Treppenstufen nach unten.

Kevin, der vorausging, blieb hinter einer scharfen Biegung so abrupt stehen, dass die anderen ihn fast umrannten.

„He, was ist los?“, schimpften sie.

„Das ist los!“ Kevin leuchtete auf einen Erdrutsch, der den Stollen verschüttete.

„Na toll, wenn das der richtige Weg zum Schatz ist, haben wir ein massives Problem. Das kriegen wir wahrscheinlich nicht weggetragen.“ Marc trat an den Erdhaufen und betrachtete ihn verärgert.

„Davon abgesehen dürfte es gefährlich sein. Vielleicht rutscht dann noch mehr nach.“

„Kommt, lasst uns umkehren“, schlug Sandra vor. „Einen Weg haben wir ja noch.“

So machten sich die wilden Vier in dem schmutzigen Stollen erneut auf den Rückweg. Zum Glück schien es genügend Sauerstoff zu geben. Nach einiger Zeit waren sie am Ausgangspunkt angelangt.

Angespannt folgten sie dem letzten noch verbliebenen Stollen. Es schien, als verlief der Gang mehr oder weniger parallel zur Außenwand des Rathauskellers. Sandra, die die Führung übernommen hatte, entdeckte auf dem Boden einen kleinen Wasserfleck, und wenige Sekunden später entdeckte sie einen weiteren. So ging es ein paar Mal, und die Flecken wurden immer größer.

Schließlich standen sie erneut in einer Sackgasse. Oder vielleicht doch nicht? Der Stollen war diesmal nämlich nicht durch einen Erdrutsch verstopft, es handelte sich vielmehr um eine Tür. Und zwar eine massive Eisentür.

„Dann lasst mich mal vorbei“, tat sich Kevin wichtig und hielt schon seine Dietriche in der Hand. Vor Kevin war kein Schloss sicher, wenn es sich nicht gerade um ein Sicherheitsschloss handelte. Dementsprechend benötigte er nur ein paar Sekunden, bis die schwere Eisentür mit einem leisen Klick aufsprang.

Die vier leuchteten in einen großen Raum, der demjenigen mit den Schränken und Tischen ähnelte, durch den sie vorhin die Stollen betreten hatten.

„Wisst ihr was?“, sagte Kerstin. „Wir sind wieder im Rathauskeller. Dies ist nur ein zweiter … Mist, was ist das?“

Kerstin war in eine große Wasserpfütze getreten, die sich direkt vor der Tür befand.

„Jetzt habe ich auch noch nasse Füße. Passt auf, dass ihr nicht auch reintretet. Kommt, lasst uns verschwinden.“

Kevin sprang als letzter über die Pfütze und schloss die Tür wieder zu. Sie gingen durch den Raum und öffneten vorsichtig die Tür. Der Flur war leer. Doch in welche Richtung ging es jetzt zum Aufzug? Die wilden Vier irrten durch die Gänge. Plötzlich stand ein Mann vor ihnen.

„Wo wollt ihr denn hin? Ihr seid doch nicht etwa auf Diebestour?“, sprach er sie mit strenger Stimme an.

Sandra reagierte sofort: „Nein, nein, entschuldigen Sie bitte. Wir waren bei der Fahrradversteigerung und haben uns auf dem Rückweg verlaufen. Würden Sie uns bitte heraushelfen?“

Der Mann lachte. „Dann läuft ihr aber schon eine Weile hier unten herum. Die Versteigerung ist seit über einer halben Stunde vorbei. Nun kommt mal mit.“

Die wilden Vier staunten nicht schlecht, denn sie waren nur wenige Meter und zwei Abbiegungen von den rettenden Aufzügen entfernt. Der Mann begleitete sie nach oben bis zur Eingangshalle des Rathauses.

„Das nächste Mal nehmt lieber was zu essen mit, falls ihr euch wieder verlauft“, witzelte er zum Abschied.

Die Klassenkameraden durchquerten die Mall mit den vielen Geschäften und verließen das Rathauscenter in Richtung Bismarckstraße. Alle vier waren froh, endlich wieder Tageslicht zu sehen.

„Was machen wir jetzt? Wir waren schon so weit und haben doch verloren“, beschwerte sich Marc. „Warum musste dieser Stollen nur verschüttet sein? Ich sag’s euch, das wäre unser Haupttreffer gewesen.“

„Jetzt warte erst mal ab“, antwortete Sandra. „Mich bedrückt etwas ganz anderes. Und zwar, warum da jemand kurz vor uns in den Stollen war.“

„Was?“, riefen die anderen drei überrascht.

Frage: Woran erkannte Sandra, dass erst kurz vorher jemand in dem Stollen gewesen sein musste?

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