Cover Die wilden Vier und der Schatz im Rathauskeller

Der Fremde

Autor: Harald Schneider

Nachdem sich am Vortag die Ereignisse förm­lich über­schla­gen hat­ten, waren die wil­den Vier heu­te in der Schule ver­ständ­li­cher­wei­se nicht ganz bei der Sache. Marc ließ in Geographie den Rhein in die Ostsee mün­den und Kevin erfand in Mathematik mit der phan­ta­sie­reich wei­ter­ent­wi­ckel­ten Konstante „Pi,5“ die ers­te Doppelkommazahl der Menschheit. Leider gäbe es dafür noch kei­nen Nobelpreis, mein­te sein Lehrer über die­se mathe­ma­ti­sche Entgleisung.

Der Unterricht zog sich end­los hin. Nur die gro­ße Pause war selt­sa­mer­wei­se viel zu schnell vor­bei. Den vier Freunden erschien es, als hät­te ein Riesenmagnet den Minutenzeiger wäh­rend der Pause auf Formel-1-Niveau beschleunigt.

Aber selbst die längs­ten Schulstunden sind irgend­wann ein­mal zu Ende. Die wil­den Vier und ihre Mitschüler stürm­ten aus dem Klassenraum.

Am Eingang der Schule stand ein unbe­kann­ter Mann, der ihnen zunächst nicht wei­ter auf­fiel. Bis er plötz­lich rief: „Hey, ihr da! Seid ihr nicht die wil­den Vier?“

Sandra, Kerstin, Kevin und Marc blie­ben ver­wun­dert ste­hen und starr­ten den Mann an. Es han­del­te sich um einen voll­kom­men unauf­fäl­li­gen Typen. „Ja, das sind wir“, ant­wor­te­te Sandra.

„Ich habe auf euch gewar­tet. Wenn ihr wollt, schla­ge ich euch ein klei­nes Geschäft vor. Ich habe Informationen, die euch sicher­lich weiterhelfen.“

„Uns wei­ter­hel­fen? Mit was denn? Sie sind hof­fent­lich kein Nachhilfelehrer für Mathematik, oder?“, ver­such­te Kevin zu scherzen.

Der Mann lach­te. „Nee, mit Schule habe ich nichts im Sinn. Ich weiß zufäl­lig, dass ihr etwas sucht. Ich habe die Lösung für euch.“

Die wil­den Vier schöpf­ten Verdacht. Handelte es sich um eine Falle?  „Wir haben abso­lut kei­ne Ahnung was Sie mei­nen“, erwi­der­te Kerstin in mög­lichst gleich­gül­ti­gem Ton. „Wir suchen näm­lich gar nichts. Außer viel­leicht mein Bruder. Der sucht in Mathe den Durchblick.“

Kevin stieß ihr erbost mit dem Ellbogen in die Seite.

Der Mann lächel­te und ant­wor­te­te: „Ich kann ver­ste­hen, dass ihr vor­sich­tig seid. Aber ich will euch ent­ge­gen­kom­men. Ich sage nur: ‚Rathauscenter’ und ‚Kellergewölbe’. Wenn ihr mehr wis­sen wollt, seid um 15 Uhr am Brunnen gegen­über der Haltestelle ‚Schwanen’. Und kommt auf jeden Fall allei­ne. Sonst erfahrt ihr kein Wort von mir.“

Der Mann dreh­te sich schmun­zelnd um und ging fort.

Marc sah ihm hin­ter­her. „Das ist bestimmt der Typ, der uns ges­tern ver­folgt hat. Wisst ihr noch?“

„Blöde Situation, was machen wir jetzt?“, frag­te Kevin in die Runde.

„Ist doch klar!“, rief Sandra. „Wir gehen hin. Das ist das ein­zig Vernünftige, sonst erfah­ren wir nichts. Gefährlich ist das nicht, um die­se Zeit ist der Treffpunkt viel zu belebt. Wir müs­sen nur auf­pas­sen, dass er uns nicht fortlockt.“

Marc stimm­te mit einem Kopfnicken zu. „Ich den­ke, wir soll­ten dar­auf ver­zich­ten, Daniel zu infor­mie­ren, okay?“

Eine gute Viertelstunde vor dem ver­ein­bar­ten Termin saßen die wil­den Vier am Brunnen neben dem Gebäude der Sparkasse auf einer Bank. Elvis ver­such­te mit sei­ner lan­gen Zunge an das Wasser des Brunnens zu kom­men. Hierzu muss­te er sich auf sei­ne Hinterbeine stel­len, was sehr lus­tig aussah.

Wie es der Zufall so woll­te, kam in die­sem Moment Daniel vor­bei, erblick­te die Jugendlichen und ging sofort auf sie zu.

Kevin sah dem Schulkameraden erbost ent­ge­gen. „Bist du etwa die gro­ße Überraschung? Wolltest du …“

Kerstin rem­pel­te ihren Bruder unsanft an. „He Kevin, drehst du jetzt etwa durch? Das ist doch bloß Daniel, der zufäl­lig hier vor­bei­läuft und gleich wei­ter geht.“

Fast hät­te Kevin mehr aus­ge­plau­dert, als ver­nünf­tig gewe­sen wäre. Aber Daniel hat­te bereits Lunte gero­chen. Er dach­te gar nicht mehr dar­an, wei­ter zu gehen. Selbst wenn sei­ne Mutter noch so lan­ge auf die Einkäufe war­ten musste.

Während sie sich alle über das Missgeschick mit Daniel ärger­ten, stand plötz­lich der Fremde vor ihnen. Keiner hat­te gese­hen, wo er her­kam. Elvis blieb brav bei Marc sit­zen und rühr­te sich nicht. Der Mann schien ihm nichts auszumachen.

„Nanu, habt ihr Zuwachs bekom­men?“, frag­te der Fremde zur Begrüßung. „Wenn ich mich recht erin­ne­re, bist du Daniel, oder? Du kannst ger­ne bei unse­rer Unterredung dabei­blei­ben, irgend­wie betrifft es dich auch ein bisschen.“

Daniel war ver­blüfft, dass der frem­de Mann ihn zu ken­nen schien. Er sag­te aber kein Wort.

„Kommt, lasst uns in die Eisdiele gehen. Ich lade euch ein.“

Die fünf blick­ten ein­an­der kurz an, dann nick­ten sie.

Zu sechst ging die Gruppe mit dem Dalmatiner zur Eisdiele. Gerade wur­de ein gro­ßer Tisch frei, der sofort von ihnen in Beschlag genom­men wur­de. Es dau­er­te ein paar Minuten, bis die Bestellungen auf­ge­ge­ben waren und die Bedienung die gewünsch­ten Eisbecher gebracht hatte.

„Ihr fragt euch bestimmt, wer ich bin und was ich von euch will“, begann der Mann end­lich. „Da muss ich euch lei­der ent­täu­schen, das wer­de ich euch nicht ver­ra­ten. Wenn ihr mir aller­dings ver­traut, kann ich euch ein paar wert­vol­le Tipps geben.“

Sandra schau­te den Mann fra­gend an. „Und war­um soll­ten wir Ihnen ver­trau­en? Sie wol­len bestimmt eine Gegenleistung dafür?“

„Hm, nein, äh, doch. Es ist nur eine klei­ne Gefälligkeit. Doch zunächst will ich euch etwas über das Kellergewölbe erzählen.“

„Langsam“, unter­brach ihn Kerstin. „Sagen Sie uns lie­ber, um wel­che Gefälligkeit es sich han­delt. Vielleicht wol­len wir Ihre Geschichte dann gar nicht mehr hören.“

Der Mann stutz­te einen Moment, bevor er laut los­lach­te. „Ihr seid wohl die ganz Schlauen, was? Ich habe mir gedacht, dass es nicht ein­fach ist, sich mit den wil­den Vier anzu­le­gen, aber dass ihr so hart­nä­ckig seid? Okay, ich ver­ra­te euch, wo es einen Zugang zu den Resten des Kellersystems gibt, und ihr zeigt mir dafür die Karte, die in eurem Besitz ist. Das ist doch ein fai­rer Deal, oder?“

„Ach, so läuft der Hase“, Marc plus­ter­te sich auf. „Da müs­sen wir Sie ent­täu­schen. Zum einen haben wir die Karte gar nicht, zum ande­ren haben wir den Eingang im Keller des Rathauses gefun­den. Das ist aber eine Sackgasse, wie Sie eigent­lich wis­sen müss­ten. Sie waren schließ­lich der­je­ni­ge, der kurz vor uns dort unten war!“

Der Fremde war von der Antwort ver­wirrt. Es dau­er­te einen Moment, bis er ant­wor­te­te: „Von einem Zugang im Keller des Rathauses weiß ich nichts. Ich war jeden­falls noch nie dort unten, ken­ne aber einen Eingang, der mit­ten in der Fußgängerzone liegt. Und dass ihr nicht die ech­te Karte habt, ist mir bekannt. Ich weiß aber, dass ihr eine Kopie habt.“

Die wil­den Vier schluck­ten. Der Mann schien tat­säch­lich eine Menge zu wis­sen. Warum woll­te der Fremde den Plan sehen? Und wie­so kann­te er einen Eingang zu den Gewölben?

Sandra ant­wor­te­te stell­ver­tre­tend für ihre Freunde: „Okay, wir sind ein­ver­stan­den. Sie bekom­men den Plan erst, wenn Sie uns den Eingang gezeigt haben. Als Gegenleistung gewissermaßen.“

Der Mann nick­te erfreut. „Genau das hät­te ich auch vor­ge­schla­gen. Lasst uns gemein­sam in das Gewölbe stei­gen. Wie wäre es mit mor­gen Mittag um 15 Uhr am Eingang des Rathauscenters?“

Die wil­den Vier stimm­ten dem Vorschlag zu. Blöd, dass auch Daniel dabei war. Wenigstens hat­te er sich aus der Unterhaltung raus­ge­hal­ten. Die Jugendlichen und der Fremde aßen ihr Eis fer­tig und ver­ab­schie­de­ten sich. Ohne Daniel zu infor­mie­ren, tra­fen sich die wil­den Vier kurz dar­auf in ihrem Clubraum.

„Jetzt kön­nen wir uns end­lich unter­hal­ten, ohne dass Daniel jedes Wort mit­be­kommt“, begann Marc. „Was hal­tet ihr von die­sem Typ?“

„Sehr suspekt“, ant­wor­te­te Kerstin nach­denk­lich. „Er woll­te uns nicht mal sei­nen Namen nen­nen. Irgendetwas führt er im Schilde. Wenn man nur wüss­te, was!“

„Jedenfalls müs­sen wir mor­gen sehr vor­sich­tig sein und auf­pas­sen“, mein­te Sandra. „Jeder nimmt sei­ne Taschenlampe mit, das dürf­te klar sein. Ich wer­de zusätz­lich ein paar Spezialsachen aus mei­nem Detektivkoffer in mei­nen Rucksack packen.“

„Sollen wir nicht lie­ber Kommissar Greulich ein­schal­ten?“, mein­te Kevin, doch Sandra schüt­tel­te ent­schie­den den Kopf.

„Nee, lass mal. Wenn wir mit Greulich auf­tau­chen, erfah­ren wir nie, wo die­ser zwei­te Zugang ist. Das Abenteuer müs­sen wir aus eige­ner Kraft meis­tern. Das wäre doch gelacht.“

Am nächs­ten Tag tra­fen sich die wil­den Vier mit Daniel an der Haltestelle. Alle fünf hat­ten ihre Rucksäcke dabei. Selbstverständlich durf­te Elvis nicht feh­len. Der Dalmatiner merk­te, dass irgend­was in der Luft lag und trot­te­te ner­vös von einem zum anderen.

Die Jugendlichen bemerk­ten nicht, dass am ande­ren Ende der Straßenbahn jemand zustieg, der sie ganz genau beob­ach­te­te und nicht aus den Augen ließ.

Die Gruppe fuhr nicht bis zur Haltestelle „Rathaus“, son­dern stieg bereits am „Berliner Platz“ aus, da noch etwas Zeit bis zum Treffen war. Außerdem woll­ten sie den mys­te­riö­sen Fremden zunächst aus der Entfernung betrachten.

So lie­fen die fünf Jugendlichen und Elvis gespannt durch die Fußgängerzone, nicht ahnend, dass sie noch immer ver­folgt wur­den. „Da vor­ne steht er“, rief Adlerauge Marc schon weit vor dem ver­ein­bar­ten Treffpunkt.

Tatsächlich, auf der obers­ten Stufe der brei­ten Treppe, die zum Eingang der Mall führ­te, stand der unbe­kann­te Fremde. Sie blie­ben zunächst in aus­rei­chen­der Entfernung hin­ter einer Plakatwand ste­hen und beob­ach­te­ten den Mann. Nach einer Weile kamen sie zu dem Entschluss, dass er allei­ne war und kei­ne Komplizen in der Nähe stan­den. Sie ver­lie­ßen ihr Versteck und lie­fen die letz­ten Meter zu der Treppe. Der Fremde hielt bereits nach ihnen Ausschau.

„Hallo, da seid ihr ja. Pünktlich wie die Maurer“, lächel­te er. Suchend schau­te er sich um. „Ich gehe davon aus, dass ihr nicht etwa die Polizei infor­miert habt?“

„Nein, haben wir nicht. Was hät­ten wir der denn erzäh­len sol­len?“, ant­wor­te­te Sandra.

„Okay, dann kommt jetzt mit.“ Auch der Mann hat­te eine grö­ße­re Stofftasche dabei. Marc ver­such­te an den Umrissen den Inhalt zu erkennen.

„Wie hei­ßen Sie eigent­lich?“, woll­te Kerstin wissen.

„Das tut nichts zur Sache, aber ihr könnt mich Karl nen­nen. Ah, wir sind schon fast am Ziel.“

Sie befan­den sich höchs­tens 100 Meter vom Rathauscenter ent­fernt in der Fußgängerzone. Die Jugendlichen stan­den vor einem gro­ßen mehr­stö­cki­gen Gebäude, in des­sen Erdgeschoss meh­re­re klei­ne Läden unter­ge­bracht waren. Dazwischen befand sich etwas ver­steckt in einer klei­nen Einbuchtung ein Hauseingang. Die schma­le Haustür war äußerst unauf­fäl­lig. An der Seite waren an der Wand eine Vielzahl von Briefkästen befes­tigt, aus denen vie­le Prospekte herauslugten.

„Das sehen die meis­ten, die hier ein­kau­fen, gar nicht“, sprach Karl. „Über den Geschäften befin­den sich rie­si­ge Wohnanlagen. Kommt mit rein.“ Er öff­ne­te die Haustür, die nur ange­lehnt war. Direkt dahin­ter begann ein dunk­ler Flur, der in einem tris­ten Hinterhof mün­de­te. Hier stan­den Mülltonnen, Fahrräder, die offen­sicht­lich schon bes­se­re Tage gese­hen hat­ten, und Berge von Sperrmüll her­um. Auf bei­den Seiten befan­den sich wei­te­re Türen, die wahr­schein­lich in die Treppenhäuser mündeten.

Karl ging zum Ende des Hinterhofes und die Jugendlichen folg­ten ihm zu einer alten, gemau­er­ten Garage ohne Tor. Das höl­zer­ne Dach war nur noch stel­len­wei­se intakt. In dem offe­nen Raum stan­den wei­te­re Mülltonnen und Wertstoffsäcke. Die wil­den Vier schau­ten sich skep­tisch um. Hier soll­te es einen Eingang zu den unter­ir­di­schen Gewölben geben? Was hat­te die­ser Karl mit ihnen vor? Jäh wur­den sie aus ihren Gedanken gerissen.

„Helft mir mal, wir müs­sen das Zeug wegschaffen.“

Der Mann begann, die gel­ben Wertstoffsäcke und Papierbündel aus einer Ecke der Garage zu schlep­pen und neben dem Eingang auf­zu­tür­men. Die wil­den Vier und Daniel hal­fen ihm. Elvis ver­stand den Sinn der Übung nicht so recht und lief ihnen auf­ge­regt zwi­schen den Beinen her­um, was die Arbeit nicht nur gering­fü­gig verzögerte.

„Mensch, Elvis, ein Glück, dass wir dich dabei­ha­ben“, mein­te Kerstin und ver­zog iro­nisch die Mundwinkel.

Schließlich war die Garagenecke aus­ge­räumt. Der Mann zeig­te stumm auf zwei gro­ße Kanaldeckel, die in den Boden ein­ge­las­sen waren.

„Hier, einer der bei­den ist der Eingang in das Kellergewölbe.“

Die wil­den Vier kamen näher und betrach­te­ten die bei­den Deckel. Auf dem lin­ken stand in der Einfassung „HBT 367/19362 VFG Ludwigshafen“. Auf dem rech­ten Deckel konn­ten sie nur den Text „67065 Ludwigshafen“ erken­nen. Der Rest war zu undeutlich.

„Welche ist der rich­ti­ge?“, frag­te Kevin.

Bevor Karl ant­wor­ten konn­te, trumpf­te Marc auf: „Das ist doch klar! Ich weiß ganz genau, wel­cher der bei­den Kanaldeckel der rich­ti­ge ist.“

Frage: Welches ist der rich­ti­ge Eingang und warum?

Antwort: .3991 ties tsre se tbig lhaztieltsoP egil­letsfnüf eiD .’nefahsgiwduL 56076’ the­ts lekceD neth­cer med fuA .egith­cir red tsi gnaguZ eknil reD