Klassenzimmer

Wie man einen Lehrer zur Verzweiflung bringt

Autor: Harald Schneider

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Lehrer muss man ärgern, das ist für mich seit mei­nem ers­ten Schultag klar. Meine Schwester Melanie sieht das anders. Sie behaup­tet, dass ihr man­che Schulfächer sogar Spaß machen. Das glau­be ich aber nicht. Am liebs­ten spie­le ich mei­nen Lehrern Streiche. Besonders wenn unse­re Klasse einen neu­en Lehrer bekommt, macht das ziem­lich viel Spaß. Denn die neu­en Lehrer ken­nen uns noch nicht.

Als das Schuljahr anfing, beka­men wir einen neu­en Lehrer. Herr Müller war sein Name. Klar, dass ich mir da etwas Besonderes aus­dach­te und alle mei­ne Klassenkameraden mit­ge­macht haben.

Als Herr Müller zum ers­ten Mal in unse­re Klasse kam, stell­te er sich vor und sag­te uns gleich, dass er kei­ner­lei Schülerstreiche dul­de. Außerdem ken­ne er bereits alle Streiche.

Was er nicht wuss­te: Er befand sich bereits mit­ten in einem Streich, ohne es jedoch zu wis­sen. Er ver­lang­te von uns , dass wir klei­ne Namensschildchen auf­stel­len, damit er sich unse­re Vornamen schnel­ler mer­ken könne.

Das haben wir natür­lich sofort aus­ge­nutzt und unse­re Namen ver­tauscht. Ich hieß Max, Max schrieb Jonas auf sein Schild und Jonas nann­te sich in Finn um. Auch die Mädchen mach­ten mit: Anna hat­te sich auf Emma umge­tauft und Sophie auf Laura.

Wir muss­ten höl­lisch auf­pas­sen, damit wir nicht ver­se­hent­lich bei unse­rem rich­ti­gen Namen reagier­ten, wenn Herr Müller ihn aufrief.

Wir hat­ten den gan­zen Schultag unse­ren Spaß an der Verwechslungskomödie. Doch das war erst der Anfang.

Am nächs­ten Morgen haben wir näm­lich unse­re Namensschilder erneut ver­tauscht. Heute hieß ich nicht Max, son­dern Lukas. Julian hat­te sich Toms Schild geschnappt. Mia hat­te sich für Leonie ent­schie­den und Hanna gefiel der Name Alina. Ein heil­lo­ses Durcheinander war im Gange. Herr Müller ver­stand die Welt nicht mehr.

„Du warst doch ges­tern noch Jan!“, sag­te er zu Leon. Doch Leon behaup­te­te, dass er schon immer Noah hieß.

Unser Lehrer stand nach­denk­lich und sich rat­los am Kopf krat­zend vor uns. „So etwas ist mir noch nie pas­siert“, sag­te er schließ­lich. „Ich brin­ge alle eure Namen durch­ein­an­der. Wahrscheinlich liegt es dar­an, dass ich neu an die­ser Schule bin und mir die Namen der Schüler von meh­re­ren Klassen mer­ken muss. Aber bis mor­gen wer­de ich eure Namen bestimmt aus­wen­dig kennen.“

Da täusch­te er sich aller­dings. Auch am drit­ten Tag stell­ten wir wie­der unse­re Schilder um. In der ers­ten Stunde hat­ten wir noch unse­ren Riesenspaß.

Doch dann pas­sier­te aus­ge­rech­net mir ein klei­nes Missgeschick. Herr Müller kam auf mich zu und woll­te mir eine Frage stel­len. Er schau­te auf das Namensschild, schau­te kurz zu mir und dann zum zwei­ten Mal auf das Schild. „Du willst doch nicht behaup­ten, dass du Emily heißt!“, sag­te er zu mir.

Die gan­ze Klasse lach­te wie ver­rückt, weil ich aus­ge­rech­net das Schild eines Mädchens erwischt hatte.

Herr Müller ahn­te nun die Wahrheit. Er ging zu Tanja, oder jeden­falls zu der, die er für Tanja hielt und schnapp­te sich ihr Mathebuch. Er blät­ter­te es auf und las den Namen der Besitzerin: Lisa.

Nun war wohl eine Standpauke fäl­lig. Doch Herr Müller reagier­te ganz anders. „Ihr Bande“, sag­te er und lach­te dabei, „da ist euch doch tat­säch­lich gelun­gen, mich her­ein­zu­le­gen. Tja, auch ein Lehrer lernt nie aus.”