Leeres Klassenzimmer

Die ausgefallene Stunde, die nicht ausfiel

Autor: Harald Schneider

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Im letzten Schuljahr hatten wir Dienstagmittags immer eine Doppelstunde Sozialkunde. Irgendwie ließ sich diese Stunde nicht vormittags unterbringen. Oder der Lehrer konnte nicht. Er musste nämlich extra von einer anderen Schule kommen. Wir hatten keine Ahnung, warum das so war.

Jedenfalls war diese Stunde immer ätzend langweilig und zog sich wie Kaugummi. Der Dienstag war für uns immer der schlimmste Tag der Woche.

An diesem Dienstag wollten wir deshalb besonders schlau sein. Es war ein schöner und sehr warmer Tag, genau richtig um in eine Eisdiele zu gehen, anstatt uns über die Gesellschaftsordnung des 18. Jahrhunderts vollsülzen zu lassen. Schuleschwänzen kam für uns natürlich nicht infrage. Jedenfalls nicht offiziell.

Wir trafen uns bereits eine halbe Stunde vor Unterrichtsbeginn vor dem Schulgebäude. In Windeseile hatten wir einen großen Zettel mit Klebeband an der Tür befestigt und ruckzuck waren wir auch schon wieder verschwunden.

Es hätte alles gut geklappt, wenn uns unsere Neugier nicht zurück zum Tatort getrieben hätte.

Kurz vor Unterrichtsbeginn gingen wir gemeinsam zur Schule zurück um die Wirkung unserer Aktion mitzuerleben. Und tatsächlich, so ziemlich alle Klassenkameraden kamen uns in Gruppen entgegen. Freudestrahlend berichteten sie uns, der Unterricht würde heute wegen Krankheit ausfallen.

Wenn wir es nur dabei belassen hätten. Aber unsere Neugierde war größer. Schließlich standen wir als einzige unserer ganzen Klasse vor dem Zettel an der Klassenzimmertür. Alle anderen Klassenkameraden waren zu diesem Zeitpunkt längst wieder auf dem Heimweg.

Der dumme Zufall wollte es, dass ausgerechnet in diesem Moment unser Lehrer hinter uns auftauchte, den Zettel las, ihn abriss und laut zu schimpfen begann.

Schließlich beruhigte er sich wieder und versprach sich selbst, die Übeltäter hart zu bestrafen. Ausgerechnet uns lobte er, weil wir wohl als einzige auf ihn gewartet hätten. Aufklären konnten wir dieses Missverständnis natürlich nicht. Als Krönung versprach uns unser Lehrer dann, dass er den Unterricht trotz alledem nur für uns vier halten würde.

Aus verständlichen Gründen haben wir unseren Klassenkameraden bis zum heutigen Tag nicht verraten, wer hinter der Geschichte mit dem ominösen Zettel steckte.